Der dramatische Anstieg der Energiepreise, am besten erkennbar an den Benzinpreisen an den Tankstellen, rufen Politiker aller Couleur und aller Herren Länder auf den Plan. Sie überbieten sich mit allerlei Vorschlägen, wie sie die Verbraucher von den steigenden Lasten abschirmen können — zumindest teilweise. In Deutschland hat sich die Politik nun neben sinnvollen Hilfen für Bedürftige wie eine Einmalzahlung von 200 Euro für Empfänger von Sozialleistungen auf die Senkung der Energiesteuer für Diesel um 14 Cent pro Liter und für Benzin um 30 Cent geeinigt — zunächst drei für Monate. Das ist gut gemeint und signalisiert, dass die Politik die Sorgen der Wähler ernst nimmt und entsprechend reagiert — eine Reaktion, die vor den anstehenden Wahlen nur allzu verständlich ist.
Dennoch hätte aus vielerlei Gründen, darauf verzichtet werden sollen, die Steuern auf Kraftstoffe zu senken. Erstens ist dieser Schritt sehr teuer: Bei einem Diesel- und Benzinverbrauch von rund 45 bzw. 33 Mrd. Litern pro Jahr sind die Steuerausfälle infolge der Steuersenkung für 3 Monate auf rund 4,8 Mrd. Euro zu taxieren, wenn man die geringeren Einnahmen bei der Mehrwertsteuer, welche noch auf die Energiesteuer aufgeschlagen wird, berücksichtigt. Zweitens ist der Steuerrabatt unnötig teuer, weil er wenig zielgerichtet ist und alle begünstigt werden, nicht allein die wirklich Bedürftigen.
Drittens: Die Kosten des Steuerrabatts sind besonders deshalb unnötig hoch, weil er vor allem den Wohlhabenden nutzt, denn diese haben höhere Fahrleistungen als Einkommensschwache. Diese verfügen hingegen häufig nicht einmal über ein Auto. Viertens mindert der Steuerrabatt den durch die hohen Preise gesetzten Anreiz, Sprit zu sparen. Damit konterkariert diese Maßnahme die gerade erst im Jahr 2021 eingeführte CO2-Bepreisung, mit der fossile Brenn- und Kraftstoffe zum Zwecke des Klimaschutz schrittweise verteuert werden sollten. Damit signalisiert die Politik, dass Klimaschutz schnell hintenanstehen muss, wenn die Bevölkerung von vermeintlich gravierenderen Problemen geplagt wird. Fünftens könnte der Steuerrabatt möglicherweise gar nicht in voller Höhe bei den Verbrauchern ankommen, weil er von der Mineralölwirtschaft und den Tankstellenbetreibern nur teilweise an die Autofahrer weitergegeben wird. Die Mineralölindustrie hatte die Politik beim Beschluss des Energiepakets sicherlich nicht als Adressaten im Auge.
Zusätzlich zu all diesen Gründen sprechen sehr grundlegende Argumente gegen Rabatte und Steuersenkungen bei Kraftstoffen. Obwohl damit anderes suggeriert wird, kann die Politik die Bevölkerung durch die Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe nicht wirklich von den Lasten höherer Benzinpreise bewahren, sie kann sie allenfalls umverteilen. Die Politik schafft lediglich eine Entlastungsillusion, denn tatsächlich verschuldet sich der Staat zur Finanzierung des Energiesteuerrabatts nun zusätzlich. Diese Schulden müssen zu einem späteren Zeitpunkt von den Steuerzahlern zurückgezahlt werden, wohl auch von den Haushalten, die nun mit am meisten von der Senkung der Benzinpreise an der Tankstelle profitieren. In der Summe könnte der Energiesteuerrabatt so teurer kommen, als wenn die Lasten sofort von den Verbrauchern an der Tankstelle bezahlt worden wären. Diese Überlegung entlarvt den Energiesteuerrabatt als das, was er tatsächlich darstellt: Teurer Balsam für die geschundene Verbraucherseele!
Doch der Balsam dürfte nicht einmal besonders wirksam, selbst wenn er inklusive des geringeren Mehrwertsteuerbetrags gänzlich bei den Autofahrern ankommen sollte: Statt aktuell etwa 2 Euro 10 pro Liter hätten Halter von Diesel-Pkw bei Umsetzung der Energiesteuersenkung inklusive Mehrwertsteuerrückgang rund 17 Cent weniger zu bezahlen. Dies ist ein Rabatt von unter 10 Prozent, der bei den starken täglichen Schwankungen an den Zapfsäulen leicht im Bewusstsein der Autofahrer untergehen könnte.
Zugegeben ist die Entlastung bei Benzin mit rund 36 Cent je Liter inklusive Mehrwertsteuerabzug deutlich größer als bei Diesel, vor allem auch in relativen Termini betrachtet. Dennoch sollten der Energiesteuerrabatt auf Kraftstoffe nach drei Monaten auf keinen Fall verlängert und keine weiteren Milliardenhilfen und -schulden beschlossen werden, selbst wenn die Energiepreise noch weiter ansteigen sollten: Das Verhältnis von fiskalischen Kosten und Nutzen ist bei dieser staatlichen Hilfe offenkundig nicht vernünftig!
Hinweis: Der Beitrag erschien als Leitartikel in Heft 5 (2022) in der Fachzeitschrift WiSt.