Kurz kommentiert
Warum Sanktionen Regime stabilisieren und Bomben sie entlarven – aber nicht stürzen

Viele autokratische Regierungen leben erstaunlich gut, stabil und vor allem lang mit westlichen Sanktionen – das belegen eindrucksvoll die Beispiele Fidel Castros in Kuba, des Kim-Clans in Nordkorea, Wladimir Putins in Russland oder der Mullahs im Iran. Mittlerweile glaubt kaum noch jemand ernsthaft, dass westliche Sanktionen solche Regime intern politisch schwächen können. Im Gegenteil: Sie stabilisieren und stärken sie sogar oft. Doch warum wirken Sanktionen derart paradox? Und zeigen militärische Angriffe, wie kürzlich im Iran geschehen, möglicherweise andere Effekte?

Sanktionen schaden der Wirtschaft, aber nützen dem Regime

Unstrittig ist, dass Sanktionen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes massiv beeinträchtigen können und die Bevölkerung stark belasten. Doch die sanktionierten Regime profitieren von dieser Situation aufgrund verschiedener Mechanismen.

Erstens führen Sanktionen zur Verknappung von Importgütern, wovon heimische Ersatzproduzenten profitieren, die häufig direkt dem Regime oder seiner Entourage gehören. Das Castro-Regime in Kuba und die Revolutionsgarden im Iran kontrollieren etwa große Teile der nationalen Produktion.

Zweitens ermöglicht die Güterknappheit dem Regime eine gezielte Rationierung. Wer die knappen Ressourcen kontrolliert, erzwingt Loyalität. Regimetreue Gruppen werden bevorzugt versorgt, während potenzielle Kritiker eher leer ausgehen.

Drittens profitieren Regime im Gegensatz zu privaten Unternehmern von der Umgehung der Sanktionen, da staatsnahe Kreise eher über die notwendigen Umgehungsstrukturen verfügen. Zwar verteuert sich der Handel, doch bleibt er für das Regime äußerst lukrativ, um Renten für sich zu generieren.

Viertens floriert unter Sanktionen der Schmuggel, dessen Gewinne meist dem Regime zufließen, weil es diesen mitkontrolliert – Serbien unter Miloševi? und der Irak unter Saddam Hussein bieten hier anschauliche Beispiele.

Fünftens reduzieren Sanktionen in der Regel Reisemöglichkeiten gewöhnlicher Bürger ins Ausland und erschweren den Zugang zu unabhängigen Informationsquellen. Das stärkt die staatliche Propaganda und verkompliziert zugleich die Flucht von Dissidenten.

Sechstens leiden auch oppositionelle Kräfte unter den Folgen der Sanktionen, weil ihnen finanzielle und logistische Mittel aus dem Ausland fehlen. Außerdem mangelt es dem Westen häufig an detaillierter Kenntnis darüber, welche Oppositionsgruppen wirklich unterstützt werden sollten.

Diese und andere Mechanismen erlauben es sanktionierten Regimen, ihre interne Macht auszubauen und erschweren zugleich den Widerstand der Bürger gegen sie erheblich. Die Bevölkerung reagiert mitunter sogar mit einem „rally around the flag“-Effekt auf Sanktionen, bei dem das Regime eher gestützt als kritisiert wird – auch aus rationaler Angst vor Repressionen.

Stabilisieren Bombardements auch das Regime?

Der Iran steht im Zentrum aktueller Diskussionen: Nach jüngsten israelischen Luftangriffen auf iranische Atomanlagen, die inzwischen von den USA unterstützt werden, stellt sich die Frage, ob diese militärische Aktion, für das iranische Regime stabilisierende Wirkungen zeigt wie Sanktionen.

Tatsächlich unterscheiden sich die Effekte deutlich. Die israelischen Luftangriffe offenbarten eindrucksvoll, was viele Iraner bereits ahnten: Die Verteidigungsfähigkeit des Landes ist begrenzt, trotz vermeintlich großer Ausgaben für das Militär und umfangreicher propagandistischer Selbstdarstellungen. Stattdessen wurden Ressourcen offenbar über Jahre und Jahrzehnte durch das Regime veruntreut. Die iranische Luftabwehr konnte den Luftangriffen kaum etwas entgegensetzen, und hochrangige Vertreter des Regimes wurden getötet, während die Zivilbevölkerung weitgehend verschont blieb.

Diese offensichtliche Schwäche stellt ein Narrativ des iranischen Mullah-Regimes infrage, wonach das Land militärisch stark und widerstandsfähig sei. Statt nationaler Stärke zeigt sich nun ungeschönt die Korruption und Misswirtschaft des Regimes, sogar in einem Bereich, in dem es vorgab, stark zu sein. Insofern können erfolgreiche und gezielte Bombardements ein Regime durchaus destabilisieren, indem sie ihm nahestehende Führungspersönlichkeiten ausschalten und das möglicherweise noch vorhandene Restvertrauen der Bevölkerung endgültig erschüttern.

Dennoch bleibt ein Volksaufstand im Iran eher unwahrscheinlich. Trotz der offenkundigen Schwäche des Regimes gegen moderne, westliche Armeen bleiben die Risiken für die Bevölkerung bei einem Aufstand hoch. Die sanktionsbedingte Verarmung der Bürger und das nun zu erwartende noch brutalere Vorgehen als in der Vergangenheit gegen mögliche interne Proteste erhöhen die Schwelle für ein Aufbegehren zusätzlich. Die iranischen Bürger wissen zudem aus Erfahrungen in anderen Ländern und aus ihrer Vergangenheit, dass auf den Sturz eines autokratischen Regimes selten eine halbwegs demokratische und halbwegs bürgerorientierte Regierung folgt, sondern meist ein neues autokratisches Regime, das dem alten stark ähnelt. Ein Umsturzversuch birgt darüber hinaus erhebliche Risiken eines Bürgerkriegs, wie unter anderem das Beispiel Libyen deutlich zeigt.

Während Sanktionen das Regime also eher stützen, offenbaren erfolgreiche militärische Aktionen gegen das Regime zumindest dessen Schwäche nach außen, Misswirtschaft und Korruption. Doch auch sie vermögen wenig an der festgefahrenen politischen Realität zu ändern: Das Regime wankt vielleicht, fällt aber nicht, solange die Bürger es nicht stürzen – ein Schritt, der mit hohen Risiken verbunden ist.

Blog-Beiträge zum Thema:

Reiner Eichenberger (UNIFR) und David Stadelmann (UBT): Wie Sanktionen sanktionierte Regime stärken können

Norbert Berthold (JMU): Die Politik wirtschaftlicher Sanktionen. Ökonomisch kostspielig, politisch ineffizient?

Podcasts zum Thema:

Energie-Sanktionen. Schlechter als ihr Ruf?

Prof. Dr. Norbert Berthold (JMU) im Gespräch mit Prof. Dr. Marcel Thum (TU Dresden und Ifo Dresden)

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