Wie heißt es zuweilen im Alltag, wenn die Schnäppchen ausverkauft sind: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ oder auch „Den Letzten beißen die Hunde“. An solche praktischen Lebensweisheiten werden frustrierte erfolglose Antragsteller für das KfW-Programm 442 „Solarstrom für Elektrofahrzeuge“ gedacht haben, wenn sie nach erfolglosen Anmeldversuchen und Problemen mit einer total überlasteten Website der KfW am Ende dann doch zu kurz gekommen sind. So trauert z.B. ein Redakteur der Rheinischen Post dem entglittenen Zuschuss nach und sinniert: „Schade, wir wären so gerne Teil der Energiewende gewesen“ [ https://rp-online.de/nrw/staedte/hilden/kfw-stoppt-solarstrom-foerderprogramm-waeren-gerne-teil-der-energiewende-gewesen_aid-98453479 ]
Schade ist das wirklich für zehntausende Interessenten, die sich aus dem üppigen Subventionstopf des Bundesverkehrsministeriums bedienen wollten, aber nicht zum Zuge kamen. Niemand kann aktuell genau sagen, wie viele Anträge tatsächlich gestellt wurden, bzw. wie viele Haushalte einen Antrag stellen wollten. Es ist lediglich davon die Rede, dass das Portal von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr über 190.000 Besucher gehabt hätte und sich fast 66.000 Nutzer registriert hätten. Tatsächlich bewilligte die KfW rd. 33.000 Anträge, da von der ursprünglich genannten Fördersumme von 500 Mio. Euro in diesem Jahr nur 300 Mio. zur Verfügung standen. Im nächsten Jahr wird es dann vielleicht ein ähnliches Windhundrennen um die restlichen 200 Mio. geben, bei dem die Antragsteller mit der schnellsten Internetverbindung die Nase vorn haben.
Dysfunktionales Subventionsprogramm
Das Programm „Solarstrom für Elektroautos“ zeigt in all seinen Facetten Dysfunktionalitäten, mit denen es wunderbar in den Rahmen der aktuellen Energie- und Klimapolitik in Deutschland passt. Der eigentlich für Photovoltaikanlagen nicht zuständige Bundesverkehrsminister wird zwar nicht müde, sein Programm über den grünen Klee zu loben: „Dass ein doch recht anspruchsvoll kombiniertes Programm eine so starke Nachfrage findet, das zeigt, dass es offensichtlich richtig konzipiert ist“, sagte Wissing den Sendern RTL und ntv. Langsam scheint aber auch die mediale Öffentlichkeit zu merken, dass KfW 442 nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Völlig klar: Freibier macht durstig, und wer eine Förderung von mehr als einem Drittel der Anschaffungskosten eines Solarprojektes ins Schaufenster stellt, kann sich zwangsläufig vor Interessenten kaum retten.
Die Förderrichtlinie „Solarstrom für Elektroautos“ des Bundesverkehrsministeriums (BMDV) verspricht förderberechtigten Privatpersonen Zuschüsse von nochmals bis zu 10.200 Euro, wenn sie
– Eigentümer eines selbstgenutzten Wohngebäudes in Deutschland sind;
– ein Elektroauto (rein batterieelektrisch, kein Hybrid) besitzen oder verbindlich bestellt haben und
– eine Photovoltaikanlage mit mindestens 5kWp Spitzenleistung,
– einen Solarstromspeicher mit 5 kWh Kapazität und
– eine nicht öffentlich zugängliche Ladestation mit mindestens 11 kW Ladeleistung fabrikneu anschaffen.
Gefördert wird:
– die Photovoltaikanlage selbst mit 600 Euro pro kWp und maximal 6.000 Euro
– der Solarstromspeicher mit 250 Euro pro kWh Speicherkapazität (maximal 3.000 Euro)
– und die Ladestation mit 600 Euro pauschal.
Ladestationen, die bidirektionales Laden ermöglichen, werden zusätzlich mit einem Innovationsbonus von 600 Euro begünstigt.
Das klingt zunächst einmal kompliziert, ist am Ende aber einfach. Für eine private Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 12 kWp und einem 5,5 kWh-Speicher plus geeigneter Wallbox, die am Markt in der Größenordnung von schätzungsweise netto 30.000 Euro angeboten wird, bedeutet der Zuschlag einen Zuschuss in Höhe von rund einem Drittel. Im Hinterkopf haben muss man dabei allerdings, der Ausbau der Photovoltaik auf privaten Dächern in diesem Jahr bereits deutlich Fahrt aufgenommen hat – nicht zuletzt aufgrund der zusätzlichen Incentivierung durch die Anpassung der steuerlichen Rahmenbedingungen. So sind Solaranlagen und Stromspeicher in Privathäusern ab 2023 in den meisten Fällen von sämtlichen Steuern befreit. Für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage und des dazugehörigen Stromspeichers fällt in den für ein Einfamilienhaus relevanten Größenordnungen heute keine Umsatzsteuer mehr an. Kleinere Anlagen (unter 30 kWp) unterliegen zudem grundsätzlich nicht mehr der Einkommensteuer, was den Eigenverbrauch sowie den Verkauf des nicht selbst genutzten Stroms angeht. Allein bei der Umsatzsteuer errechnet sich bereits eine staatliche Subvention von 5.700 Euro für eine Anlage, die netto 30.000 Euro kostet. Angesichts der hohen Marktnachfrage, die für Photovoltaikkunden aktuell zu Lieferzeiten von bis zu 9 Monaten führt, landet ein Teil der erlassenen Umsatzsteuer selbstverständlich in den Kassen der Solarfirmen in der Wertschöpfungskette – bis hin nach China. Die Marktbedingungen machen möglich, was die mikroökonomische Steuerüberwälzungstheorie nahelegt.
Zusätzliche Nachfrage trotz Solarboom
Ein handfester Boom wird also mit bis zu 500 Mio. Euro noch einmal künstlich befeuert. 500 Mio. Euro sind im Subventionswunderland Deutschland mittlerweile wohl eher die berühmten „Peanuts“. 10 Milliarden für das Intel-Werk in Magdeburg, 2 Mrd. für CO2-freien Stahl bei Thyssen-Krupp und evtl. 30 Mrd. für das süße Gift des Industriestrompreises – wenn es denn reicht – markieren die Größenordnung, in der gerade ausgeteilt wird. Bei der Energie und Verkehrswende geht es anscheinend ohne gigantische Subventionen nicht voran. Der Kauf von (meist) elektrisch betriebenen Pkw wurde seit 2016 bereits mit mehr als 8,5 Mrd. aus öffentlichen Mitteln subventioniert. Hinzu kommen hohe Beträge für die Steuerbefreiungen (Kfz-Steuer und Dienstwagenbesteuerung). Die Subventionen für den Ausbau von Windkraftanlagen und Photovoltaik über die EEG-Umlage beliefen sich vom Jahr 2000 bis 2021 sogar auf rd. 200 Mrd. Euro und werden in den nächsten 2 Dekaden weitere dreistellige Milliardenbeträge verschlingen.
Angesichts dieser schwindelerregenden Größenordnungen kann man argumentieren, dass die 500 Mio. Euro Subvention von Herrn Wissing für KfW 442 als „lässliche Sünde“ durchgehen. Wir sollten uns aber nicht daran gewöhnen, dass Steuergelder verschwendet oder ineffizient eingesetzt werden. Letztlich macht Wissing mit diesem Programm nämlich Klientelpolitik, die Erinnerungen an die berühmt-berüchtigte FDP-Hotelsteuer aufkommen lässt. „Solarstrom für Elektroautos“ weist aber nicht nur eine sozialpolitische Schlagseite auf, sondern bleibt auch aus klimapolitischer Sicht eine Luftnummer. Zudem zeigt das Design der Umsetzung den völligen Dilettantismus unserer Politik. Beginnen wir mit dem letzteren: Von Anfang an sollte allen klar gewesen sein, dass das Programm nur für insgesamt rund 55.000 Antragsteller reichen konnte. Hierfür reicht Volksschule Sauerland, wie Franz Müntefering es seinerzeit so treffend formuliert hat. Mit einem Blick in die Zahlen zum Gebäudebestand und auf die aktuellen Marktentwicklungen im Photovoltaikmarkt und den Strommärkten sollte zudem jedem verständigen Zeitgenossen vorher klar gewesen sein, dass angesichts der angelegten „Überförderung“ bei der Vergabe ein dysfunktionales Windhundrennen stattfinden wird. Man hätte den Zuschlag auch gleich verlosen können, wie es Stefan Gelbhaar von den Grünen vorgeschlagen hat. Er scheint ein ebenso versierter Experte für Marktdesign zu sein wie die Beamten im BMDV oder deren externe Berater, ohne die es sicher nicht ging.
Mitnahmeeffekte statt zielgenauer Förderung
Für Einfamilienhausbesitzer, die bereits ein aus Steuermitteln mit mehreren Tausend Euro subventioniertes batterieelektrisches Auto fahren oder bestellt haben – letzteres stärkt wiederum die Zulassungszahlen von Elektroautos, die in Zukunft absehbar eher schwächeln werden – stellt die Anschaffung einer Photovoltaikanlage mit Speicher auch ohne 10.000 Euro Zuschuss häufig eine sinnvolle Investitionen dar. Sie sehen darin eine Wertsteigerung ihrer Immobilie und eine Absicherung gegen steigende Strompreise. Vielleicht wollen sie auch bewusst Teil der Energiewende werden. Ein Großteil der Antragsteller dürfte auch ohne so viel Geld aus öffentlichen Kassen in der Lage gewesen sein, sich eine solche Anlage anzuschaffen, was der Run auf das Programm nicht widerlegt, sondern umgekehrt sogar bestätigt. Die massiven Mitnahmeeffekte bedeuten eine Verschwendung von Steuergeldern. Bei „Solarstrom für Elektroautos“ kommen Fördergelder leider nicht dort an, wo sie am dringendsten benötigt werden oder den größten Nutzen bringen.
Eine derart üppige Subvention so selektiv auf eine gesellschaftliche Gruppe auszurichten, zeugt zudem von mangelndem Spürsinn für gesellschaftliche Strukturen, verschärft soziale Spannungen in Deutschland („die Reichen bekommen es in den Rachen geschoben“) und schafft auch bei den Betroffenen Unmut, da es ja nur 33.000 geschafft haben und maximal 55.000 schaffen werden, in diesem bürokratischen Windhundrennen vorne zu sein. Wer nicht zum Zuge gekommen ist, wendet sich frustriert ab. Wieder andere ballen die Faust in der Tasche, weil sie ihre Anlage gerade vor vier Wochen bestellt haben.
Überschaubare Klimaschutzeffekte
Zudem sind die Effekte aus Klimaschutzperspektive überschaubar. Das BMDV nennt in seiner Förderrichtlinie ein Einsparpotenzial von 2,6 Mio. Tonnen CO2, wobei diese Zahl einfach so im Raum steht.
Unterstellen wir für eine Plausibilitätsbetrachtung eine realistische jährliche Erzeugung von 10.000 kWh je Anlage, ergibt sich bei den durchschnittlichen CO2-Emissionen der Stromerzeugung in Deutschland (0,434 kg je kWh laut Umweltbundesamt) für 55.000 Haushalte ein jährliches Reduktionspotenzial von rd. 240.000 t CO2, ungeachtet der Tatsache, dass die Emissionen des Energiesektors ja wirksam durch den europäischen Emissionshandel begrenzt werden.
Nähert man sich dem Problem von der Seite der Pkw und überschlägt zur Einordung die jährlichen Emissionen von 55.000 Verbrennerfahrzeigen bei einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung von 13.000 km und einem Kraftstoffverbrauch von 7 l, lassen sich jährliche Emissionen von rd. 125.000 t CO2 ermitteln. Wären die Emissionen der Produktion und Installation der Anlagen sowie der CO2-Rucksack der Elektroautos vernachlässigbar, reden wir also über ein jährliches Einsparpotenzial von 125.000 t CO2, wenn Verbrennerfahrzeuge vollständig ersetzt werden. Tatsächlich wird aber die Nutzung von Elektroautos vorausgesetzt. Die genannte Zahl von 2,6 Mio. t CO2 stellt in jedem Fall eine geschätzte kumulierte Einsparung über eine geschätzte Lebensdauer der Anlagen dar, wird aber als Einsparung vom BMDV den jährlichen Emissionen des Verkehrssektors (147,6 Mio. t in 2021) gegenübergestellt, um die Relevanz zu betonen. Das ist zumindest Augenwischerei.
Selbstverständlich ist es sinnvoll, das eigene Elektroauto mit selbst erzeugtem Solarstrom statt mit dem aktuellen Strommix des deutschen Netzes zu laden (auch wenn uns nachts die französischen AKW helfen und die Emissionsfaktoren absenken), doch sind die Emissionsminderungen bei 55.000 Elektroautos im gesamtwirtschaftlichen Kontext völlig irrelevant, wie die Kontrollrechnung zeigt. Es ist zudem fraglich, ob die Netzstabilität durch diese Maßnahme spürbar verbessert wird, da völlig offen ist, wie viele Anwender sich am Ende für das bidirektionale Laden entschieden haben oder dieses tatsächlich nutzen werden. Außerdem hängt es von der gewählten Größe der immer noch relative teuren Speicher ab, ob ausreichend Strom zur Verfügung steht, um am Abend oder in der Nacht die Fahrzeugbatterie zu laden, wenn der Strom auch im Haushalt gebraucht wird. Im Winterhalbjahr dürfte das Ganze ohnehin eine Chimäre bleiben.
Mikrosteuerung für die „Wendeprojekte“
„Solarstrom für Elektrofahrzeuge“ ist insgesamt ein schönes Beispiel dafür, wie mit Mikrosteuerung nicht nur über Regulierung (siehe das Gebäudeenergiegesetz), sondern auch mit viel Geld und Bürokratie in die Entscheidungen der Bürger eingegriffen wird, um Erfolgsmeldungen bei den diversen „Wendeprojekten“ zu generieren. 55.000 neue Ladepunkte und eine entsprechende Photovoltaikkapazität werden flugs mit 500 Mio. Euro herbeisubventioniert, wobei das Geld bei den (in der Regel) steuerzahlenden Einfamilienhausbesitzern am Ende nur von der rechten in die linke Tasche umgeschichtet wird.
Wenn man der Elektromobilität zusätzlich noch etwas Gutes tun wollte, wäre es sicher besser gewesen, mit dem Geld den generellen Ausbau der Ladeinfrastruktur zu fördern. Aus polit-ökonomischer Sicht schien es aber sehr viel intelligenter, wenn der FDP-Verkehrsminister außerhalb seiner eigentlichen Zuständigkeit 55.000 Hausbesitzern beim Kauf ihrer Photovoltaikanlage finanziell unter die Arme greift, während Kollege Habeck von den Grünen bei dieser Klientel gerade für sehr viel Ärger gesorgt hat, weil der demnächst die Lufthoheit in deren Heizungskeller übernehmen will. Dieses Kalkül dürfte aber nur bedingt aufgegangen sein. Bei bisher maximal 33.000 Haushalten.
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