Nobelpreis 2020
Auktionen in Theorie und Praxis
Zum Nobelpreis 2020 für Robert Wilson und Paul Milgrom

1. Einleitung

3,2,1, meins…..Auktionen finden überall, tagtäglich millionenfach statt. Bei Ebay versteigern Nutzer Dinge, die sie nicht mehr brauchen, Google versteigert seine Anzeigenplätze, an der EEX wird Strom verauktioniert. Bordeauxweine, Kunstwerke, Schlachtschweine, Fundsachen etc. pp. – Auktionen sind allgegenwärtig. Aber auch für staatliche Stellen sind Versteigerungen inzwischen ein beliebtes Instrument geworden, um etwa Funkfrequenzen, Fangquoten für Fische und CO2-Emissionsrechte höchstbietend zu veräußern.

Dass sich Auktionen einer immer größeren Beliebtheit erfreuen, ist auch ein Verdienst der beiden Ökonomen Paul Milgrom und Robert B. Wilson, die in diesem Jahr mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet werden. Ganz konkret erhalten die beiden Ökonomen den Preis für die Weiterentwicklung der Auktionstheorie und die Entwicklung neuer Auktionsformate, so die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften, welche die Preisträger auswählt.

Mit ihrer Forschung haben Robert B. Wilson und sein ehemaliger Doktorand Paul Milgrom nicht nur die Auktionstheorie weiterentwickelt, sondern auch gezeigt, wie aus ökonomischer Theorie angewandte Praxis wird. Milgrom und Wilson entwickelten z. B. die sog. simultane Mehrrundenauktion, welche die Federal Communications Commission (FCC) in den USA im Juli 1994 erstmal verwandte und damit zehn Mobilfunkfrequenzen für insgesamt 617 Millionen US-Dollar versteigerte (vgl. Cramton, 1997). Über einen Zeitraum von 20 Jahren brachte das Auktionsformat sogar 120 Milliarden Dollar (vgl. Cramton, 2013). Insbesondere für diese Entwicklung wurden die beiden Auktionstheoretiker von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften völlig zurecht ausgezeichnet. Allein dies zeigt den hohen praktischen Nutzen, den die Theorien der beiden diesjährigen Ökonomie-Nobelpreisträger haben. Worum aber geht es nun genau?

2. Was sind Auktionen?

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Auktionen regelmäßig auch als Versteigerungen bezeichnet. Damit sind einmalige oder sich wiederholende Marktveranstaltungen gemeint, bei der ein Auktionator bestimmte Verfügungsrechte in einem Bietverfahren an den oder die Meistbietenden veräußert. Wurden Auktionen traditionell an einem bestimmten Ort, etwa in einem Auktionshaus oder auf einem organisierten Markt, durchgeführt, finden heute auch viele Auktionen virtuelle im Internet statt. Bei Auktionen geht also im allgemeinen Sprachgebrauch um ein Allokationsverfahren, bei dem Verfügungsrechte an den oder die Meistbietenden vergeben werden, wobei die Verfügungsrechte dauerhaft sein können, wie etwa bei der Versteigerung von Immobilien oder von Fundsachen, oder auch temporär wie etwa bei Funkfrequenzen.

In der ökonomischen Auktionstheorie hingegen wird der Begriff der Auktion breiter benutzt. So werden etwa auch Ausschreibungen zur Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen in der ökonomischen Theorie oftmals als Auktion bezeichnet. Kennzeichnend für Auktionen ist aus ökonomischer Sicht, dass letztlich der Preis der entscheidende Parameter für den Zuschlag in der Auktion ist (vgl. etwa Berninghaus, Ehrhart, & Güth, 2006, S. 225 ff).

Anders als auf vielen anderen Märkten spielt die Identität der Marktteilnehmer keine Rolle für den Zuschlag. In der Realität gibt es bei Auktionen allerdings oftmals ein vorheriges Qualifikationsverfahren, sodass nur bestimmte Teilnehmer zugelassen werden, um etwa auszuschließen, dass sich Bieter im Nachhinein als nicht zahlungsfähig erweisen. Anders als bei vielen Ausschreibungen ist bei Auktionen im engeren Sinne, nach einem etwaigen Qualifikationsverfahren, aber allein der Preis entscheidend für den Zuschlag, während bei Ausschreibungen oft zahlreiche Kriterien (Preis, Qualität, Zuverlässigkeit, etc.) in der Gesamtschau für die Auftragserteilung relevant sind.

3. Traditionelle Auktionsformen

Es gibt zahlreiche unterschiedliche Formen von Auktionen. Auktionen unterscheiden sich etwa danach, wie oft geboten werden kann, um welche Beträge Gebote von Runde zu Runde verändert werden können, wer die Gebote einsehen darf, wie viele Objekte parallel verauktioniert werden, wann die Auktion beendet wird und was letztlich nach der Auktion von wem zu zahlen ist. Die frühe Auktionstheorie hat vor allem Auktionen betrachtet, bei denen einzelne Objekte allein versteigert wurden, und dabei zwischen vier verschiedenen Auktionsformaten unterschieden:

a) In der sog. Englischen Auktion starten die Angebote bei einem Mindestgebot (das auch null sein kann). Runde für Runde können Bieter dann Gebote abgeben und das jeweils gültige Gebot der Vorrunde erhöhen. Auch kann jeder kann das gesamte Auktionsgeschehen beobachten, insbesondere wie viel gerade geboten wird. Die Auktion endet, wenn keine höheren Gebote mehr abgegeben werden. Der Bieter mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag und hat sein Gebot als Preis zu entrichten.

b) Die sog. Holländische Auktion wird teilweise auch als Rückwärtsauktion bezeichnet. Bei dieser Auktion startet die Auktion mit einem sehr hohen Preis, der dann nach und nach reduziert wird, bis ein Bieter „zuschlägt“. Für die Durchführung der Auktion wurde traditionell eine rückwärts laufende Auktionsuhr verwendet, die der Bieter dann anhalten kann, wenn er kaufen möchte. Den Zuschlag erhält der Bieter, der als erstes die Uhr stoppt. Zu zahlen ist der dann angezeigte Preis.

c) Bei der Erstpreisauktion mit verdeckten Geboten – auf Englisch: „first-price sealed-bid“ – geben die Bieter verdeckt ein einziges Angebot ab, das die anderen Bieter nicht einsehen können. Den Zuschlag erhält nach Eingang aller Gebote der Bieter mit dem höchsten Gebot. Zu entrichten ist vom Gewinner der Auktion der Preis, den er geboten hat.

d) Im Gegensatz dazu ist bei der Zweitpreisauktion mit verdeckten Geboten („second-price sealed bid“) nicht der Höchstpreis, der geboten wurde, sondern das zweithöchste Gebot. Ansonsten unterschiedet sich die Auktion nicht von der versiegelten Erstpreisauktion. Die versiegelte Zweitpreisauktion wird in der ökonomischen Theorie nach dem Ökonomie-Nobelpreisträger des Jahres 1996 auch als Vickrey-Auktion

4. Auktionstheorie für die Versteigerung einzelner Güter

Als Pionier der Auktionstheorie darf William S. Vickrey bezeichnet werden, der wie schon erwähnt im Jahr 1996 den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat (vgl. Moldovanu 1996). Bahnbrechend sind zwei Arbeiten von Vickrey (1961, 1962), in denen er Auktionen analysiert, bei denen die (risikoneutralen) Bieter jeweils eine eigene individuelle Wertschätzung (private value) für das Versteigerungsobjekt haben, die nur sie selbst kennen. Vickrey unterstellt i seiner Analyse, dass diese private Wertschätzung eines jeden Bieters unabhängig ist von der Wertschätzung anderer Bieter für das Versteigerungsobjekt. Es gibt für die einzelnen Bieter in Vickreys Modell keinerlei Unsicherheit über den eigenen, individuellen oder privaten Wert des Objektes – jeder Bieter weiß genau, was ihm das Objekt wert ist.

Wie Vickrey (1961) zeigte, sind unter diesen annahmen die Holländische Auktion und die Erstpreisauktion mit verdeckten Geboten strategisch äquivalent. Das optimale Gebot eines jeden Bieters in der Erstpreisauktion mit verdeckten Geboten entspricht dem Preis, bei dem er in der Holländischen Auktion auch die Uhr stoppen würde. Jedoch gibt es bei diesen beiden Auktionsformaten keine dominanten Strategien für die Bieter, weil diese von den Geboten der anderen Bieter abhängen. Durch ein geringeres Gebot spart man einerseits Geld, riskiert aber andererseits, den Zuschlag gar nicht zu erhalten. Optimale Gebote müssen hier eine Balance finden.

Strategisch äquivalent sind zudem auch die Englische Auktion und die Zweitpreisauktion mit verdeckten Geboten. In der Englischen Auktion steigt jeder Bieter optimalerweise dann aus, wenn das gültige Gebot die eigene Wertschätzung für das Objekt übersteigt. Durch einen früheren Ausstieg aus der Auktion kann der Bieter nichts gewinnen. Ebenso bringt es in der Zweitpreisauktion mit verdeckten Geboten dem Bieter keinen Vorteil, ein Gebot abzugeben, das unter der eigenen Wertschätzung liegt, da im Erfolgsfall ja ohnehin nur das zweithöchste Gebot zu zahlen ist. Optimal ist es daher, seine eigene Wertschätzung als Gebot zu wählen. Im Gegensatz zur Holländischen Auktion und zur Erstpreisauktion mit verdeckten Geboten haben somit die Englische Auktion und die Zweitpreisauktion mit verdeckten Geboten somit dominante Strategien.

In seinem Beitrag beweist Vickrey (1961) auch das sog. Erlös-Äquivalenz-Theorem, demzufolge die erwarteten Erlöse bei allen vier Auktionsformen identisch sind, sofern alle Bieter risikoneutral sind und ihre Wertschätzungen voneinander unabhängig sind. Wie Vickrey (1962) zeigte, gilt das Erlös-Äquivalenz-Theorem jedoch schon dann nicht mehr, wenn sich die Bieter ex ante in den Wertschätzungen unterscheiden, was in der Realität eher die Regel als die Ausnahme sein dürfte.

Robert B. Wilson (1969, 1977) war es nun, der die Auktionstheorie zunächst entscheidend weiterentwickelte, in dem er Fälle betrachtete, in denen die Wertschätzung der Bieter für ein Objekt nicht voneinander unabhängig ist. Das typische Beispiel hier sind Förderrechte für Ölfelder, bei denen die Bieter nicht genau wissen, wie groß bzw. ergiebig ein Ölfeld ist. Wäre die Menge an förderbarem Öl von Vornherein exakt bekannt und würden sich die Ölfirmen nicht anderweitig unterscheiden, sollte das Förderrecht prinzipiell jedem Ölkonzern gleich viel wert sein. Weiß aber niemand genau, wie viel Öl genau auf einem Ölfeld gefördert werden kann, so können sich genau darüber unterschiedliche Einschätzungen bei den Bietern entwickeln. Diese unterschiedlichen Einschätzungen können sich etwa ergeben, wenn Probebohrungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen oder – ökonomisch ausgedrückt – die Bieter unterschiedliche Signale erhalten. In diesem Fall ist leicht nachzuvollziehen, dass die Bieter etwas aus dem Bietverhalten ihrer Konkurrenten lernen könnten, sofern dies beobachtet werden kann, wie etwa in der Englischen Auktion. Der Wert des Ölförderrechts ist somit prinzipiell für alle Ölkonzerne identisch (common value), aber weil sich die Erwartungen aufgrund unterschiedlicher Signale unterscheiden, sind die Einschätzungen der Bieter über den „wahren“ Wertes nicht mehr unabhängig voneinander, sofern die Bieter direkt oder indirekt in Erfahrung bringen können, von welchen Erwartungen die anderen Bieter ausgehen.

Wilson (1969) hat nun gezeigt, dass – insbesondere (aber nicht nur) bei der Holländischen Auktion und Auktionen mit verdeckten Geboten, bei denen die Bieter nichts aus dem Verhalten anderer Bieter lernen können – der sog. Fluch des Gewinnens („winner’s curse“) auftritt. Sofern sich Bieter nicht in ihren Risikoeinstellungen unterscheiden, wird derjenige das höchste Gebot abgeben oder die Auktionsuhr als erstes stoppen und so den Zuschlag in der Auktion erhalten, der den tatsächlichen Wert des Objektes – also etwa des Ölförderrechts – am meisten überschätzt. Die Botschaft, eine Auktion gewonnen zu haben, dürfte in diesem Fall eine schlechte Nachricht sein. Rationale Bieter werden daher vorsichtshalber etwas niedriger bieten, um zu vermeiden, dass sich das gebot im Nachhinein als zu hoch erweist. Die optimale Bietstrategie ist in einer solchen Situation deutlich schwieriger zu ermitteln.

Milgrom (1981a, 1981b) sowie Milgrom und Weber (1982) haben die Theorie Wilsons dann entscheidend weiterentwickelt, indem sie Auktionen analysierten, bei denen die Bieter weder eine völlig unabhängige, individuelle Wertschätzung (private value) noch eine vollkommen voneinander abhängige, gemeinsame Wertschätzung (common value) für ein Objekt haben, sondern beides eine Rolle spielt. Wie Milgrom und Weber (1982) zeigen, lässt in einem solchen Kontext die Englische Auktion tendenziell (etwas) höhere Erlöse erwarten als die Zweitpreisauktion mit verdeckten Geboten, sofern die privaten Signale, welche die Bieter erhalten, miteinander verbunden („affiliated“) sind. Verbundenheit ist dabei eine Form der positiven Korrelation. Während Bieter bei der Zweitpreisauktion mit verdeckten Geboten nicht aus den Geboten der anderen Bieter lernen können, ergeben sich bei der Englischen Auktion Lerneffekte, da die Bieter ihre Gebote gegenseitig beobachten und daraus Rückschlüsse auf die jeweiligen privaten Signale der anderen Bieter ziehen können. Die Zweitpreisauktion mit verdeckten Geboten wiederum führt tendenziell zu höheren erwarteten Erlösen als die Holländische Auktion und die Erstpreisauktion mit verdeckten Geboten. Dass in diesem Szenario, das die Realität am besten widerspiegeln dürfte, die Englische Auktion die höchsten Erlöse erwarten lässt, mag die weite Verbreitung von Englischen Auktionen als Auktionsform, etwa bei Ebay, bei Kunstauktionen, Auktionen von Fundsachen oder der Zwangsversteigerung von Immobilien, mit erklären. Auch der Fluch des Gewinnens ist in der Englischen Auktion weniger ausgeprägt, da durch die Beobachtung der anderen Gebote Informationen preisgegeben werden, was wiederum die Bieter zu aggressiveren Bietstrategien veranlasst und letztlich auch zu höheren Auktionserlösen führt. Milgrom und Weber (1982) zeigen in ihrem Beitrag auch, dass Verkäufer in einer Auktion höhere Erlöse erzielen können, wenn sie ihre eigenen Informationen, etwa in Form eigener Expertisen, für die Kaufinteressenten offenlegen.

Die theoretischen Vorhersagen der Modelle von Wilson und Milgrom sind in zahlreichen empirischen und experimentellen Untersuchungen inzwischen überprüft und belegt worden. Das Hintergrundpapier der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften (2020) nennt hier zahlreiche Quellen. Allgemeine Überblicke über die experimentelle Forschung zur Auktionstheorie finden sich bei Kagel (1995) sowie Kagel und Levin (2014).

5.  Auktionstheorie für die Versteigerung mehrerer Güter

Oftmals werden in der Realität nicht nur einzelne Objekte versteigert, sondern – simultan oder nacheinander – mehrere Objekte. Diese Versteigerungsobjekte können in einer komplementären oder substitutiven Beziehung zueinander stehen.

5.1 Auktionen von Anteilen

Robert Wilson (1979) hat sich zuerst mit dem speziellen Fall beschäftigt, in dem homogene Anteile eines bestimmten Gutes versteigert werden (sog. „share auctions“). Ein Beispiel sind etwa Staatsschuldtitel oder auch an der Strombörse gehandelte Bezugsrechte für Elektrizität. In dem von Wilson (1979) entwickelten Modell werden sowohl Einheitspreisauktionen betrachtet, bei denen für jeden Anteil letztlich derselbe (markträumende) Preis gezahlt wird, als auch diskriminierende Auktionen, bei denen für jeden Anteil der vom Bieter angegebene Gebotspreis zu zahlen ist („pay as bid“). Eine wesentliche Einsicht von Wilson (1979) bestand darin, dass Bieter in ihrer Bietstrategie berücksichtigen werden, wie das Gebot für jeden weiteren Anteil den Preis für die anderen Anteile beeinflusst, d.h. wie das Gebot auf die letzte (marginale) Einheit den Preis für die inframarginalen Einheiten verändert. Im Vergleich zur Versteigerung einzelner Objekte haben Bieter daher einen Anreiz, zurückhaltender und weniger aggressiv zu bieten. Des Weiteren können sich Bieter in solchen Auktionen explizit absprechen oder indirekt koordinieren, um den Preis zu drücken und so die Erlöse für den Verkäufer reduzieren.

Insbesondere für das Design von Strombörsen auf liberalisierten Elektrizitätsmärkten wurde dieses Modell später von Wilson (2002, 2008) sowie zahlreichen anderen Ökonominnen und Ökonomen weiterentwickelt, wie etwa Klemperer und Meyer (1989), Bolle (1992), Joskow und Tirole (2000) und Kremer und Nyborg (2004).

5.2 Auktionen von zusammenhängenden Rechten

Im Zuge der stärkeren Verbreitung des Mobilfunks entschied sich die US-amerikanische Federal Communications Commission (FCC) Anfang der 1990er-Jahre, die Rechte zur Nutzung des Frequenzspektrums nicht länger administrativ anhand eines festgelegten Kriterienkatalogs an Bewerber zu vergeben – ein Verfahren, das auch als „Schönheitswettbewerb“ bezeichnet wird – und sich auch von den Spektrumslotterien zu verabschieden. Denn in den USA wurden Teile des Frequenzspektrum zuvor per Los vergeben, was dazu führte, dass sich alle möglichen Interessenten um Spektrumsrechte bewarben, um diese Rechte dann typischerweise für viel Geld weiterzuverkaufen (vgl. McMillan 1994).

Vielmehr sollte nun der Markt bzw. der Preismechanismus genutzt werden, um so herauszufinden, welcher Bewerber die höchste Wertschätzung für die verschiedenen Teile des Frequenzspektrums bzw. die entsprechenden Nutzungsrechte hat. Die FCC befolgte damit einen Vorschlag, den Ronald Coase – ebenfalls ein Ökonomie-Nobelpreisträger, und zwar im Jahr 1991 (vgl. Picot 1992) – der FCC schon 35 Jahre vorher unterbreitet hatte (vgl. Coase 1959), wobei die Idee ursprünglich auf Herzel (1951) zurückzugehen scheint, wie Coase selbst später betont hat.

Verkompliziert wurde die Auktion allerdings dadurch, dass einige Bewerber nur an bestimmten geographischen Teilen des Frequenzspektrums in bestimmten US-Bundesstaaten interessiert waren, nicht aber an einer US-weiten Abdeckung. Zugleich war davon auszugehen, dass ein Aufbau von Mobilfunknetzen in aneinandergrenzenden Bundestaaten sowohl aus Kostensicht als auch aus Marketinggesichtspunkten günstiger war als der Aufbau von Mobilfunknetzen in völlig separaten Bundesstaaten. Aufgrund der Verbund- und Größenvorteile bestand also zwischen den Rechten zur Frequenznutzung in aneinandergrenzenden Gebieten ein komplementäres Verhältnis.

Zur Lösung dieses komplizierten Problems entwickelten Milgrom und Wilson gemeinsam mit Preston McAfee die simultane Mehrrundenauktion (SMRA). Bei der SMRA dürfen Bieter auf beliebig viele Objekte bieten. Am Ende der Runde wird für jedes Objekt als vorläufiger Gewinner bestimmt, wer das jeweils höchste Gebot für das Objekt abgegeben hat. In der nächsten Runde darf jeder Bieter seine Gebote erhöhen. Die Auktion endet erst dann, wenn auf keines der Objekte mehr ein höheres Gebot eingeht. Auch für Objekte, für die mehrere Runden kein höheres Gebot mehr eingeht, wird die Auktion erst beendet, wenn keinerlei Gebote mehr für irgendein Objekt abgegeben werden. Die erste Test-Auktion für nur zehn Lizenzen spielte 1994 bereits 617 Millionen US-Dollar ein und war ein so bahnbrechender Erfolg für die FCC, dass zahlreiche Auktionen dieses Formats in den USA und anderen Ländern folgten (vgl. Milgrom 2004, Bichler und Goeree 2017, Goetzendorff et al. 2018). Ganz besonders lesenswert ist hier die Zusammenfassung von Kwerel und Rosston (2000), den beiden Ökonomen in der FCC, welche die Idee der Versteigerung des Frequenzspektrums innerhalb der FCC maßgeblich vorantrieben.

Die simultane Mehrrundenauktion hat jedoch das Defizit, dass Komplementaritäten nicht unbedingt ideal ausgeschöpft werden, weil kein gemeinsames Gebot auf zwei oder mehr Objekte möglich ist, sondern jedes Gebot getrennt betrachtet wird. So kann es vorkommen, dass ein Bieter den Zuschlag für ein Objekt erhält, obwohl er es eigentlich nur in Kombination mit einem anderen Objekt wertschätzt. Ausubel und Milgrom (2002a, 2002b) entwickelten daher die sog. kombinatorische Taktauktion (auf Englisch combinatorial clock auction CCA). In der ersten Stufe der Auktion können Bieter als Reaktion auf die im Takt steigenden Preise ihre Gebote bestätigen, bis für jedes Objekt nur noch ein Bieter verbleibt. Anschließend erfolgt eine Zweitpreisauktion mit verdeckten Geboten, bei der die Bieter verdeckt verbesserte Gebote für Kombinationen von Objekten abgeben können. Die Allokation der Auktionsobjekte erfolgt dann so, dass die in den Geboten reflektierte Wertschätzung für die Objekte maximiert wird, um eine effiziente Allokation zu erreichen. Auch wenn die kombinatorische Taktauktion Probleme mit sich bringen kann, wie das strategische Hochbieten für Objekte, um Konkurrenten zu höheren Zahlungen zu zwingen (vgl. Bichler und Goeree 2017), wurde die Auktion 2008 erstmals erfolgreich in Großbritannien zur Versteigerung von Spektrumsrechten angewendet und später in vielen anderen europäischen Staaten.

Als letztes sei auf die Anreizauktion verwiesen, die die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften (2020) ebenfalls in ihrem Papier hervorhebt. Bei der Anreizauktion geht es eigentlich um eine Kombination von zwei Auktionen (vgl. Wilson 1985). Die FCC hat dieses Auktionsformat 2017 eingesetzt, um Frequenznutzungsrechte neu zu verteilen. Auf der ersten Stufe wurde in einer „Beschaffungsauktion“ ein Preis bestimmt, zu dem Rundfunksender freiwillig bestehende Frequenznutzungsrechte aufgeben. In der zweiten Auktion wurde das frei gewordene Spektrum dann neu versteigert. Im Jahr 2017 gaben bei der „Beschaffungsauktion“ 14 Rundfunksender in den USA Frequenznutzungsrechte auf und erhielten dafür 10,1 Milliarden US-Dollar. Bei der anschließenden Auktion auf der zweiten Stufe wurden dann 70 MHz Frequenzspektrumsrechte für 19,8 Milliarden US-Dollar versteigert und zudem 14 MHz überschüssiges Spektrum einbehalten. Die zwei Stufen der Anreizauktion brachten dem amerikanischen Steuerzahler somit knapp 10 Milliarden Dollar ein und setzten erhebliche Teile des Spektrums für zukünftige Nutzungen frei – welch ein Erfolg!

6. Fazit

Robert Wilson und Paul Milgrom haben mit ihrer Forschung nicht nur wesentliche Fortschritte in der Theorie der Auktionen erreicht, sondern auch durch die Entwicklung ganz neuer Auktionsformate erheblich dazu beigetragen, dass sich Auktionen heute auch bei der staatlichen Vergabe von Rechten einer so hohen Beliebtheit erfreuen, sei es bei der Versteigerung von Nutzungsrechten am Frequenzspektrum, der Förderung erneuerbarer Energien oder der Zuteilung von Emissionsrechten. Zugleich sind Staaten weltweit Milliardenbeträge in die Haushalte geflossen, sodass auch die Steuerzahler weltweit profitiert haben dürften. Wohl selten hat die Forschung von Ökonomen so enorm praktische, sichtbare und messbare Konsequenzen wie die der diesjährigen Preisträger. Zu wünschen bleibt, dass Auktionen auch dort noch stärker verwendet werden, wo dies noch nicht der Fall ist.

Literatur

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Hinweis: Der Beitrag erschien in Heft 12 (2020) der Fachzeitschrift WiSt.

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