Immobilien sind standortgebunden, und lokale Märkte werden häufig auch durch lokale Marktakteure geprägt. Verführt durch diese Binsenweisheit unterschätzen viele Immobilieninvestoren die Bedeutung internationaler Immobilienmarktdynamiken. Da die Immobiliennachfrage jedoch maßgeblich durch gesamtwirtschaftliche Faktoren, wie Einkommensentwicklung, Zinsentwicklung sowie durch demografische Aspekte bestimmt wird – und weil eben diese Faktoren aufgrund enger wirtschaftlicher und finanzwirtschaftlicher Austauschbeziehungen sowie dank intensiver internationaler Politikkoordination gerade zwischen Industriestaaten zahlreichen internationalen Wechsel- und Verstärkungswirkungen unterliegen – ist es auch für nationale Wohnungsmarktakteure wichtig, die Entwicklungen in anderen Ländern im Blick zu behalten.
Der IMF wies in seinem World Economic Outlook vom September 2004 (IMF, 2004) darauf hin, dass dieser Gleichlauf der internationalen Wohnungsmärkte seit den 1990er-Jahren zugenommen hat. In einem Bericht von 2018 bekräftigte der IMF dies und zeigte zudem, dass dieser Gleichlauf natürlich nicht nur auf nationaler, sondern gerade auch auf Stadtebene nachweisbar ist; die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 hat insbesondere für die Industrieländer zu keiner dauerhaften Unterbrechung dieses Trends zu stärkerer Korrelation der internationalen Wohnungspreise geführt (IMF, 2018). Und auch diese Studie zeigte, dass diese Verbundenheit eine realwirtschaftliche, eine finanzwirtschaftliche und eine behavioristische Erwartungskomponente hat. Auch wenn dies in der Analyse des IMF nicht explizit berücksichtigt wird, gilt, dass alle drei Transmissionskanäle zusätzlich andere nationale Bestimmungsfaktoren der Wohnungsmärkte wie die Angebotsentwicklung oder die nationale Wohnungspolitik beeinflussen können.
Diese Verflochtenheit ist nicht zuletzt deswegen beachtenswert, weil u. a. Claessens et al. (2008) zeigen, dass die Kosten einer Rezession dann besonders schwer wiegen, wenn diese ihren Ausgang auf Wohnungsmärkten nahm – sogar stärker als nach einer Rezession, die durch einen Finanzmarktschock ausgelöst wurde. Wohnimmobilien sind für viele private Haushalte der mit Abstand größte Teil ihrer Vermögen, ein Rückgang dieser Vermögensposition führt zu deutlichen Einschränkungen im Privaten Konsum und führte aufgrund der Finanzierungsintensität in der Vergangenheit häufig zu Problemen im Bankensektor
Insofern könnte die aktuelle Abkühlung auf den deutschen Wohnungsmärkten dann sogar beschleunigt werden, wenn diese durch weitere internationale Wechselwirkungen akzentuiert würde, sprich, wenn die Wohnungspreise in mehreren Ländern gleichzeitig sinken würden. Genau hierfür mehren sich die Anzeichen, denn die Zinswende wurde nicht nur in Deutschland eingeläutet und erschwert nun die Immobilienfinanzierung für Privatpersonen sowie institutionelle Anleger.
Werfen wir einen Blick auf die Wohnungsmarktentwicklung in OECD-Ländern: In einem Hauspreisdatensample für 19 Industriestaaten lag der mittlere Anstieg der Wohnungspreise bei rd. 66 % seit dem jeweils letzten Tiefpunkt. Damit stiegen die Wohnungspreise zuletzt in etwa so stark wie im Zeitraum von 2000 bis zu dem jeweiligen Höchstwert, der in den Ländern zwischen 2006 und 2010 erreicht wurde. In allen berücksichtigten Ländern stiegen zudem die Preise (zum Teil deutlich) stärker als die Einkommen und auch schneller als die Wohnungsmieten. In einigen Ländern (z. B. Kanada, Australien, Neuseeland) sind aktuell tatsächlich erste Preisrückgänge zu beobachten. In den USA hat sich der Preisanstieg verlangsamt, doch wichtige Frühindikatoren wie die Zahl der Hausverkäufe deuten auch für die USA Preisrückgänge für die nächsten Quartale an. Sowohl für bestehende als auch für neue Wohnimmobilien nimmt die Zahl der Verkäufe seit Monaten zweistellig ab. Besonders stark ist dies für das erschwingliche Wohnsegment ausgeprägt (Abbildung 1). Die Verschiebung zwischen den einzelnen Preiskategorien in Abbildung 1 illustriert zudem, wie stark der Preisanstieg in den USA seit 2010 erschwingliches Wohnen erschwert hat. Aufgrund der Größe der US-amerikanischen Volkswirtschaft kommt dieser Dynamik die auch für Deutschland größte Bedeutung zu.
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Das Berücksichtigen internationaler Entwicklung ist in Deutschland ungewohnt, galten die deutschen Wohnungsmärkte doch Mitte der 2000er-Jahre noch international als „seltsamer Ausreißer“, weil die Preise sich der weltweiten Aufwärtsdynamik weitgehend entzogen hatten. Und tatsächlich erlebte Deutschland im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise keinen Wohnungsmarktschock; das Gegenteil war der Fall, die Preise begannen erst im Anschluss an die Krise dank der gesunkenen Zinsen ihre Aufwärtsrallye. Der IMF (2004) zeigte, dass damals nur Dänemark und Italien ähnlich niedrige Korrelationen zwischen den jeweils heimischen und den Wohnungsmärkten anderer Länder aufwiesen. Häufig wurde damals argumentiert, diese Sonderrolle läge an der spezifisch deutschen Regulierung und der langfristig ausgerichteten, vorsichtigen Finanzierung, und dass dies die deutschen Wohnungsmärkte auch in Zukunft vor heftigen Preiskorrekturen schützen würden. Dies ist nicht falsch, denn natürlich kann zurückhaltende Fremdkapitalvergabe einen Sicherheitspuffer für die Wohnungsinvestoren bedeuten, und dies gilt auch heute.
Doch in den folgenden anderthalb Jahrzehnten hat sich die einstige deutsche Sonderrolle in ein „preisliches Mitläufertum“ gewandelt. Die Wohnungspreise in Deutschland stiegen seit der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht nur kräftig an, sie taten dies zunehmend im Gleichlauf mit dem Geschehen in anderen Ländern: Die Korrelation zwischen den Wohnungspreisen in Deutschland und der Entwicklung in anderen Ländern nahm seitdem spürbar zu (Abbildung 2).
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Abbildung 2 illustriert freilich auch mit den dünn eingetragenen Linien der Korrelationen der Wohnungspreisentwicklung in Deutschland zu den 19 Einzelländern, dass dieser stärkere Gleichlauf ein Mittelwert ist und dass hiermit noch nicht das Ende internationaler Diversifikationsmöglichkeiten ausgerufen wurde.
Nun ist Korrelation keine Kausalität, und dies gilt auch für die Beziehungen auf den Wohnungsmärkten. Doch gerade weil es starke Gründe für die Verflechtung der Bestimmungsfaktoren für nationale Wohnungspreisentwicklung gibt, spricht vieles dafür, dass sich die deutschen Wohnungsmärkte einer weltweiten Wohnungsmarktrezession nicht so einfach entziehen könnten, wie sie dies vor 14 Jahren konnten. Und dies würde in einer zweiten Runde zusätzlichen Stress für die Finanzstabilität und damit auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bedeuten. Und umgekehrt, je heftiger eine mögliche gesamtwirtschaftliche Rezession ausfällt, desto stärker werden auch die Verwerfungen auf den Wohnungsmärkten sein. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil es gerade die größeren Volkswirtschaften sind (USA, Frankreich, UK, Italien, Niederlande), für die die Korrelation in den letzten Jahren stark angestiegen war. Belastend dürfte zusätzlich für die nächsten Quartale hinzukommen, dass auch die chinesischen Wohnungsmärkte vor erheblichen Anpassungslasten stehen, und dies wird die inländische Nachfrage Chinas beeinträchtigen. Der Anteil, den staatliche Unternehmen beim Erwerb von Grundstücken spielen, ist innerhalb eines Jahres um 20%-Punkte gestiegen, v.a. weil die privaten Entwickler nur noch wenig Spielraum für neue Grundstückskäufe haben.
Immerhin gibt es drei wichtige, stabilisierende Wohnungsmarktfaktoren, die in der näheren Zukunft den Abschwung an den Wohnungsmärkten dämpfen werden: Erstens wurde in vielen Ländern deutlich weniger spekulativ gebaut als vor der Finanz- und Wirtschaftskrise. Zweitens hat die Phase sehr niedriger Zinsen ermöglicht, dass sich die finanzielle Situation gerade für Immobilienkäufer verbessert hat: Die Quote der Zahlungsausfälle ist beispielsweise in den USA oder in Deutschland auch aktuell noch auf einem historisch sehr niedrigen Niveau. Drittens achten die Regulierungsbehörden aufgrund der Erfahrungen während der Finanz- und Wirtschaftskrise sehr viel genauer auf Veränderungen in den Kreditbüchern der Banken. Eine Abkühlung an vielen Wohnungsmärkten ist sehr wahrscheinlich, eine dadurch ausgelöste Finanzkrise noch nicht.
Quellen:
Claessens, S., Kose, A., Terrones, M.E. (2008). What Happens During Recessions, Crunches and Busts? IMF Working Paper 08/274, December 2008.
https://www.imf.org/external/pubs/ft/wp/2008/wp08274.pdf
International Monetary Fund, IMF (2004). Three Current Policy Issues. World Economic Outlook September 2004, Chapter II, S. 71-88,
https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2016/12/31/The-Global-Demographic-Transition
International Monetary Fund, IMF (2018). House Price Synchronization: What Role for Financial Factors? Global Financial Stability Report 2018, Chapter 3.
https://www.imf.org/en/Publications/GFSR/Issues/2018/04/02/Global-Financial-Stability-Report-April-2018
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