Wettbewerbspolitk spielt bei der Bundestagswahl diesmal so gut wie keine Rolle – anders als noch 2021, als es dezidierte Aussagen in den Parteiprogrammen zur geplanten Kartellrechtsnovelle gab. Der Fokus lag damals auf der Einhegung der marktmacht der großen Internet-Plattformen. Das ist mit der jüngsten Kartellrechtsnovelle sowie dem Inkrafttreten des Gesetzes über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) auf EU-Ebene inzwischen kein so drängendes Them mehr, hier geht es nun primär um die Umsetzung.
Wenn das Wort Wettbewerb heute in den Parteiprogrammen auftaucht, dann meist im Kontext von Wettbewerbsfähigkeit. Damit ist bei SPD, Grünen und Linken meist Industriepolitik gemeint, also zum einen öffentliche Investitionen in Infrastruktur (die prinzipiell durchaus vernünftig sind, auch wenn es bei der Beurteilung letztlich stets auf das einzelne Infrastrukturvorhaben ankommt), zum anderen aber auch das Lenken von privaten Investitionen in bestimmte „gute“ Richtungen. Die Historie der Fehlschläge dabei ist lang. Die Erinnerung an Intel und Northvolt sind zum Glück noch nicht verblasst und auch Thyssen Krupp dürfte bald als mahnendes Beispiel dienen. Dennoch ist der Glaube bei manchen Politikern unerschütterlich, dass man genau zu wissen glaubt, was die Zukunft bringt und welcher Weg dorthin der einzig Richtige ist. Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich jüngst gar zu der Aussage hinreißen lassen, auch in 100 Jahren werde in Deutschland noch Stahl produziert. Was für eine absurde Prognose! Wer weiß schon, wie die Welt in 100 Jahren aussehen wird.
CDU und FDP setzen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland eher auf die Verbesserung der Angebotsbedingungen durch Steuersenkungen, eine Steigerung des Energieangebots und des Arbeitsangebots, auf Entbürokratisierung und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Eine solche Politik ermöglicht Investitionen und Wachstum ohne staatliche Lenkung. Eine solche Politik ist deutlich vielversprechender, um Deutschland auch nachhaltig wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Wie aber stehen die Chance für eine solche Wirtschaftswende?
In der jüngsten INSA-Umfrage vom 17. Februar 2025 steht die Union bei 30 Prozent, die SPD bei 15 Prozent, die Grünen bei 13 Prozent, die FDP bei 4,5 Prozent, die Linke bei 6,5 Prozent, die AfD bei 22 Prozent und das BSW bei 5 Prozent (https://www.wahlrecht.de/umfragen/). Käme es am kommenden Sonntag wirklich so, hätten CDU/CSU und SPD zusammen 45 Prozent. Grüne, Linke, AfD und BSW kämmen zusammen aber auf 46,5 Prozent – es würde für Schwarz-Rot allein nicht reichen. Ohne die FDP im Parlament, bliebe wohl nur eine Dreier-Koalition. Ob das nun CDU/CSU gemeinsam mit SPD und Grünen oder SPD und BSW wäre – die Aussichten für eine echte Wirtschaftswende wären fatal. Selbst wenn es der Union noch gelingt, der FDP ein oder 1,5 Prozent abzujagen, ist nicht gesagt, dass dies für eine dann hauchdünne Mehrheit von CDU/CSU und SPD reichen würde. Auf keinen Fall dürfte es aber für eine Koalition von CDU/CSU und Grünen reichen, sodass die SPD in Verhandlungen mit der CDU/CSU alle Trümpfe in der Hand hielte. Die Algebra der Umfragen suggeriert daher, dass Chancen für eine echte Wirtschaftswende wohl nur bestehen, wenn es die FDP am Sonntag noch in den Bundestag schafft und so eine sogenannte Deutschland-Koalition (Schwarz-Rot-Gelb) möglich wird.
Serie „Wirtschaftspolitik neu ausrichten“
David Stadelmann (UBT): Wirtschaftlicher Stillstand und Reformblockaden. Wie eine neue Institution den Wandel vorantreiben könnte
Volker Wieland (IMFS): Eine angebotspolitische Reformagenda installieren (Podcast)
Friedrich Heinemann (ZEW): Abgabenlast stärker vom Arbeitseinsatz entkoppeln
Norbert Berthold (JMU): Unternehmer unternehmen lassen
Tobias Just (IREBS): Belastungen für den Wohnungsbau reduzieren
Holger Schäfer (IW): Aktivierenden Sozialstaat wieder beleben
Jan Schnellenbach (BTU): Finanzpolitik stabilitätsorientiert gestalten
Klaus F. Zimmermann (RFW, FU, GLO): Migrationspolitik aus der Sackgasse führen
Markus Brocksiek (BdSt): Bürokratieabbau forcieren – Staatseffizienz erhöhen
Manuel Frondel (RWI): Kehrtwende in der Energiepolitik schaffen
Bernd Raffelhüschen (ALU): Rentenversicherung generationengerecht reformieren
Christoph A. Schaltegger (IWP): Mehr Schweiz wagen (Podcast)
Astrid Rosenschon (IfW): Subventionen radikal kürzen
Michael Heise (HQ Trust): Wachstumskräfte und Arbeitsvolumen steigern
Norbert Berthold (JMU) und Jörn Quitzau (Bergos): Wirtschaftspolitik neu ausrichten
- Wirtschaftspolitik anders ausrichten (15)
Mehr Standortwettbewerb, weniger Industriepolitik - 21. Februar 2025 - Gastbeitrag
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Mehr Qualität, weniger Mittel - 7. Juli 2024 - Nobelpreis 2020
Auktionen in Theorie und Praxis
Zum Nobelpreis 2020 für Robert Wilson und Paul Milgrom - 7. Januar 2021