Viele halten den Automobilverkehr nicht für zukunftsfähig. Mitunter denken sie, der Klimawandel würde einen schnellen Umstieg auf den öffentlichen Verkehr notwendig machen. So wird derzeit auch von Teilen der politischen Entscheidungsträger in Deutschland das „9-Euro-Ticket“ als Autoalternative propagiert, das für drei Monate einen nachhaltigen Umstieg auf den ÖPNV attraktiv machen solle.
Doch ob dem Auto oder dem öffentlichen Verkehr die Zukunft gehört, hängt stark von Kosten-Nutzen-Überlegungen der Nutzer ab. Im Gegensatz zur Meinung mancher Politiker und Aktivisten dürfte der öffentliche Verkehr mit Bus oder Bahn aufgrund von einfachen ökonomischen Gründen gegenüber dem Auto bald stark an Bedeutung verlieren. Autonom fahrende, elektrische Autos könnten das Kosten-Nutzen-Kalkül grundlegend und dauerhaft zugunsten des Autos verändern.
Die Nachfrage nach Mobilität steigt
Mit zukünftigem Wirtschaftswachstum steigt die Nachfrage nach Mobilität. Die Bürger wollen schneller von A nach B kommen und dabei die Fahrtzeit möglichst für Tätigkeiten wie beispielsweise Entspannen, Arbeiten oder Essen nutzen. Diesbezüglich war der öffentliche Verkehr, und dabei insbesondere der Fernverkehr mit der Bahn, bisher bei Verbindungen von Stadtzentrum zu Stadtzentrum gegenüber dem Auto klar konkurrenzfähig.
Doch für die große Mehrheit der Verkehrsteilnehmer sind A und B keine Stadtzentren. Für ihre ersten und letzten Streckenkilometer ist insbesondere der ÖPNV oft wenig attraktiv oder gar inexistent. Für realistische Tür-zu-Tür Verbindungen war das Auto deshalb immer schon attraktiv und sehr konkurrenzfähig zum öffentlichen Verkehr.
Technischen Entwicklungen machen das Auto noch attraktiver und konkurrenzfähiger. Zentral dafür werden weitgehend automatisiert oder autonom fahrende Autos sein. Kürzlich wurde beispielsweise von Mercedes ein zugelassenes Level-3-System präsentiert, das dem Fahrer ermöglicht, sich anderen Dingen als dem Fahren zuzuwenden und nur bei Bedarf innerhalb einer Vorwarnzeit vom System wieder die Führung des Autos zu übernehmen. Weitere schnelle Fortschritte in dieser Technik sind zu erwarten.
Hohe Zahlungsbereitschaft für nutzbare Zeit
Autonom fahrende Autos bringen riesige Effizienzgewinne in Form besser nutzbarer Zeit. Bisher konnte die Fahrzeit im Auto im Vergleich zur Bahn nicht besonders gut zum Entspannen oder Arbeiten genutzt werden. Doch bereits mit Autos, die auf Teilstrecken wie Autobahnen verlässlich selbständig fahren, wird die Fahrzeit für die Autofahrer deutlich nutzbarer. Sozusagen stellt der Autopilot des autonom fahrenden Autos eine kostengünstige Chauffeuralternative dar. Der Traum, sich angenehm von Tür-zu-Tür chauffieren zu lassen, dürfte auch für die breite Masse immer realistischer zu erreichen sein. Selbst im Stau kann dann dank Autopilot einfach und entspannt anderen Aktivitäten nachgegangen werden. Insofern wird es viele Pendler bald nicht mehr stören, wenn sie im Berufsverkehr etwas im Stau stehen: Sie werden angenehm frühstücken, etwas Zeitung lesen, sich bereits Arbeitsunterlagen anschauen oder gar an der ersten Videokonferenz des Tages teilnehmen.
Daher dürften die zukünftigen autonomen Autos raffinierte und luxuriöse Arbeits- und Erholungsstätten mit einem hohen Grad an Individualisierung darstellen. Für viele könnte deshalb die persönliche Beziehung zum Auto noch stark wachsen. Statt im überfüllten Pendlerzug werden sie auf das autonom fahrende Auto ausweichen wollen. Im Auto nutzen sie die Fahrzeit als Qualitäts- oder Arbeitszeit für sich. Sobald Mitarbeiter von Unternehmen während der Fahrt zu und von der Arbeitsstelle aktiv ihren Betrieb tätig sein können, dürfte auch der Anreiz wachsen, autonom fahrende Firmenautos für die Mitarbeiter bereit zu stellen. Insgesamt scheint es wahrscheinlich, dass die Zahlungsbereitschaft für autonom fahrende Autos hoch ist, was die Nachfrage nach ihnen treiben wird. Eine hohe Zahlungsbereitschaft könnte die technologische Entwicklung weiter schnell vorantreiben.
Natürlich wird es auch im öffentlichen Verkehr über die Zeit zu technologischen Verbesserungen kommen. Die steigende Nachfrage nach Mobilität insgesamt wird auch die Nachfrage nach der Bahn wachsen lassen. Doch Erhöhungen der Auslastung des Schienennetzes bringen steigende Kosten und kaum zu unterschätzende Systemrisiken. Ein öffentliches Verkehrssystem am Limit ist besonders anfällig auf Ausfälle aller Art durch Streiks, Wetterkapriolen, oder gar Terrorismus. Genau weil Autonutzer an Effizienzerhöhungen interessiert sind und eine Zahlungsbereitschaft dafür haben, ist ein schnellerer technologischer Wandel mit starker Nutzerorientierung beim Automobil wahrscheinlicher als beim öffentlichen Verkehr.
Das gilt insbesondere dann noch viel eher, wenn aufgrund von finanzieller Unterstützung durch die öffentlichen Kassen, im öffentlichen Verkehr überhaupt nicht mehr klar ist, was für die Passagiere wirklich zählt, wofür sie wirklich eine hohe Zahlungsbereitschaft haben und was ihnen der öffentliche Verkehr tatsächlich wert ist. Der bezahlte Preis für Mobilität ist nicht nur ein Indikator für die Kosten der in Anspruch genommenen Mobilitätsleistung. Er kann auch ein gewisser Indikator für den zugemessenen Wert der entsprechenden Leistung sein. Überspitzt formuliert: Die derzeitige deutsche Verkehrspolitik impliziert wenigstens indirekt, das Angebot im ÖPNV wäre gerade mal 9-Euro für viele Passagiere wert. Die aktuellen Preise für angebotene, autonom fahrende Systeme würden auf eine rund tausendfach höhere Wertschätzung der ersten Nutzer selbstfahrender Autos hindeuten. Dabei ist es nicht unrealistisch, dass jene, die sich die modernen autonomen Autos leisten wollen, sich durchaus auch das 9-Euro-Ticket gönnen werden, was für die These für einer allgemeinen Ausdehnung der Mobilität sprechen würde.
E-Mobilität entzaubert Mythos des öffentlichen Verkehrs
Für manche gibt es derzeit den „guten Verkehr“ mit Bahn, Tram oder Bus und den „bösen Verkehr“ mit dem Auto. Die Einteilung in „gut“ und „böse“ scheint mitunter daran zu liegen, dass der öffentliche Verkehr als umweltfreundlich gilt, weil insbesondere der Bahnverkehr derzeit noch öfter elektrisch angetrieben wird als das Auto. Insofern verursacht er nicht an Ort und Stelle Umweltbelastungen. Allerdings wird Elektrizität nicht nur „gut“ erzeugt, sprich, relevante Teile der Elektrizitätserzeugung verursachen Umwelt- und Klimaschäden. Zudem verursacht der öffentliche Verkehr auch dann Umwelt- und Klimakosten, wenn beispielsweise die Bahn selbst Ökostrom nutzt. Denn würde dieser Strom nicht für Bahnfahrten verbraucht, könnte er für anderes genutzt werden, so dass dann besonders „böse“ Elektrizitätswerke vom Netz genommen werden könnten. So oder so: Aufgrund der zunehmenden Elektromobilität beim Automobilverkehr dürfte der Öko-Nimbus des öffentlichen Verkehrs bald verfliegen. Ob dann das Auto so beschönigt wird wie heute die Bahn, oder die Bahn so verteufelt wird wie heute das Auto, ist kaum voraussagbar.
Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass der öffentliche Verkehr pro Personenkilometer zwar weniger Klimaschäden als der fossil betriebene Automobilverkehr verursacht. Doch kann der öffentliche Verkehr oft nur zu hohen Kosten für die öffentlichen Kassen bereitgestellt werden. Dementsprechend verursacht er „Budgetschäden“, denn das Geld aus den öffentlichen Kassen, das in den öffentlichen Verkehr fließt, könnte auch für anderes verwendet werden oder direkt an die Bürger fließen. Diese „Budgetschäden“ schädigen die Allgemeinheit ähnlich wie Umwelt- oder Klimaschäden.
Oft wird behauptet, wenn mehr Passagiere auf den öffentlichen Verkehr wechselten und die Auslastung stiege, sänken seine Kosten und damit die Kosten für die öffentlichen Kassen pro Personenkilometer. Das ist unklar. Der öffentliche Verkehr hat an vielen Stellen Kapazitätsengpässe. Daher wachsen seine Kosten mit steigenden Passagierzahlen wenigstens teilweise mit. Darüber hinaus steigen die Systemrisiken und -instabilitäten, je dichter der Fahrplan wird. Zuletzt brächte ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs nicht notwendigerweise weniger, sondern eher mehr Autoverkehr. So führt beispielsweise ein Ausbau von S-Bahnen zu einer stärkeren Siedlungsentwicklung, wodurch auch der (Zubringer-)Autoverkehr mitwächst.
Mit Kostenwahrheit zum autonomen Automobilverkehr
Die Elektromobilität birgt ein bisher übersehenes, politisches Potential zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit des Autos. Derzeit zahlen die Fahrer von Verbrennungsmotoren durch das von der Energiesteuer erfasste Mineralöl indirekt an den Kosten des Straßenerhalts und -baus mit. Pro Liter Benzin fließen normalerweise 65.45 Cents plus 19% Mehrwertsteuer in die Staatskasse – derzeit nur 35.9 Cents pro Liter plus 19 % Mehrwertsteuer bis 31. August. Verdrängt die Elektromobilität den Verbrennungsmotor, schwinden diese Einnahmen.
Die Infrastrukturkosten für Straßen bleiben aber natürlich bestehen. Es liegt dann nahe, diese Kosten von jenen zurückzufordern, die die Straßen nutzen, so wie es derzeit implizit über die Energiesteuer der Fall ist. Nun macht es wenig Sinn, die neuen E-Autos mit einer Fahrzeugabgabe zu belegen. Die Straßenabnutzung ist von der Fahrtleistung des jeweiligen Nutzers abhängig. Ebenso wäre eine allgemeine Erhöhung der Stromsteuer nicht praktikabel, da Strom weiterhin für vieles andere als nur zum Autofahren verwendet wird. Eine Stromsteuer kann praktisch nicht zwischen Autos mit Elektroantrieb und anderen Geräten mit Elektroantrieb, beispielsweise einer Waschmaschine, unterscheiden. Trotzdem wird eine Finanzierung für die Infrastruktur benötigt werden.
Die Lösung des Finanzierungsproblems ist die Durchsetzung von Kostenwahrheit in Form des Verursacherprinzips mittels auslastungs- und gebrauchsabhängiger Kilometermaut, womit auch Staus wirkungsvoll reduziert würden. Eine solche Maut wird zwar bei vielen politischen Parteien und manchen Autofahrern zuerst massive Denkblockaden erzeugen. Doch wenn diese Blockaden erst gebrochen sind, eignet sich eine allgemeine Straßenmaut hervorragend zur Abgeltung aller durch das autonome E-Auto verursachten Kosten, wozu insbesondere nicht abgegoltene Unfallkosten zählen. Eine derartige Maut kann problemlos EU-konform ausgestaltet werden. Da ein Teil der Klima- und Umweltkosten beim E-Auto nicht anfällt, wäre eine Maut, die dem E-Auto alle von ihm verursachten Kosten anlastet, keinesfalls prohibitiv hoch.
Natürlich muss Kostenwahrheit dann nicht nur für das autonom fahrende E-Autos, sondern für jedes Verkehrsmittel gelten. Sobald Kostenwahrheit für das E-Auto gilt, gibt es keinen Grund mehr für die Subventionierung des öffentlichen Verkehrs. Ein nicht subventionierter, öffentlicher Verkehr würde zwar keine „Budgetschäden“ mehr produzieren, doch wäre er vermutlich in seiner heutigen Form gegenüber autonom fahrenden E-Autos nicht konkurrenzfähig. Insofern würde ich spekulieren, dass die DB dereinst Teile ihrer Schienentrassen als Autobahnen für den autonomen Verkehr mit E-Autos umnutzen wird. Sie wird dann zur DAB, der Deutschen Autobahn Betreiberin.
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