Der Abschlussbericht der von der Bundesregierung eingesetzten Rentenkommission fiel – wie bereits von dem Kommissionsmitglied Axel Börsch-Supan angekündigt – mehr als mager aus. Fast zwei Jahre lang hatte das zehnköpfige Gremium, bestehend aus Politikern, Arbeitgebern, Gewerkschaftsvertretern und Wissenschaftlern um Lösungen gerungen, die einen „verlässlichen Generationenvertrag für die Zeit ab 2025″ ermöglichen sollten. Geworden ist daraus nichts. Stattdessen besteht der 127 Seiten lange Bericht aus altbekannten und allgemeingehaltenen Empfehlungen sowie unbedeutenden Detailvorschlägen, die an der grundlegenden Problematik – dem Eintritt der Babyboomer in die Rentenversicherung in den nächsten 15 Jahren – nichts verändern wird.
Arbeitsminister Hubertus Heil begrüßt dennoch das Ergebnis; unbequeme aber effektive Reformen, wie eine schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze, wurden kategorisch ausgeschlossen und für einen neuen Alterssicherungbeirat in die Zukunft verschoben. Wie mein Kollege Stefan Seuffert treffend ausgedrückt hat, erinnert das Verhalten des SPD-Politikers dabei an die Figur des Königs aus dem Kunstmärchen „Der kleine Prinz“ des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry. * Der König ist in dem Märchen in der Lage den Sonnenuntergang zu befehlen, vorausgesetzt, die „Bedingungen seien hier günstig“. So wie Hubertus Heil durch die Einführung der doppelten Haltelinie den Beitragssatz bis 2025 nicht über 20 Prozent steigen lassen wollte, so stellte er zufrieden fest, dass der Beitragssatz bis 2032 nicht über 24 Prozent ansteigen soll. Inwiefern ein Beitragssatzanstieg von knapp 6 Prozentpunkten innerhalb von 12 Jahren einen verlässlichen Generationenvertrag darstellen soll, bleibt dabei offen.
Eine wiederkehrende Idee, die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu verbessern, besteht darin, einen größeren Anteil der Bevölkerung verpflichtend in die gesetzliche Rente einzubeziehen. Neben Selbstständigen werden dabei auch immer wieder Beamte genannt, wie zuletzt durch den Deutschen Gewerkschaftsbund, den Sozialverband VdK, sämtliche Medien sowie Hubertus Heil selbst. Der genannte Grund liegt darin, dass sich die Ruhegehälter der Beamten aus der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit und den Dienstbezügen aus der letzten Besoldungsgruppe vor der Pensionierung ergeben und sich nicht am Durchschnittseinkommen über das Berufsleben orientieren, wie es bei den Altersrenten der Fall ist, wodurch die Pensionen deutlich höher sind.[1] Mit maximal 71,75[2] Prozent des Bruttolohns liegt zudem das Pensionsniveau deutlich höher als das Sicherungsniveau vor Steuern mit 48,1 Prozent in der Rente.[3] Die Begründung liegt dabei im Alimentationsprinzip, das sich aus dem Beamtenversorgungsrecht ableitet und besagt, dass der Dienstherr unter anderem die Pflicht hat den Staatsdienern inklusive ihrer Familien lebenslang einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren.
Von daher klingt das einfache Argument verlockend, auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen zu lassen. Die Forderung ist zwar schnell erhoben, die Umsetzung würde sich jedoch als langwierig und ökonomisch wenig sinnvoll erweisen. Die Gründe dafür liegen nicht nur darin, dass die Versorgung der Beamten (bis auf Bundesbeamte) seit der Föderalismuskommission II auf Länderebene geregelt ist und der Bund lediglich eine Richtlinienkompetenz besitzt.
Zum einen sind die Bestandspensionäre zu aktuellen Konditionen weiter zu versorgen und auch die Versorgung der aktiven Beamten ist verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 2 und 5 im Grundgesetz gesichert. Eine vollständige Umstellung des Systems würde also erst in ein paar Jahrzehnten möglich sein. Zu diesem Zeitpunkt werden jedoch aufgrund der demografischen Struktur der Bevölkerung eher die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung im Mittelpunkt der Debatte (Bahnsen et al. 2019) stehen und weniger die Rentenversicherung. Für die Rentenversicherung sind die nächsten 20 Jahre von entscheidender Bedeutung, da in dieser Zeit die Babyboomer aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden. Eine Umstellung würde also viel zu spät kommen.
Zum anderen müsste der Staat als Arbeitgeber für die knapp 1,7 Millionen aktiven Beamten jeden Monat 9,3 Prozent des Gehalts als Rentenversicherungsbeitrag einzahlen, auch wie die Beamten selbst. Da die Beitragszahlungen eine Reduktion des Einkommens bedeuteten, wären die Gehälter entsprechend anzupassen – finanziert durch den Steuerzahler. Stattdessen könnte auch einfach der Bundeszuschuss erhöht werden, der heute bereits gut 30 Prozent der Ausgaben der Rentenversicherung deckt.
Des Weiteren liegt nicht nur die fernere Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren bei männlichen Beamten 1,9 Jahre sowie bei weiblichen Beamten 2,5 Jahre über der der Gesamtbevölkerung (zur Nieden, Altis 2017), sie sind derzeit auch in etwa zwei Jahre älter als die Gesamtheit der Erwerbstätigen. Da das Grundproblem der Finanzierung der gesetzlichen Rente in der Altersstruktur der Beitragszahler und Rentenbezieher liegt, ist es wenig sinnvoll, eine noch ältere Bevölkerungsgruppe in das System zu integrieren.
Anstatt die Systeme grundlegend zu verändern, bestünde eine Lösung darin, die Anzahl der Beamten im öffentlichen Dienst auf ein Minimum zu beschränken. Eine Verbeamtung bei Tätigkeiten mit hoheitlichen Aufgaben und Funktionen wie der Justiz, der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie der nationalen Verteidigung ist sinnvoll und notwendig. Es ist allerdings unbegründet und wenig nachvollziehbar, Berufsgruppen wie bspw. Lehrer, Professoren oder Beschäftigte in allgemeinen Verwaltungstätigkeiten ohne hoheitliche Aufgaben zu verbeamten. Allerdings sollten sich die Bundesländer in diesem Fall einigen, damit es nicht zu einem Abwerben zwischen den Bundesländern kommt.
Das hätte einen weiteren Vorteil. Langfristig würden der Staatshaushalt und damit der Steuerzahler von einer geringeren Anzahl an Beamten deutlich profitieren, da Beamte über ihren Lebenszyklus aufgrund ihrer Ruhegehälter, Hinterbliebenenversorgung (Witwen- und Waisengeld) sowie Beihilfeleistungen zur Krankenversicherung deutlich teurer sind (Benz et al. 2013). Dies bedeutet allerdings nicht, dass in Bezug auf die Beamtenpensionen keine Reformen notwendig sind. Gerade den westdeutschen Bundesländern, die die Anzahl ihrer Beamten zwischen 1972 und 1982 fast verdoppelt haben, stehen in den nächsten Jahren stark steigende Ausgaben gegenüber. Reformen wie die Integration eines der gesetzlichen Rente entsprechenden Nachhaltigkeitsfaktors, könnten den Anstieg der Versorgungsausgaben dämpfen (Benz 2015).
Aus diesem Grund kam auch die Rentenkommission zu dem Ergebnis, dass eine Einbeziehung der Beamten die langfristige Finanzierung „voraussichtlich eher erschweren“ würde, auch wenn dies angeblich dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürger entgegenkommen würde. Ein anderes Gerechtigkeitsargument besteht in der intergenerativen Gleichbehandlung. Die Einführung eines Lebenserwartungsfaktors, der die Relation zwischen Beitragsdauer und Rentenbezugszeit konstant hält, würde dazu beitragen, die demografisch bedingte intergenerative Umverteilung von jung zu alt zu reduzieren. Gleichzeitig würde sich die in impliziten Schulden ausgerückte Nachhaltigkeitslücke nahezu halbieren (Seuffert, Raffelhüschen 2020).
Für einen ähnlichen Vorschlag plädierte Börsch-Supan bereits vor der Berufung der Kommission; gewisse „Denkverbote“ hätten jedoch einen Kompromiss bei einer Anhebung der Regelaltersgrenze verhindert. Wenn sich die Regierung wirklich um einen „verlässlichen Generationenvertrag“ kümmern möchte, dann sollte sie nicht vor einer langfristig angelegten Reform der Renten-, Pflege- und Krankenversicherung zurückschrecken. Das dies kein Ding der Unmöglichkeit ist, hat die Rürup-Kommission im Zuge der Agenda 2010 eindrucksvoll bewiesen.
Literatur
Bahnsen, L., Kohlstruck, T., Manthei, G., Raffelhüschen, B. und S. Seuffert (2019), Ehrbarer Staat? Die Generationenbilanz Update 2019 – Fokus: Pflegefall Pflegeversicherung?, Argumente zu Marktwirtschaft und Politik, 146.
Benz, T. (2015), Ausgabenprojektion, Reformszenarien und Rücklagenbildung der Beamtenversorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Reihe Sozialökonomische Schriften, No. 49, Peter Lang International Academic Publishers, Frankfurt a. M.
Benz, T., Hagist, C. und B. Raffelhüschen (2013), Zur Akzeptanz der Verbeamtung – eine Barwertbetrachtung, Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Beiheft 42, S. 5-20.
Färber, G. (2016), Machbarkeitsuntersuchung für eine Studie zu Alterseinkünften von vergleichbaren Bundesbeamten und Arbeitnehmern, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums des Inneren, Speyer.
zur Nieden, F. und Altis, A. (2017):, Lebenserwartung von Beamtinnen und Beamten, Befunde und Auswirkungen auf künftige Versorgungsausgaben, Statistisches Bundesamt, WISTA, Nr. 2.
Seuffert, S. und B. Raffelhüschen (2020), Ehrbarer Staat? Wege und Irrwege der Rentenpolitik im Lichte der Generationenbilanz, Argumente zu Marktwirtschaft und Politik Nr. 148.
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[1] Generell ist ein Vergleich zwischen durchschnittlicher Pension und Rente wenig sinnvoll. Zum einen enthalten Durchschnittsrenten auch kleine Renten von geringfügig Beschäftigten und Personen, die durch Selbstständigkeit, Verbeamtung oder Auslandsaufenthalt nur geringe Ansprüche erworben haben. Zum anderen unterliegen Einkommen in der Rentenversicherung nur bis zu Höhe der Beitragsbemessungsgrenze einer Versicherungspflicht. Ferner sind Vergleiche zwischen Beamten und Privatwirtschaft in Bezug auf Einkommenshöhe und -verläufe aufgrund einer mangelnden Datengrundlage kaum möglich (Färber 2016). Zu guter Letzt sollte beachtet werden, dass sich Beamte für den Teil, der nicht durch die Beihilfen abgedeckt ist, selbst in einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung absichern müssen. Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung sind dort die Beiträge nicht einkommensabhängig, sondern risikobezogen, was gerade im Alter zu einer hohen Belastung führen kann.
[2] Tatsächlich liegt das durchschnittliche Pensionsniveau bei etwa 68 Prozent, da viele Beamte deutlich vor der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gehen, die beim Bund und 15 Bundesländern schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben wird. Lediglich in Berlin liegt sie noch bei 65 Jahren.
[3] Wenn Staatsdiener vor ihrer Verbeamtung einer anderen Tätigkeit nachgegangen sind und dabei Rentenansprüche erworben haben, können diese nicht gekürzt werden, da Beiträge auf dem Eigentumsrecht beruhen, das durch die Verfassung geschützt ist. Wenn allerdings Rente und Versorgungsbezüge zusammen eine im Einzelfall zu ermittelnde Höchstgrenze erreichen, werden die Versorgungsbezüge gekürzt, da die Rentenbezüge aus öffentlichen Kassen stammen.
* Hinweis: Die Passage wurde auf Wunsch des Autors korrigiert.
Blog-Beiträge zum Thema:
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Das Rentenpaket II
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Renten“reform“
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Man könnte Beamte sehr wohl in die GRV aufnehmen – sowohl Pensionäre als auch aktiv Beschäftigte. Die jeweiligen Dienstherrn müssten nur per Staatsvertrag mit der DRV dazu verpflichtet werden, die Rentenausgaben für die jeweiligen Pensionäre zu 100 % zu ersetzen. Die Renten würden ab dem Aufnahmestichtag streng nach SGB VI berechnet. Bestandspensionäre würden dann eine Aufstockung ihrer Renten vom jeweiligen Dienstherrn bekommen, aktive Beamte würden ab dem Stichtag nur noch Rentenansprüche erwerben. Für die Zeit davor gäbe es dann das Altersgeld. In der „Stunde Null“ der Systemumstellung würde das weder Pensionäre noch aktive Beamte oder den Staat Beiträge kosten. Auch für die GRV wären die Zahlungen durchlaufende Posten. Zusätzlich könnten Beamte ab dem Umstellungszeitpunkt in der VBL Klassik versichert werden, damit der vielbeschworene Betriebsrentenanteil der Pensionen entsprechend nachgezogen wird.
Dann kann eine auf 24 Jahre gestreckte GRV-Beitragserhebung folgen. Dies würde dem Einphasen des Eigenbeitrags in der KVdR in den 1980er-Jahren entsprechen:
Jedes Jahr wird der Beitragssatz um 1%-Punkt erhöht, von dem der Beamte und der Dienstherr jeweils die Hälfte zahlen, also jeweils 0,5%-Punkte. Die jährliche Besoldungserhöhung für Beamte fällt somit um 0,5%-Punkte geringer aus. Bei Bestandspensionären eine jährliche Sonderabgabe in Höhe von 0,5%-Punkte der Besoldung einbehalten und für die Zusatzversorgungsbeiträge aktiver Beamter in der VBL genutzt werden werden. Der Dienstherr kürzt der GRV jeweils die Erstattung der laufenden Pensionskosten um den Betrag der tatsächlich gezahlten Beiträge. Insgesamt wären weder der Dienstherr noch die GRV mit Mehrausgaben konfrontiert. Aktive Beamte und Bestandspensionäre müssten allerdings besagte 24 Jahre lang auf jeweils 0,5%-Punkte ihrer Besoldungserhöhungen verzichten. Letztere könnte man je nach Jahrgang noch unterschiedlich stark gewichten.
Da die Dienstherrn weiterhin verpflichtet bleiben, der GRV die gezahlten Rentenleistungen für „ihre“ Pensionäre zu erstatten, würde auch das Langlebigkeitsrisiko von Pensionären nicht auf die Versichertengemeinschaft der GRV abgewälzt werden. Allerdings gäbe es keine Mindestpensionen mehr und statt der Dienstunfähigkeit wäre nur noch eine Frühverrentung wegen Erwerbsminderung möglich. Auch würden keine Zeiten der Hochschulausbildung mehr anerkannt werden. Und schließlich würde die Rente nur noch nach dem Lebensdurchschnittseinkommen berechnet werden und nicht nach dem letzten Gehalt. So wie bei Millionen anderen Menschen auch.