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Covid-19 ist derzeit weltweit allgegenwärtig. Es stellt auch Deutschlands Beschäftigte auf die Probe. Neben gesellschaftlichen Einschränkungen mussten auch am Arbeitsplatz Kraftanstrengungen im Hinblick auf die notwendigen Schutzvorkehrungen getroffen werden. Laut einer YouGov-Umfrage im März 2020 steht neben Hygienemaßnahmen und der Einhaltung von Abständen das sogenannte „Homeoffice“ als Schutzmaßnahme mit an oberster Stelle. Digitale Zuarbeit von daheim ist jetzt angesagt. In Zeiten von Corona sind digitale Lösungen der Zusammenarbeit in noch stärkerem Maße gefordert als zuvor. Aber sind Deutschlands Infrastruktur und seine Beschäftigten überhaupt fit für so viel digitalisiertes Arbeiten?
Die Beantwortung dieser Frage hat mehrere Dimensionen. Digitales Arbeiten erfordert das Zusammenspiel von Technik und Mensch. Damit benötigt es erstens eine gute Internetanbindung und damit entsprechende öffentliche Infrastruktur, es benötigt zweitens geeignete Hardware und Software auch in den heimischen vier Wänden, es benötigt drittens technisches Knowhow; es benötigt viertens aber letztlich auch allgemeine Qualifikationsmerkmale. Dies sind namentlich vor allem eine hohe soziale Kompetenz, weil vermehrt im Team Probleme besprochen und bearbeitet werden, eine gute Disziplin, sich daheim nicht von privaten Belangen ablenken zu lassen, und die Fähigkeit, sich kontinuierlich im Hinblick auf die Erfordernisse weiterzuentwickeln.
Schauen wir zunächst auf die Meinung der Beschäftigten zu ihrem Knowhow: Haben sie das Gefühl, dass sich die digitale Technik so schnell entwickelt habe, dass sie nicht mehr mithalten können?
Aus einer Civey-FES-Umfrage von 2019 geht hervor:
- In der jüngeren Generation haben die Menschen hierzulande generell seltener das Gefühl, nicht mithalten zu können. Aber immerhin 22 Prozent der 18- bis 39jährigen können nach eigener Aussage mit der digitalen Technik nicht mithalten.
- Betrachtet man hingegen die 50-65-Jährigen, so sind hier schon 42 Prozent der Auffassung, dass sie mit der digitalen Technik nicht gut zurechtkommen.
- Diese Aussagen werden weitestgehend unabhängig vom Bildungsniveau getroffen. Sowohl diejenigen mit Berufsausbildung (mit 46 Prozent) als auch diejenigen mit mindestens einem Studienabschluss (mit 33 Prozent) haben teilweise Schwierigkeiten mit den Anforderungen der Digitalisierung.
- Beschäftigte ohne Berufsausbildung zeigen nur mit 38 Prozent Schwierigkeiten im Umgang mit den digitalen Techniken. Ein Studienabschluss hilft also hier nicht wesentlich weiter. Natürlich liegt dies in erster Linie daran, dass Studierte in anderen beruflichen Positionen zu finden sind und sich dementsprechend auch ganz anderen digitalen Anforderungen gegenübersehen.
Es sind vor allem die Studierten, die nun im „Homeoffice“ zuarbeiten dürfen. Und immerhin ein Drittel von ihnen fühlt sich mit dem eigenen Knowhow zum Stand der Technik nicht wohl – selbst bei den Jüngeren ist es noch fast jeder Vierte, der klagt. Woran liegt dies?
Vielleicht ist der hohe Anteil von 33 Prozent der Studierten, die sich den Anforderungen digitaler Technik nicht gewachsen sehen, nicht nur in den unterschiedlichen Anforderungen begründet, sondern liegt auch am allgemeinen Qualifikationsniveau, das sie aus dem Studium mitgebringen. In Deutschlands Managementetagen wird dies zumindest oft so gesehen. Seit längerem bereits ist unter Deutschlands Personalchefs davon die Rede, dass erstens in Schule und Hochschule digitale Technik eher zu selten genutzt werde, und dass zweitens Studierende viel einfacher einen Abschluss erhielten als früher und damit weniger gut qualifiziert seien.
Ich habe dieses Problem hier im Blog bereits letztes Jahr einmal thematisiert (Bildungsinflation in Deutschland – Sind wir schon zu akademisiert?). Die Statistik zur Inflation von Abschlusszertifikaten Studierender ist überraschend eindeutig: Zu sehen ist ein starker Anstieg der Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen und Universitäten zwischen 1995 und 2016. In diesen 21 Jahren hat sich die Zahl der Abschlüsse mehr als verdoppelt!
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Das liegt sicherlich nicht an besser vorgebildeten jungen Menschen, welche unsere Schulen verlassen. Der Grund dafür ist vielmehr, dass an den Hochschulen die Anforderungen an die Leistung der Studierenden heruntergeschraubt wurden, damit höhere Bevölkerungsanteile eines jeden Jahrgangs ihr Studium erfolgreich absolvieren können. Möglichst viele Absolventinnen und Absolventen vermitteln auf den ersten Blick ja ein positives Gesamtbild von den Fachhochschulen und Universitäten, aber auch in der Statistik vom generellen Bildungsniveau Deutschlands. Hiervon profitieren auf den ersten Anschein alle:
- Die Studierenden erhalten die erwünschten Abschlüsse,
- die Hochschulen bessere staatliche Finanzierung aufgrund ihrer stärkeren Leistung und
- die Bundesländer Lob für ihr höheres Bildungsniveau.
Verlierer gibt es aber eben auch: Die Unternehmen haben bei der Einstellung der Studierenden mittlerweile Schwierigkeiten, deren Potenzial richtig einzuschätzen, weil die Noten im Studium oder der erfolgreiche Abschluss allein nicht mehr aussagekräftig genug sind. Wo früher der Blick auf eine Diplomurkunde genügte, muss heute mit intensiven Bewerbungsverfahren und Assessmentcentern nachgeprüft werden.
Gerade analytische Fähigkeiten, aber auch Sozialkompetenzen und vor allem die Aneignung zum Selbststudium fehlen vielen Absolventinnen und Absolventen später in der Arbeitswelt. Genau sie werden an digitalen Arbeitsplätzen aber verstärkt benötigt. Die Hochschulabsolventinnen und -absolventen können den Anforderungen und den Anpassungen des lebenslangen Lernens daher nicht oder nur unzureichend gerecht werden. Weitgehend verschulte Hochschullehre, in denen Studierende gleich ein halbes Dutzend Prüfungen am Ende eines jeden Semesters absolvieren müssen, führen dazu, dass auswendig gelernte, nur im Kurzzeitgedächtnis verankerte Elemente des Lehrstoffs in den Klausuren einfach wiedergegeben werden. Gelernt wird nur das, was für die jeweilige Prüfung vom Prüfer als prüfungsrelevant definiert wurde. Für einen Studienabschluss reicht dies meist. Der Blick über den Tellerrand des Prüfungsstoffs unterbleibt aber, die analytischen Fähigkeiten verkümmern, und eine Aneignung der Fähigkeit zum Selbststudium und Selbstmanagement wird ebenfalls weit weniger gefördert als zu Zeiten der früheren Diplomstudiengänge mit Blockprüfungen zum Studienende. Für digitalisierte Arbeitswelten ist das ein Riesenproblem.
Absolventinnen und Absolventen steigen daher trotz höherem formalen Qualifikationsniveau nicht mehr so fit in den Arbeitsalltag ein, was ihre Produktivität betrifft. Dies kann ein Grund dafür sein, dass es in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren zu einem abnehmenden Wachstum der Stundenproduktivität trotz formal höherem Qualifikationsniveau der Beschäftigten gekommen ist (siehe zur Diskussion dieses Fakts den DIW Wochenbericht 33 / 2019, S. 575-585).
Daraus ergibt sich eine zentrale Forderung an die Bildungslandschaft: Hochschulen dürfen erstens nur jene Studierende mit einem Abschluss versehen, die ihn wirklich verdient haben. Zweitens müssen sie im Hinblick auf die digitale Revolution darauf achten, dass Studierende Sozialkompetenzen, analytische Fähigkeiten und die Aneignung zum Selberlernen erhalten. Dazu wären jedoch größere Reformen der Hochschullandschaft erforderlich, und diese würden mit deutlich geringeren Studierendenzahlen einhergehen.
Doch das allein wird nicht reichen, um in Zukunft in den Unternehmen den Einsatz von mehr Digitalisierung am Arbeitsplatz nutzen zu können. Denn oftmals beeinträchtigt auch die mangelnde digitale Infrastruktur in den Unternehmen und im Homeoffice die Beschäftigten. YouGov führte im Auftrag vom eco-Verband der Internetwirtschaft e.V. im März 2017 eine Umfrage durch, die Unternehmensentscheider nach ihrer Zufriedenheit mit der digitalen Infrastruktur an ihrem Firmenstandort befragte. Aus dieser Befragung geht hervor, dass jeder Vierte der deutschen Unternehmensentscheider unzufrieden mit ihrer digitalen Infrastruktur ist.
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Es stellt sich die Frage, wie Beschäftigte fit für einen digitalisierten Arbeitsplatz sein sollen, wenn die Unternehmen eine mangelnde Infrastruktur und dementsprechend auch mangelnde technische Möglichkeiten zur Realisierung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes haben. Die technischen Voraussetzungen müssen ja ebenso gegeben sein wie die angemessene Qualifikation der Berufstätigten im Umgang mit der Technik und allgemein im Umgang mit den veränderten Arbeitsbedingungen.
Bei genauerer Betrachtung besteht also sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite Qualifikations- und Umsetzungsbedarf, um Beschäftigte künftig fit für einen digitalen Arbeitsplatz zu machen. Dieser Bedarf richtet sich vor allem an das Staatswesen – nur mit einer entsprechenden Bildungsinfrastruktur, die nicht nur auf die Zahl der Absolventinnen und Absolventen schaut, sondern vor allem die Qualifikationsstandards im Blick hat, und mit einer digitalen Infrastruktur, die es den Unternehmen ermöglicht, die Qualifikationen der Absolventinnen und Absolventen auch entsprechend einzusetzen, kann Deutschland fit werden für die digitale Zukunft.
Quellen:
Bildungsbericht (2018): Bildung in Deutschland 2018, https://www.bildungsbericht.de/de/bildungsberichte-seit-2006/bildungsbericht-2018/pdf-bildungsbericht-2018/bildungsbericht-2018.pdf, letzter Zugriff: 30.04.2020.
DIW (2019): Produktivitätswachstum sinkt trotz steigendem Qualifikationsniveau der Erwerbstätigen, Wochenbericht 33 / 2019, S. 575-585, https://www.diw.de/de/diw_01.c.672546.de/publikationen/wochenberichte/2019_33_3/produktivitproduktivita_sinkt_trotz_steigendem_qualifikationsniveau_der_erwerbstaetigen.html, letzter Zugriff: 30.04.2020.
Eco Digitalpolitik Berlin (2017): Netzpolitisches Forum – „Digitale Agenda 2017-2021“ Netzpolitische Visionen und Notwendigkeiten, http://eco-digitalpolitik.berlin/wp-content/uploads/2017/09/Netzpolitisches-Forum_Web.pdf, letzter Zugriff: 30.04.2020.
Friedrich-Ebert-Stiftung (2019): Umfrage: Digitalisierung in Deutschland – Vorbereitung auf digitale Technologien nach Alter und Berufsbildung, https://www.fes.de/umfrage-digitalisierung-in-deutschland, letzter Zugriff: 30.04.2020.
YouGov (2020): Homeoffice wegen Corona: Nicht alle können, nicht alle wollen, viele müssen, https://yougov.de/news/2020/03/27/homeoffice-wegen-corona-nicht-alle-konnen-nicht-al/, letzter Zugriff: 30.04.2020.
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