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Für viele ist Wohnen ein Grundrecht; die Höhe der Mieten spaltet die Bevölkerung. Während sie auf dem flachen Land vielfach sogar zurückgehen, klettern sie gerade in den Großstädten auf nie dagewesene Höhen. In Berlin gab es in diesem Jahr große Demonstrationen angeführt von Bürgerinitiativen. Von Verstaatlichung privater Wohnungsbauunternehmen ist die Rede.
Eine andere Forderung ist das Einfrieren von Mieten durch den Staat. Der Berliner Senat hat zuletzt beschlossen, dass bestimmte Mieten in der Hauptstadt fünf Jahre lang nicht erhöht werden dürfen. Einige Politiker haben sogleich eine bundesweite Ausdehnung dieses Instruments gefordert. Die Ökonomen Sebastien Dullien und Michael Voigtländer sind unterschiedlicher Meinung, ob man Mietpreise selektiv per Gesetz einfrieren sollte.
Pro: Sebastian Dullien
Prof. Dr. Sebastian Dullien leitet das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung und ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Seit längerem fordert er vor allem mehr öffentlichen Wohnungsbau. Mietpreiskontrollen sieht er als vorübergehendes, unterstützendes Instrument.
Hauptargumente
Der heftige Anstieg von Mieten in den Ballungsgebieten führt zu massiver Umverteilung von Mieterhaushalten hin zu Immobilieneigentümern. Bei Bestandswohnungen hat diese Umverteilung keinen ökonomischen Sinn, weil sie zu keinem Wohnungsneubau führt, aber die Ungleichheit verschärft und bestimmte Bevölkerungsgruppen aus den Städten drängt.
Empirie
International ist bekannt, dass selektive Mietpreisregulierungen – etwa zeitlich begrenzt und nur für ältere Wohnungen – den Mietanstieg bremsen können, ohne dass die Investitionen in den Wohnbau gehemmt werden. Forschungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben ergeben, dass die 2015 eingeführte deutsche Mietpreisbremse den Mietanstieg gebremst und gleichzeitig sogar den Neubau angekurbelt hat, weil in neuen Wohnungen höhere Mieten als in Bestandsbauten verlangt werden können.
Probleme
Die deutsche Mietpreisbremse, die hierzulande bereits selektiv die Mieten für Bestandswohnungen in angespannten Märkten begrenzt, hat viele Schlupflöcher und wird oft missachtet. Insbesondere ist es für Vermieter attraktiv, unnütze, aber teure Modernisierungsinvestitionen durchzuführen, weil sie nach den gesetzlichen Regeln dann die Miete anheben dürfen.
Politikvorschläge
Wichtig wäre, im Rahmen der Mietpreisbremse die Rechte der Mieter zu stärken, etwa durch ein Mietenregister, in dem man nachsehen kann, was die Vormieter gezahlt haben. Wichtig wären auch schärfere Kontrollen, ob kostspielige Modernisierungen, deren Kosten auf die Mieten umgelegt werden, auch wirklich eine Verbesserung der Wohnqualität bieten.
Contra: Michael Voigtländer
Prof. Dr. Michael Voigtländer leitet im Institut der deutschen Wirtschaft in Köln das Kompetenzfeld Finanz- und Immobilienmärkte. Er ist zudem Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Vor kurzem ist die 2. Auflage seines Buches „Luxusgut Wohnen – Warum unsere Städte immer teurer werden und was jetzt zu tun ist“ erschienen.
Hauptargumente
Mietpreissteigerungen zu verbieten, löst Reaktionen aus: Vermieter investieren nicht mehr und verkaufen an Selbstnutzer – der Mietwohnungsmarkt wird damit qualitativ schlechter und kleiner.
Empirie
In vielen Ländern wie beispielsweise Spanien und Großbritannien wurden in den 1950er bis teilweise in die 1980er Jahre die Mieten eingefroren. In der Folge mussten dort auch Haushalte Eigentum erwerben, die es sich eigentlich nicht leisten können – daraus können Überschuldungen resultieren wie in der Finanzkrise. Vor allem Kleinvermieter, die ein vielfältiges Mietwohnungsangebot offerieren, sind aus diesen Märkten komplett verschwunden.
Probleme
Vermieter verkaufen an Selbstnutzer, weil diese mehr zahlen als mit regulierter Miete einzunehmen ist. Auf der Nachfrageseite führen die eingefrorenen Mieten dazu, dass noch mehr Menschen versuchen, in die Stadt zu ziehen. Das Ungleichgewicht vergrößert sich weiter, was auch dazu führt, dass Vermieter weniger modernisieren, da sie ja ohnehin einen Mieter finden – langfristig passt sich damit die Qualität an den Preis an. Da Vermieter im Zweifel ruhige und bonitätsstarke Mieter bevorzugen, haben es die sozialen Zielgruppen im Wohnungsmarkt noch schwerer.
Politikvorschläge
Das Wohngeld ist geeignet, Haushalten über der Grundsicherung zielgenau zu helfen. Hierzu muss es aber gestärkt und auch dynamisiert werden. Bei Sozialwohnungen muss die Fehlbelegung abgebaut werden. Dafür muss das das Einkommen häufiger geprüft werden. Ganz wichtig ist zudem, mehr Bauland auszuweisen, damit auch genügend Wohnraum entstehen kann.
Pro & Contra wurde zusammengestellt von Jörg Rieger, Würzburg. Es erschien in Heft 9/2019 der Fachzeitschrift WiSt.