Wahrer und sofortiger Klimaschutz

Der Klimawandel ist ein relevantes Problem. Manche fordern deshalb sofortiges und radikales Handeln. Andere jammern, die mit Klimaschutz verbundenen Regulierungen wären einschränkend und teuer. Wenn das so weitergeht, dürften wir bald unter Klimaaufständen oder Klima-Wirtschaftsrezessionen leiden. Was also tun? Hier ein etwas humorvoller aber doch bedenkenswerter Vorschlag aus und für Bayern, mit  einer allgemeinen Erkenntnis.

Klimaneutral mit CO2-Kompensationsmaßnahmen

Bayern könnte noch in diesem Jahr vollständig klimaneutral werden. Dies wäre möglich, indem CO2-Kompensationsmaßnahmen im Ausland für die jährlichen bayerischen energie­bedingten CO2-Emissionen finanziert werden. CO2-Kompensationen im Ausland inkludieren beispielsweise Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz oder die Finanzierung von Waldschutz- oder Aufforstungs­projekten in Entwicklungs­ländern. Insbesondere weltweite Aufforstung wurde in einer Studie in der renommierten Fachzeitschrift Science als eine der besten Lösungen gegen die Erderwärmung erwähnt. Durch Aufforstung wird CO2 aus der Atmosphäre in neuen Wäldern gespeichert. Für effektiven Klimaschutz ist es nicht entscheidend, dass in Bayern oder Deutschland weniger CO2 emittiert wird, sondern, dass weltweit in der Summe weniger emittiert wird. CO2-Kompensations­zertifikate reduzieren die CO2 Emissionen im Ausland.

Entgegen der landläufigen Meinung wäre Klimaneutralität in Bayern nicht übermäßig teuer. CO2-Kompensationszertifikate, durch deren Kauf Kompensationsmaßnahmen finanziert werden, kosten zwischen 5 bis 25 Euro pro Tonne CO2-Reduktion und sie wurden sogar von Konsumenten­organisationen wie Stiftung Warentest bewertet. Damit könnten die energie­bedingten 75 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß von Bayern heute für rund 375 Millionen Euro pro Jahr vollständig kompensiert werden, was weniger als 30 Euro pro Einwohner und Jahr entspräche. Der Einwand, man solle nicht auf die günstigste CO2-Kompensation setzen, ist falsch. Die günstigsten Kompensationslösungen sind diejenigen, die leicht vermeidbare CO2-Belastung abstellen und das ist besonders sinnvoll.

Soll aus politischen Gründen mehr Geld ausgegeben werden, dann eignen sich folgende Vorschläge: Bayern könnte ein Millennium-Klimaretter sein und rückwirkend ab dem Jahr 2000 klimaneutral werden, indem es seine gesamten CO2-Emissionen ab dem neuen Millennium kompensiert. Das würde eine Einmalzahlung von 7 bis 8 Milliarden bedingen. Das ist viel Geld, aber im Vergleich nur etwas mehr, als dank sehr vorbildlicher bayerischer Haushaltspolitik seit der Eurokrise an Schulden getilgt wurde. Noch attraktiver wäre, wenn man alle bayerischen Neugeborenen gleich voll und für ihr gesamtes Leben kompensierte. Das würde pro Kind unter 2500 Euro ausmachen, ein Bruchteil der Kosten, die die Gesellschaft gerne für die Bildung der Kleinsten etwa in Form von Kinderkrippen oder deren späteren Ausbildung bereitstellt. Eine derartige Kompensation würde es den Kindern und Jugendlichen erlauben, ihre Ausbildung nicht mehr zu „bestreiken“ und sich ihr wieder voll zu widmen. Immerhin galt Bildung bis vor den „Schulstreiks“ als zentrale Zukunftsinvestition. Natürlich könnte sich Bayern angesichts der tiefen Kosten auch teurere Kompensationen-Maßnahmen im Ausland leisten. Davon ist allerdings abzuraten. Wer sehr viel ausgeben will, soll nicht teurere CO2-Kompensationenmaßnahmen kaufen, sondern größere Mengen der effizientesten – das hilft dem Klima deutlich mehr.

Klimanützliches Bayern

Es stellen sich drei Fragen: Wie sollen die Käufe finanziert werden? Derzeit ist immer eine CO2-Steuer im Gespräch. Diese müsste nur den Preis der CO2-Kompensationszertifikate decken. Mit einer regionalen CO2-Abgabe von rund 5 Euro pro Tonne oder rund 30 Euro pro Einwohner in Bayern und Jahr, können dann die vielen Regulierungen aufgehoben, die heute die CO2-Belastung zu mindern versuchen, aber eher wenig wirken. Natürlich müsste dann auch die EEG-Umlage für bayerische Stromkonsumenten auslaufen, was diese freuen dürfte und pro Kopf deutlich mehr als 30 Euro ausmacht. Damit wird Klimaneutralität ein einträgliches Geschäft, von dem alle profitieren: Die Bayern, weil ihre Aufwendungen für Klimaschutz und die Stromkosten sinken; die Empfänger der Kompensationszahlungen zumeist in Entwicklungsländern, womit Bayern auch einen substantiellen Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit leisten würde; die Welt, weil das Klima stärker entlastet wird als mit den heutigen Maßnahmen. Die Bayern selbst dürften sich fortan mit Stolz als „klimanützlich“ bezeichnen.

Ist es nicht unmoralisch, Emissionsreduktionen international zu kaufen, statt die eigenen Emissionen zu reduzieren? Nein, das genaue Gegenteil trifft zu. Bayern selbst kann seine CO2-Emissionen nur zu viel höheren Kosten und nur über Jahrzehnte reduzieren. Indem international Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden, könnte der Erderwärmung schneller und stärker entgegengewirkt werden. Wem also Klimaschutz aus moralischen Gründen wirklich wichtig ist, der sollte möglichst keine ineffizienten und teuren Maßnahmen ergreifen, sondern effiziente und günstige und davon mehr – alles andere wäre unmoralisch und nicht vorbildlich.

Ist das überhaupt realistisch? Natürlich ist der Vorschlag höchst ungewohnt. Die viel tieferen Kosten der CO2-Kompensation im Ausland rühren daher, dass heute in der Politik mit Beträgen jongliert wird, die hoch sind, weil die Emissionen im Inland und dann noch auf ineffiziente Weise reduziert werden sollen. Dabei geht es auch oft mehr um Umverteilung und neue Subventionen als um effektiven Klimaschutz. Zu beachten ist natürlich, dass Bayern diesen Vorschlag schnell durchführen sollte. Denn bei einer großen Nachfrage nach Kompensationszertifikaten dürften diese rasch im Preis steigen, sofern die Anbieter solcher CO2-Kompensationsmaßnahmen keine Skalenerträge realisieren können. Insofern dient der Vorschlag nicht notwendigerweise als Lösung für ganz Deutschland oder gar Europa, aber eine relevante Grundeinsicht bleibt trotzdem.

Grundeinsicht: Klimaschutz kann weltweit erfolgen

Bei all den verschiedenen Diskussionen und Lösungsvorschlägen in der Klimapolitik gilt: Klimaschutz müsste weltweit und möglichst effizient erfolgen! Das heißt, CO2 sollte weltweit dort reduziert oder in Wäldern gespeichert werden, wo es am günstigsten ist. Selbst wenn Bayern nicht sofort vollständig klimaneutral werden möchte oder die Preise für CO2-Kompensationsmaßnahmen schnell steigen, sollten wir viel mehr darüber nachdenken, relevante Emissionsreduktionen und Kompensationsmaßnahmen wie Aufforstung an jenen Orten in der Welt anzustreben, wo diese derzeit einfach und besonders kostengünstig möglich sind. Die internationale Sicht auf Maßnahmen zum Klimaschutz und zur CO2-Reduktion in der Atmosphäre ist die echte Grundeinsicht dieses Aufsatzes. Den Klimawandel als weltweite Fragestellung mit weltweiter Antwort zu begreifen ist doppelt gewinnträchtig: Finanziell sind die Belastungen kleiner und die Erderwärmung kann so etwas besser begrenzt werden. Die „klimanützlichen“ Bayern könnte ein echte Vorbilder für Deutschland und die Welt sein, da sie zu den wenigen gehören könnten, die über die regionalen und nationalen Grenzen hinaus denken und weltweit tätig werden.

Dieser Sicht wird leider vehementer Widerstand entgegenschlagen. Der Widerstand zeigt zweierlei: Das für den Klimaschutz tatsächlich ausgegebene Geld fehlt immer anderenorts für die Lösung anderer relevanter Probleme, oder anders gesagt: Klimaerwärmung ist ein wichtiges Problem unter vielen anderen. Da aber die Einsicht auch im Ausland zu kompensieren nicht nur klimawirksamer, sondern oft auch weit günstiger und damit sozialer ist, als viele der bisher verfolgten Maßnahmen, zeigt der Widerstand auch, dass die heutige ineffiziente Politik manchen Gruppen außerordentliche Vorteile verschafft. Womöglich geht es heute vielen weniger um echten Klimaschutz als vielmehr um Umverteilung im eigenen Land?

David Stadelmann
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5 Antworten auf „Wahrer und sofortiger Klimaschutz“

  1. Wenn man solche Argumente in Erwägung zieht, müssten Ökonomen doch angesichts des deutschen Kohleausstiegs rotieren: Rund 45 Mrd. will der Finanzminister in „Regionalhilfe“ verpulvern ( https://www.welt.de/politik/deutschland/article205059484/Kohleausstieg-Scholz-sichert-Kraftwerksbetreibern-Entschaedigungen-in-Milliardenhoehe-zu.html ).

    Wenn man für dieses Geld Emissionszertifikate kaufen & stillegen würde, hätte man für’s gleiche Geld sehr viel mehr Reduktion von Treibhausgasen als bei einem deutschen Kohleausstieg. Was die Regierung da macht ist eigentlich völlig gaga. Aber keiner traut sich noch was zu sagen. Was ist nur los?

  2. Sehr interessanter und innovativer Beitrag. In der gegenwärtigen, von Aktionismus geprägten Diskussion, wird überwiegend ausgeblendet, dass in einer Totalbetrachtung die Nettobilanz zu reduzieren ist, sofern man wirklich etwas erreichen möchte. Erfrischend, diesen Vorschlag zu lesen.

  3. In der Tat könnte man mit den über 40 Mrd. vom „Kohlekompromiss“ ganz Deutschland für wenigstens die nächsten 40 Jahre CO2-neutral machen, sofern die Preise der CO2-Kompensationsmaßnahmen nicht steigen. Ich denke zwar, dass es eine Angebotsreaktion geben würde und die Preise steigen. Gleichzeitig ist unklar, ob es nicht auch gewisse Skaleneffekte geben könnte, wenn sehr viel international aufgeforstet wird. So oder so ist es wichtig, weltweit zu reduzieren.

  4. „CO2-Kompensationszertifikate, durch deren Kauf Kompensationsmaßnahmen finanziert werden, kosten zwischen 5 bis 25 Euro pro Tonne CO2-Reduktion“.
    Die Frage, die sich stellt ist: In wie weit werden durch diesen politisch initiierten Emmissionspreis, gesteuert über die Anzahl günstigst vergebener Zertifikate, die tatsächlich zu erwartenden Klimaschäden kompensiert?
    Das Bundesumweltministerium hat einen auszugleichenden Schaden von 180,-€ /1 t CO² errechnet. Bleibt ein Fehlbetrag von 175 – 155 €/1t CO², der nicht in die Rechnung einfließt. Die Kosten entstehen schon heute mit jeder ausgestoßenen t CO², egal welcher „Marktpreis“ zu stande kommt. Es gibt hier keinen funktionierenden Markt. So kann man sich den Klimaschutz auch schönrechnen. Einfach mal nach Rahmstorff oder Volker Quasching suchen.

  5. @Herr Tutsch:
    CO2-Kompensationsmaßnahmen reduzieren die CO2 Belastung direkt, z.B. durch Aufforstungsmaßnahmen. Es handelt sich also nicht um einen kalkulatorischen Preis zum „Ausgleich“ von Schäden bzw. den Social Costs of Carbon. Anders gesagt, wenn ich 180 EUR erhalte, kann ich heute bedeutend mehr als eine Tonne CO2 reduzieren, indem ich z.B. Bäume pflanze.

    Die hohen Klimakosten des von 180 EUR/to des Bundesumweltamtes kommen u.a. dadurch zustande, dass eine reine Zeitpräferenzrate von 1% und ein Equity Weighting angenommen wird. Diese Zeitpräferenzrate und das Equity Weighting scheint nicht den geäußerten Präferenzen und dem Verhalten der Bürger in Demokratien zu entsprechen.

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