Gastbeitrag
Resilienz der Finanzpolitik stärken!

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat neben unermesslichem Leid für die Betroffenen auch zu einem massiven Anstieg der Energiepreise geführt. Die EZB hat darauf mit steigenden Zinsen reagiert, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Die Finanzpolitik steckt in dem Dilemma, betroffene Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu unterstützen, ohne gleichzeitig die Inflation weiter anzuheizen. Hilfsmaßnahmen sollten daher möglichst zielgerichtet auf Bedürftige ausgestaltet sein. Mittelfristig wird die öffentliche Hand angesichts notwendiger Investitionen in die grüne und digitale Transformation, der Auswirkungen des demografischen Wandels und der beträchtlichen Zins- und Tilgungsverpflichtungen der neu aufgenommenen Kredite unter Druck kommen. Daher sollten öffentlich Ausgaben priorisiert, Effizienzreserven staatlichen Handelns gehoben und die sozialen Sicherungssysteme reformiert werden. An der Schuldenbremse sollte festgehalten werden.

Die Vielzahl der globalen Krisen (Krieg in der Ukraine, Corona-Pandemie, gestörte Lieferketten, drohender Energiemangel) geht einher mit einem lange nicht mehr gekannten Anstieg der Inflationsrate auf zweistellige Werte. Dies hat die deutsche und europäische Volkswirtschaft besonders hart in einer Phase getroffen, in der die Corona-bedingten Produktionsrückgänge gerade halbwegs überwunden waren und sich ein Aufschwung anbahnte. Das Wachstum entwickelte sich deutlich schwächer als zu Beginn des Jahres erwartet, und für den Winter wird mit einer leichten Rezession gerechnet. Um eine längere Phase von Inflation und Rezession zu vermeiden, gilt es kurzfristig vor allem, das Angebot an Energie zu erhöhen und Energie einzusparen. Investitionen in Energieinfrastruktur sollten dabei möglichst die grüne und digitale Transformation unterstützen.

Während die EZB wiederholt die Zinsen erhöht hat, um die Inflation zu bekämpfen, befindet sich die Finanzpolitik in einem Dilemma. Denn einerseits ist die grundsätzliche Notwendigkeit von Hilfeleistungen unbestritten: Explodierende Energiepreise treffen Privathaushalte ebenso wie kleine und mittelständische Unternehmen häufig unvorbereitet, da die finanziellen Spielräume Corona-bedingt eingeschränkt sind. Auch große, energieintensive Unternehmen kämpfen damit, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt zu erhalten. Andererseits kann die Finanzpolitik den inflationsbedingten Wohlstandsverlust nicht vollständig ausgleichen, sondern lediglich abfedern und sollte den restriktiven geldpolitischen Kurs der EZB nicht konterkarieren. Denn eine expansive Fiskalpolitik würde die Inflation weiter anheizen und die Situation verschärfen. Unterstützungsleistungen sollten daher sehr zielgerichtet auf besonders betroffene Haushalte und Unternehmen ausgerichtet werden. Mangelnde Daten und fehlende institutionelle Voraussetzungen haben dazu geführt, dass die Bundesregierung z. T. auf pauschale und damit weniger zielgenaue Lösungen zurückgreifen musste.

Um die umfangreichen Entlastungsmaßnahmen zu finanzieren, ohne 2023 erneut die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse zu nutzen, hat die Bundesregierung ein Sondervermögen im Umfang von bis zu 200 Mrd. Euro geschaffen, aus dem insbesondere die Gas- und die Strompreisbremse finanziert werden sollen. Zusammen mit bestehenden Rücklagen im Kernhaushalt, im Klima- und Transformationsfonds sowie im Bundeswehr-Sondervermögen können in den nächsten Jahren notwendige Entlastungsmaßnahmen und Investitionen getätigt werden. Neben den akuten Krisenmaßnahmen geht es dabei insbesondere darum, die Grundlage dafür zu schaffen, den Wechsel von fossilen hin zu erneuerbaren Energieträgern weiter voranzutreiben. Der Ausbau „smarter“ Netze kann darüber hinaus dazu beitragen, einen Digitalisierungsschub für die deutsche Volkswirtschaft zu leisten. Die umfassenden Investitionen für die grüne und digitale Transformation laufen jedoch angesichts weiter bestehender Lieferengpässe und eines zunehmenden Mangels an Fachkräften Gefahr, die Inflation weiter anzuheizen. Auch die Handlungsfähigkeit des Staates selbst kann in Zukunft durch den Fachkräftemangel leiden. Daher ist es notwendig, das Arbeitskräftepotenzial in Deutschland zu erhöhen.

Auch wenn die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in Deutschland mittelfristig nicht in Gefahr ist, werden die finanzpolitischen Handlungsspielräume in Zukunft enger. Die demografische Entwicklung wird sich doppelt negativ für die öffentlichen Finanzen auswirken: So steigen durch die Alterung bei ausbleibenden Reformen die staatlichen Zuschüsse an die sozialen Sicherungssysteme. Gleichzeitig sinkt die Wachstumsdynamik, wenn der Fachkräftemangel nicht behoben wird, so dass mit geringer steigenden Steuereinnahmen zu rechnen ist. Und zudem dürften die Zinsausgaben vorerst wieder zulegen.

Somit dürfte der politische Druck bestehen bleiben, die Schuldenbremse zu ändern oder ganz abzuschaffen. Auch auf EU-Ebene hat die Diskussion um eine Reform der Fiskalregeln begonnen. Eine Begrenzung der Verschuldungsmöglichkeiten des Staates bleibt jedoch wichtig, um für nachhaltige Staatsfinanzen zu sorgen. Da zudem noch bestehende Sondervermögen und Rücklagen für zusätzliche Verschuldung bereitstehen, sollte der Kernhaushalt zur Schuldenbremse zurückkehren.

Die deutsche Schuldenbremse hat sich in den vergangenen Krisenjahren ausreichend flexibel gezeigt. Um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen auch in Zukunft zu sichern, sollten Ausgaben priorisiert werden und Reformen der sozialen Sicherungssysteme erfolgen. Zudem sollten durch eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung Effizienzreserven gehoben werden. Auf diese Weise kann die Resilienz der öffentlichen Haushalte gestärkt werden, so dass sie auch für künftige Krisen gewappnet sind.

Hinweis: Dieser Policy Brief entstand auf Grundlage des ECONWATCH-Meetings „Perspektiven der Finanzpolitik: Zwischen Krisenbewältigung und Resilienz“ mit Prof. Dr. Jens Boysen-Hogrefe (CAU Kiel und Kiel Institut für Weltwirtschaft).

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