Wettbewerb zwischen Fußballligen in Europa
Size matters!

Eine Liga stellt eine Plattform bereit, auf der eine festgelegte Anzahl an Klubs innerhalb eines vorher fixierten Zeitraums nach einem definierten Regelwerk einen Meisterschaftstitel untereinander ausspielt (Daumann 2019, S. 152). Regelmäßig stellt sich aus Sicht der Wettbewerbspolitik die Frage, inwiefern eine derartige Liga als Kartell zu beurteilen und entsprechend zu regulieren ist (siehe hierzu etwa Parlasca 1993). Dabei wird häufig die internationale Perspektive außer Acht gelassen: Aus dieser Sicht bündeln Sportligen das Angebot mehrerer Vereine. Dementsprechend können Ligen als zentrale internationale Akteure identifiziert werden, die miteinander auf den internationalen Arbeits- und Absatzmärkten konkurrieren (Neale, 1964).

Dabei läßt sich insbesondere im europäischen Ligawettbewerb eine säkulare Entwicklung beobachten: Die Marktmacht konzentriert sich nunmehr nur auf wenige große Ligamärkte. So gewannen bis Mitte der 1990er Jahre Klubs aus kleineren Ligen wie Ajax Amsterdam (1971, 1972, 1973, 1995), PSV Eindhoven (1998), Roter Stern Belgrad (1991), Steaua Bukarest (1986), Celtic Glasgow (1967), Benfica Lissabon (1961, 1962) oder Feyenoord Rotterdam (1970) den Titel als bester Verein Europas. Seit dem Sieg von Ajax Amsterdam im Jahre 1995 – mit Ausnahme des Sieges des portugiesischen Klubs FC Porto im Jahr 2004 – gewannen jedoch nur noch Vereine aus den sogenannten BIG 5-Ligen (Premier League, Bundesliga, Primera Division, Ligue 1, Lega Nazionale Professionisti Serie A) die Europäische Champions League. Diese Entwicklung deutet auf ernsthafte Wettbewerbs- und Konzentrationsprozesse hin.

Betrachtet man den europäischen Binnenmarkt, so stellt man im Bereich des professionellen Fußballs folgendes fest: Während andere Unterhaltungsdienstleistungsbranchen die Vorteile des europäischen Binnenmarkts nutzen können, ist diese Option für europäische Fußballvereine und -ligen sehr begrenzt. Die Profifußballklubs in Europa sind zwar als reguläre Unternehmen mit kommerziellen Interessen tätig, jedoch streng an die Ligen des entsprechenden Nationalstaates gebunden. Europäische Fußballligen sind entlang der Landesgrenzen organisiert. So kann z. B. ein deutscher Bundesligaklub nicht an der englischen Premier League teilnehmen. Dieser Sachverhalt kann als National League Principle bezeichnet werden, beruhend auf den einschlägigen Bestimmungen zur Pyramidenstruktur von Sportverbänden und der Einführung des sogenannten „One-Place“- oder „One-Association“-Prinzips (Vieweg 2006). Im Falle des europäischen Fußballs wird das „One-Place“-Prinzip und seine Auswirkung auf den Liga-Event-Märkten durch die Artikel 49 und 51 der UEFA-Statuten durchgesetzt.

Angesichts der besonderen nationalen Wettbewerbsstruktur erscheint es fast paradox, dass im Rahmen des europäischen Fußballliga-Wettbewerbs noch keine ernsthaften Diskussionen über Marktzutrittsbeschränkung geführt wurden. So unterliegt zwar der Profifußball wie jede andere Branche dem europäischen Wettbewerbsrecht (Europäische Kommission 2007, S. 25) – daraus erfolgt etwa eine genaue Überwachung beim gemeinsamen Verkauf von Handelsrechten (Europäische Kommission 2003, 2005, 2006; Monopolkommission 2016, S. 82 ff.) –, aber es existieren für den professionellen Mannschaftssport vielen Ausnahmen im Wettbewerbsrecht. Diese Ausnahmen werden mit den vermeintlichen Besonderheiten des Sports begründet (Europäische Kommission 2011). Demnach sind spezifische Sportmerkmale wie beispielsweise die interne Organisationsfreiheit des Sportverbandes und die entsprechende monopolistische Pyramidenstruktur zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass im Profifußballbereich die Beschaffungs- und Vertriebsmärkte offen, allerdings die Eventmärkte nach nationalen Grenzen getrennt sind.

Die Ligen in Europa können nur die Klubs und die Standorte in der Ligaproduktion verwenden, die im gleichen Staat vorhanden sind. Eine Internationalisierung der Produktionskette ist zwar demnach teilweise auf Ebene der unmittelbaren Produktionsfaktoren (das sind die Spieler, die Trainer etc.), aber nicht auf Ebene der Klubs möglich.

Wesentliche Determinanten der Nachfrage und der Qualität einer Fußballliga stehen somit in einer festen Abhängigkeit von der Größe und Wirtschaftskraft eines Verbandsgebietes, dem die jeweilige Liga zugeordnet ist (Budzinski & Feddersen 2016, S. 47; Rottenberg 1956, S. 246; Sandy et al. 2004, S. 172). Somit sind die Machtverhältnisse auf den Transfer- und Absatzmärkten meist fixiert und durch das Marktpotential der Eventmärkte determiniert. Dabei bestimmen die Marktgrößen der Ligagebiete maßgeblich die Vermarktungskapazität der europäischen Fußballligen und damit auch den internationalen Ligawettbewerb. Folglich haben Ligen großer nationaler Verbände und entsprechend großer Eventmärkte einen dauerhaften wirtschaftlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber kleineren Ligen. Aufgrund kleinerer regionaler Nachfragemärkte leiden Ligen aus kleinen Ländern somit unter schwerwiegenden strukturellen Wettbewerbsnachteilen. Die Beziehung zwischen vorgegebenen Marktgrößen und dem gesamten Marketingergebnis kann durch ein einfaches Regressionsmodell, wie in der folgenden Abbildung, dargestellt werden:

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Offenbar führt das National League Principle zu einer hohen Konzentration im Ligawettbewerb. So lässt sich zeigen, dass selbst die vergleichsweise stark konzentrierten europäischen Märkte für Vergnügungsparks und Fernsehsender ein viel niedrigeres Konzentrationsniveau aufweisen als der gesamteuropäische Eventmarkt für (Erst-)Ligafußball.

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Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das National League-Principle dem Wettbewerb zwischen den Ligen nicht gerade förderlich zu sein scheint. Um dieses Problem zu lösen, bieten sich verschiedene Ansatzpunkte an:

  1. So könnten durch Regulierungen auf dem Spielermarkt, etwa in Form von Gehaltsobergrenzen oder Reservierungsklauseln, die Talentmärkte kleinerer Länder geschützt und so ein sog. muscle drain unterbunden oder zumindest erschwert werden.
  2. Eine Umverteilung der Finanzmittel auf europäischer Ebene etwa durch Solidaritätsfonds oder Luxussteuern stellt einen weiteren Ansatzpunkt dar. Erste Schritte in diese Richtung wurden im europäischen Kontext durch die Financial Fairplay Regulierungen bereits unternommen (Franck, 2014; Müller et al., 2012; Gerspach & Daumann, 2016).
  3. Schließlich bietet sich die Überwindung der Trennung von Eventmärkten, beispielsweise durch Fusionen von Ligen, an. So könnten etwa kleine und mittelgroße Staaten wie die Schweiz und Österreich ihre Ligen fusionieren, um Anschluss an die großen europäischen Ligen zu gewinnen.

Aus ordnungsökonomischer Sicht scheint die Lösung recht einfach zu sein: Das National League Principle muss fallen. Das bedeutet, dass es den Klubs freistehen muss, welcher Liga sie sich anschließen. Dadurch würde ein richtiger Wettbewerb der Ligen um die Klubs entstehen. Für die Klubs könnte es sinnvoll sein, in andere Ligen abzuwandern oder aber in der bisherigen Liga zu bleiben, da vielleicht sehr starke Klubs in Ligen mit größeren Einnahmepotential abgewandert oder neu hinzugekommen sind. Vermutlich würden sich in den europäischen Profiligen einige Veränderungen ergeben, die zu mehr Spannung führen dürften. Vielleicht würde die Liberalisierung gar dazu führen, dass eine Situation entstünde, die der oft thematisierten und von vielen Topklubs angestrebten Super League sehr nahekommt.

Literatur

Budzinski, O. & Feddersen, A. (2016). Nachfrage I – Einflussfaktoren der Zuschauernachfrage. In C. Deutscher, G. Hovemann, T. Pawlowski & L. Thieme (Hrsg.), Handbuch Sportökonomik. Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport: 190, S. 41-66. Schorndorf: Hofmann.

Daumann, F. (2019), Grundlagen der Sportökonomie, 3. Aufl., München.

Europäische Kommission (2003). Commission decision of 23 July 2003 relating to a proceeding pursuant to Article 81 of the EC Treaty and Article 53 of the EEA Agreement (COMP/C.2-37.398 — Joint selling of the commercial rights of the UEFA Champions League). L 291.

Europäische Kommission (2005). Commission Decision of 19 January 2005 relating to a proceeding pursuant to Article 81 of the EC Treaty and Article 53(1) of the EEA Agreement (Case COMP/C.2/37.214 — Joint selling of the media rights to the German Bundesliga) (notified under document number C(2005) 78) (Text with EEA relevance). L 134.

Europäische Kommission (2006). Summary of Commission Decision of 22 March 2006 relating to a proceeding pursuant to Article 81 of the EC Treaty (Case COMP/38.173 — Joint selling of the media rights to the FA Premier League) (notified under document number C(2006) 868). C 7.

Europäische Kommission (2007). White paper on sport. Luxemburg: Office for Official Publications of the European Communities.

Europäische Kommission (2011). Developing the European Dimension in Sport. SEK(2011): 66.

Franck, E. (2014). Financial Fair Play in European Club Football: What Is It All About? International Journal of Sport Finance, 9, (3), S. 193-217.

Gerspach, P. & Daumann, F. (2016). Kann das Financial-Fair-Play die in es gesetzten Erwartungen erfüllen? Sciamus – Sport und Management, Jg. 7, Nr. 2, S. 34-48.

Monopolkommission (2016). Wettbewerb 2016. Einundzwanzigstes Hauptgutachten der Monopolkommission gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB. Hauptgutachten Monopolkommission: 21.

Müller, J. C., Lammert, J. & Hovemann, G. (2012). The Financial Fair Play Regulations of UEFA: An adequate concept to ensure the long-term viability and sustainability of European club football? International Journal of Sport Finance, 7, (2), S. 117-140.

Neale, W. C. (1964). The peculiar economics of professional sports: A contribution to the theory of the firm in sporting competition and in market competition. The Quarterly Journal of Economics, 78, (1), S. 1-14.

Parlasca, S. (1993), Kartelle im Profisport, Ludwigsburg, Berlin.

Renz, M. (2020). Internationaler Wettbewerb europäischer Profifußballligen. Ökonomisch-rechtliche Analyse der Wettbewerbskonzentration und Ligenstrukturen, Wiesbaden.

Rottenberg, S. (1956). The baseball players’ labor market. Journal of Political Economy, 64. Abgerufen von http://EconPapers.repec.org/RePEc:ucp:jpolec:v:64:y:1956:p:242

Sandy, R., Sloane, P. J. & Rosentraub, M. S. (2004). The economics of sport. An international perspective. Basingstoke u.a.: Palgrave Macmillan.

Vieweg, K. (2006). Bans on discrimination and duties to differentiate in the German law of sports organizations. The International Sports Law Journal, (3-4), S. 96-101. Abgerufen von https://go.galegroup.com/ps/i.do?p=AONE&sw=w&issn=15677559&v=2.1&it=r&id=GALE%7CA169017222&sid=googleScholar&linkaccess=fulltext

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