EU-Autozölle
Falsche Antwort auf die chinesische Konkurrenz

Seit Beginn des Jahrzehnts hat die Zahl der in Europa verkauften Pkw aus chinesischer Produktion stark zugenommen. In Deutschland war der wertmäßige Import von Kraftfahrzeugen aus China zuletzt sogar deutlich größer als der aus Japan. Elektrofahrzeuge aus chinesischer Produktion erreichten in Europa quasi aus dem Stand Marktanteile von bis zu 20 %. Allerdings handelte es sich bei den Chinaimporten bisher überwiegend um Elektroautos amerikanischer und europäischer Hersteller. Für die Zukunft werden jedoch weitere Importzuwächse und steigende Marktanteile insbesondere chinesischer Autobauer erwartet.

Die Dynamik der chinesischen Automobilindustrie folgt der langfristig angelegten industriepolitischen Strategie der Staats- und Parteiführung. Bereits seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Automobilindustrie als Schlüsselindustrie klassifiziert. Nachdem den Verantwortlichen klar geworden war, dass chinesische Hersteller den Vorsprung der internationalen Konkurrenz bei Verbrennungsmotoren nicht einholen würden können, setzte man bereits mit dem Fünfjahresplan 2001-2006 auf alternative Antriebe. Seitdem wurden umfangreiche Förder- und Entwicklungsprogramme für Elektrofahrzeuge aufgelegt und Milliardensubventionen in Form von Forschungsgeldern, zinsverbilligten Krediten, Kaufprämien und Steuervorteilen gewährt.

Die aktuelle Marktposition chinesischer Hersteller von Elektroautos auf den internationalen Märkten ist ohne Zweifel wesentlich auf diese großzügigen staatlichen Subventionen zurückzuführen, auch wenn deren genaue Höhe sich kaum seriös beziffern lässt. Eine wichtige Rolle dürften allerdings auch günstige Standortbedingungen (Löhne, qualifizierte Arbeitskräfte, Energiekosten) und die Verfügbarkeit kritischer Rohstoffe für die Batterieproduktion bilden. Nicht zuletzt schafft die Fokussierung der EU auf Elektromobilität einen starken Anreiz zur Expansion nach Europa, zumal die chinesischen Hersteller hier ihre Fahrzeuge sehr günstig anbieten können und trotzdem deutlich höhere Gewinne als auf ihrem Heimatmarkt machen.

Vor diesem Hintergrund ist die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie sehr groß. Die Europäische Kommission hat dies zum Anlass genommen, nach einer umfangreichen Untersuchung der Subventionstatbestände in der chinesischen Autoindustrie vorläufige Ausgleichszölle in Höhe von 21 % auf aus China importierte batterieelektrische Fahrzeuge zu erheben. Die Höhe der Zölle variiert je nach Hersteller und deren Kooperationsbereitschaft bei den EU-Untersuchungen. So wird BYD (Build Your Dreams) nur mit einem zusätzlichen Zolle von 17,4 % belegt, während für Autos von SAIC sogar ein Ausgleichszoll von 37,6 % anfällt. Zu beachten ist, dass die EU derzeit bereits einen Einfuhrzoll von 10 % auf Autoimporte aus China erhebt, und auch Importe von Pkw aus den Fabriken von Tesla und BMW in China unter den zusätzlichen Zoll fallen.

Aus deutscher Perspektive scheinen diese Maßnahmen allerdings ungeeignet, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Automobilindustrie zu stärken. Zum einen ist die Furcht vor Retorsionsmaßnahmen in der vom chinesischen Absatzmarkt extrem abhängigen Branche sehr groß. Zum anderen dürfte die Verminderung des Wettbewerbsdrucks durch geringere Preiskonkurrenz seitens ausländischer Hersteller kontraproduktive Effekte hervorrufen. Eine höhere Wettbewerbsfähigkeit der Industrie lässt sich nicht durch Protektionismus und Abschottung erreichen. Wie die Reaktion auf den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der japanischen Autoindustrie in den 1970er und 1980er Jahren gezeigt hat, belebt neue Konkurrenz letztlich die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Statt auf Zölle, die möglicherweise in langwierige und schädliche Handelskonflikte münden, sollte die Politik auf Deregulierung und eine Verbesserung der Standortbedingungen vor Ort setzen. Dies gilt insbesondere für die Situation in Deutschland. Außerdem sollte sie sich bewusst machen, dass ihre Ziele für den Ausbau der Elektromobilität mit der Behinderung des Imports günstiger Elektroautos aus China nicht kompatibel sind. Vielleicht hilft aber ein Verschieben des sogenannten „Verbrennerverbots“, die hausgemachte Wettbewerbsschwäche der deutschen Autohersteller auszugleichen. Angesichts der protektionistischen und dirigistischen Grundeinstellung der EU-Kommission dürfte eine Abkehr von den beschlossenen Maßnahmen jedoch eher unwahrscheinlich sein.

Hinweis: Der Beitrag erscheint als Leitartikel in Heft 9 (2024) der Fachzeitschrift WiSt.

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