Gastbeitrag
Brückenstrompreis
Neue Subventionen für die energieintensive Industrie?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat mit dem Vorschlag eines „mittelfristigen Brückenstrompreises“ für energieintensive Unternehmen eine intensive Diskussion entfacht.

Nach den Vorstellungen des BMWK soll eine neue Subvention verhindern, dass ein hoher Börsenstrompreis auf den Strompreis energieintensiver Unternehmen durchschlägt: Insoweit der durchschnittliche Börsenpreis eines Jahres jenseits von 6 Cent pro Kilowattstunde (KWh) liegt, würden Subventionen für eine entsprechende Ex-post-Entschädigung der Unternehmen sorgen. Dies birgt die Gefahr einer verstärkten Stromnachfrage und, damit verbunden, zusätzlicher CO2-Emissionen. Daher soll nicht der tatsächliche Stromverbrauch subventioniert werden, sondern nur ein Benchmark-Verbrauch, der für die entsprechende Industriesparte als Ganzes berechnet würde.

Das BMWK wollte anfangs nicht ausgenutzte Kreditermächtigungen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) nutzen, die für die Bewältigung der Corona-Krise nicht ausgeschöpft wurden. Eine solche Unterauslastung schafft politische Begehrlichkeiten. 60 Mrd. Euro wurden aus diesem Fonds bereits für Klimaprojekte umgewidmet. Eine zusätzliche Nutzung des WSF für den Brückenstrompreis hätte Subventionen auf Kredit für einen sachfremden Zweck impliziert.

Laut Handelsblatt wird inzwischen vom BMWK mit einer Finanzierung über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) argumentiert, der insbesondere aus der CO2-Bepreisung (Zertifikatehandel) gespeist wird. Damit unterbleibt zwar das Subventionieren auf Kosten zusätzlicher Staatsschulden. Opportunitätskosten blieben gleichwohl: Der KTF soll insbesondere Investitionen in die Dekarbonisierung finanzieren. Neue Subventionen stünden dazu in Konkurrenz. Auch ein Klimageld für VerbraucherInnen, wie es z.B. die Schweiz und Österreich eingeführt haben, um die Kosten der Energiewende für die KonsumentInnen zu flankieren, würde schwieriger. Auch dafür ist der KTF vorgesehen.

Dabei ist es nicht so, dass nicht schon Kompensationen gezahlt würden: Bestimmte stromintensive Unternehmen können z.B. die sogenannte Strompreiskompensation erhalten. Sie soll jene Erhöhungen des Strompreises abfedern, die durch den CO2-Handel und die damit verbundene Bepreisung des CO2-Ausstosses resultieren. Grundlage sind Leitlinien der EU-Kommission, die den Mitgliedsstaaten solche Beihilfen erlauben. Deutschland stellt für das Jahr 2024 z.B. 2,6 Mrd. Euro bereit. Überraschenderweise ist von dieser bereits existierenden Strompreiskompensation in der Diskussion um das neue Instrument Brückenstrom kaum die Rede.

Die Kosten der Stromproduzenten aufgrund des CO2-Handels sind stark gestiegen. Lange Jahre lag der europäische CO2-Preis für die Emission einer Tonne CO2 unter 20 Euro. Zuletzt waren es sogar in der Spitze bis zu 100 Euro. Dagegen hat sich der für den europäischen Strompreis wichtige Erdgaspreis nach dem Schock der Jahre 2021 und 2022 wieder weitgehend normalisiert.

Bei einem Gaskraftwerk mit einem CO2-Ausstoss von 500 Gramm pro KWh und einem CO2-Preis von 90 Euro entstehen 4,5 Cent/kWh an CO2-Kosten. Für den realistischen Fall, dass ein solches Kraftwerk das marginale, preisbildende Kraftwerk ist, wird in dieser Größenordnung der Börsenstrompreis erhöht. Heizt das marginale Kraftwerk mit Kohle, sind die Effekte sogar noch größer, weil pro KWh noch mehr CO2 emittiert wird. Wichtig ist zu wissen: Obwohl im Schnitt schon mehr als 50 Prozent des deutschen Stroms aus Erneuerbaren stammt, sind für die Preisbildung überwiegend noch die fossilen Kraftwerke relevant.

Anders als von manchen PolitikerInnen suggeriert: Der Erdgaspreisschock ist nicht mehr der Hauptgrund hoher Strompreise, sondern der CO2-Preis. Die Strompreiskompensation ist ein dafür vorgesehenes, europäisch abgestimmtes Instrument. Anders als der geplante Brückenstrompreis konzentriert sich dieses Instrument auf wenige, stark im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen, für die der Strompreis hohe Relevanz hat. Dies führte dazu, dass im Jahr 2022 insgesamt eine überschaubare Zahl von 341 deutschen Unternehmen kompensiert wurde. Demgegenüber sähen die Pläne des BMWK eher 9000 begünstigte Unternehmen vor. Viele davon, wie etwa lokale Straßenbahnbetriebe, stehen nicht im internationalen Wettbewerb, würden aber trotzdem bedacht.

Hinweis: Der Beitrag erscheint in modifizierter Form als Leitartikel in der Fachzeitschrift WiSt.

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Alfons Weichenrieder
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