Gastbeitrag
Grundsteuer hoch, Grunderwerbsteuer runter

Wenn dauerhaft zu wenig Wohnungen neu gebaut werden, dann bleiben Sickereffekte aus und es kommt zum reinen Mengeneffekt des Wohnungsmangels auch noch ein Verteilungsproblem hinzu. Je länger nicht ausreichend viel neu gebaut wird, desto mehr rückt dann das Verteilungsproblem in den Vordergrund. Es kann durch intelligente Steuern entschärft werden.

Der Wohnungsmarkt leidet aktuell unter einem Stillstand. Umzugsketten sind eingefroren. Länger schon, weil der Neubau zu gering ist. Zunehmend aber auch, weil Transaktionskosten zu hoch und der Verbleib in bestehenden Wohnverhältnissen zu attraktiv sind. Eine verschärfte Regulierung der Bestandsmieten würde das Problem vergrößern. Bis der Mangel beseitigt ist, könnte dagegen ein Lösungsansatz darin bestehen, die Grunderwerbsteuer abzuschaffen und im Gegenzug die Grundsteuer intelligent zu erhöhen.

Zusammen würden diese beiden Maßnahmen auch ohne ausreichend Neubau die Mobilität auf dem Wohnungsmarkt erhöhen und die relativen Wohnkosten neu ordnen. Eine höhere Grundsteuer würde als Nebeneffekt auch die Einnahmen der Kommunen stabilisieren und sie beim Erhalt der Infrastruktur unterstützen.

Zur Vermeidung sozialer Verwerfungen sollten die Maßnahmen schrittweise erfolgen. Eine zonierte Grundsteuer könnte zudem sicherstellen, dass Geringverdiener nicht übermäßig belastet werden. Die Zonierung könnte auf Basis von Bodenwerten oder Mieten erfolgen.

1.     Hintergrund: Ein Mengen- und ein Verteilungsproblem

In den beliebten Stadtregionen gibt es gemessen am Bedarf zu wenig Wohnungen. Die werden auch nicht so bald gebaut. Erst fehlte es am Bauland, dann an der Baukapazität und jetzt kann sie sich keiner mehr leisten. Das liegt an den staatlich reglementierten, hohen Baukosten. Es liegt nicht an den gestiegenen Zinsen, die absurden Niedrigzinsen hatten das Kostenproblem zuvor nur verschleiert. Mehr Neubau wäre gut, aber es gibt keine Nachfrage, also kein mit ausreichend Einkommen hinterlegter Bedarf. Die Fertigstellungen brechen ein. Mindestens bis 2025.

Neubau kann zum Teil ersetzt werden durch Abwanderung. Entweder ins Umland der beliebten Stadtregionen – das passiert seit Jahren zunehmend. Oder in ländliche Regionen – das passiert allmählich auch, ist aber mengenmäßig noch nicht so relevant. Doch das alles kann Neubau nicht vollständig ersetzen.

Wir haben also ein zunehmend kosteninduziertes Mengenproblem, es wurde seit Jahren nicht gelöst und wird sich auch nicht so schnell lösen lassen. Bis zu einem gewissen Grad ist dies sogar gewollt, denn nicht grundlos wurden Schallschutz, Brandschutz und Klimaschutz immer weiter verschärft sowie das 30 ha-Ziel als Obergrenze der täglichen Versiegelung etabliert.

In der Folge gibt es neben dem beschriebenen Mengenproblem zunehmend auch ein Verteilungsproblem: Wohnraum ist zum Teil untergenutzt, während andere in beengten Verhältnissen leben. Bei ausreichend Angebot durch ausreichend Neubau löst sich dieses Verteilungsproblem normalerweise durch neubauinduzierte Umzüge mehr oder weniger von allein. Die Kombination aus langwierigem Mengenproblem bei zu wenig und sogar nachlassendem Neubau ist daher eine Sondersituation. Ansätze zur Lösung dieses Verteilungsproblems werden im Folgenden diskutiert.

Die Problemlage: Verteilungsprobleme durch ausbleibende Sickereffekte

Ohne Neubau fallen Sickereffekte weg. Wenn junge Familien nicht mehr in Neubau ziehen, werden so auch keine Umzugsketten mehr in Gang gesetzt. Es bleiben nur noch die Sickerketten aus Bestandsumzügen. Aber auch die sind zunehmend eingefroren. Denn wer „zu groß“ wohnt, „verliert“ wegen der Wohnkostenkluft viel Geld, wenn er sich verkleinert. Das gilt für Mieter wie auch für Selbstnutzer.

Für den Mieter gilt: Ein Jahre oder Jahrzehnte alter Mietvertrag ist ein Wertpapier. Regulierungsbedingt ist die Miete oft nur halb so hoch wie beim Neuvertrag. Daher rechnet sich der Auszug nicht, eine kleinere Mietwohnung wäre mit großer Wahrscheinlichkeit sogar teurer als die alte.

Aber auch der Auszug aus einem zu groß gewordenen Eigenheim rechnet sich nicht. Der Verkaufspreis wird wegen der immer höheren Grunderwerbsteuersätze erheblich geschmälert, beim Kauf der kleineren Wohnung fällt erneut Grunderwerbsteuer an. Die Grunderwerbsteuer verteuert außerdem den Neubau. Das Ausmaß verdeutlicht das Beispiel eines Bauträgers, der zunächst ein unbebautes Grundstück erwirbt, das er später samt Bebauung weiterveräußert. Da es keinen Vorsteuerabzug gibt – analog zur Umsatzsteuer – wird das Grundstück hier sogar zweimal mit Grunderwerbsteuer belastet.

2.     Lösungsvorschlag: Zonierte Grundsteuer statt Grunderwerbsteuer

Sollen Sickereffekte bald wieder wirken, muss die Umzugsmobilität erhöht werden. Das kann durch Senkung von Transaktionskosten und relative Preiserhöhung für das Gut Wohnen erfolgen. Eine Abschaffung der Grunderwerbsteuer würde die Mobilität verbessern, eine Verdoppelung der Grundsteuer die Wohnkostenkluft senken. Als Paket wären die beiden Maßnahmen in etwa aufkommensneutral (jährliches Aufkommen der Grunderwerbsteuer zuletzt etwa 17 Mrd. €, Grundsteuer etwa 15 Mrd. €). Man sollte dazu allerdings die Grundsteuer etwas modifizieren. Wenn dann im Ergebnis die Mobilität steigt, werden im Übrigen auch Neuverträge relativ günstiger. Die Funktionsweise dieser beiden Maßnahmen und deren Auswirkung auf den Wohnungsmarkt werden im Folgenden beschrieben.

Push- und Pull-Faktoren lösen Sickereffekte aus

Die „Eigenheim-Witwe“ beispielsweise könnte bei geringerer Grunderwerbsteuer einen höheren Verkaufspreis erzielen und sich dann eher die kleinere Wohnung zum Kauf oder zur Miete leisten (Pull-Faktor). Gleichzeitig resultieren aus den höheren Wohnkosten wegen der gestiegenen Grundsteuer hohe Anreize, nicht benötigte Flächen abzugeben, sich also zu verkleinern (Push-Faktor). Dies kann durch Umzug oder durch Untervermietung erfolgen.

Die „Mieter-Witwe“ spürt zwar direkt nur die höheren Wohnkosten. Da aber durch die Reform die Umzugshäufigkeit insgesamt steigt, ist der Markt nicht mehr eingefroren, werden mehr Wohnungen zur Wiedervermietung angeboten und sind kleinere Wohnungen wieder relativ günstiger zu haben. Denn die dort bislang wohnenden kinderlosen Mieterpaare können jetzt in die größeren Mietwohnungen der jungen Familien ziehen, welche wiederum in die von Witwen und Witwern freigezogenen Eigenheime oder Mietwohnungen wechseln. Alle Haushalte entlang der beschriebenen Umzugskette verbessern damit die Qualität ihrer Wohnung und durch das größere Angebot verteuert sich die Wohnung bei Neuvermietung weitaus weniger als im Status quo. Je höher parallel dazu der Neubau steigt, desto eher könnten Erhöhungen beim Mieterwechsel sogar vollständig verstummen.

3.     Zonierung und glaubhafter Übergang vermeiden Probleme

Zwei Probleme müssen bei dem diskutierten Lösungsvorschlag berücksichtigt werden. Zum einen braucht es Übergangslösungen, damit niemand überfordert oder im Nachhinein bestraft wird. Zum anderen braucht es eine adäquate Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer damit sie ihre Lenkungsfunktion erfüllt und Geringverdiener nicht über Gebühr belastet werden.

a) Übergangslösungen

Idealerweise sollte die Grundsteuer nicht auf einen Schlag verdoppelt werden, sondern besser in Etappen über beispielsweise zwei oder drei Jahre. Wie bei der CO2-Steuer und allen anderen Lenkungssteuern, muss die Erhöhung schrittweise vorangehen und ihre Anpassung an eine zu formulierende Zielgröße glaubhaft sowie langfristig angekündigt werden. Nur dann kann sie ohne übermäßige Verzerrungen ihre volle Wirkung entfalten. Die beschriebenen Umzugsketten müssen schließlich erst einmal in Gang kommen – das passiert zum Teil bereits mit der glaubhaften Ankündigung der Maßnahme. Andere werden aber erst allmählich reagieren, wenn dann die Steuerlast Jahr für Jahr immer weiter ansteigt.

Daneben sollen aber auch die Käufer der letzten Jahre nicht zweimal bezahlen: vor kurzem für die Grunderwerbsteuer und jetzt auch noch für die steigende Grundsteuer. Deswegen sollten Grunderwerbsteuerzahlungen der letzten Jahre pro rata temporis als Vorauszahlung auf den erhöhten Teil der Grundsteuer angerechnet werden können. Wer beispielsweise vor einem Jahr gekauft hat, soll 100% der Grunderwerbsteuer verrechnen können, wer vor 5 bzw. 10 Jahren gekauft hat nur noch 50% bzw. 10%. Noch frühere Käufer profitieren nicht mehr von dieser Übergangsregelung. Die erhöhte Grundsteuer muss dann so lange nicht bezahlt werden, bis die so konstruierten „Vorauszahlungen“ aufgebraucht sind.

b) Zoniertes Wohnwertmodell als Basis einer neuen Grundsteuer

Eine intelligente Grundsteuer muss vier Dinge berücksichtigen: Erstens sollten Kommunen einen Anreiz haben, den lokalen Hebesatz völlig neu festzulegen. Zweitens sollten unterschiedliche Bewertungen der Lage einen sozialen Ausgleich berücksichtigen. Drittens sollte sie idealerweise auch Bauland mobilisieren, um so den Wohnungsbau anzukurbeln. Viertens sollte die Grundsteuer weiterhin über Nebenkosten umlegbar sein, damit sie ihre Lenkungswirkung nicht nur bei Eigentümern, sondern auch bei Mietern entfalten kann.

1. Lokalen Hebesatz völlig neu festlegen

Die mittlere Bemessungsgrundlage sollte als Wert eines Quadratmeters (Wohn- oder Grundstücksfläche) ein für alle Mal auf 1,0 festgelegt werden. Damit läge sie z.B. weit unterhalb der aktuellen Einheitswerte und auch weit unter aktuellen Miet- oder Bodenrichtwerten. Durch diesen Trick würden Kommunen gezwungen, ihren Hebesatz von Grund auf zu diskutieren und völlig neu festzulegen (das wäre auch viel besser als etwa die Hoffnung auf eine Absenkung der Hebesätze, um Aufkommensneutralität zu gewährleisten). Er verdeutlicht zudem, dass es bei einer Grundsteuerreform nicht um die Höhe der Bemessungsgrundlage geht, sondern allein um relative Unterschiede verschiedener Lagen. Das Bundesverfassungsgericht hat – ökonomisch korrekt – nicht die Höhe der aktuellen Einheitswerte, sondern allein die veralteten Relationen unterschiedlicher Lagen und Baualtersklassen kritisiert.

2. Sozialen Ausgleich berücksichtigen

Zur lokalen Unterteilung sollte man keine individuelle Bewertung aller Objekte vornehmen. Es reicht völlig aus, pauschalierte Wohnwertzonen festzulegen, etwa mit den Werten 1,2 (gute Lage) oder 1,5 (Villenviertel) sowie Zonen von 0,8 (schlechtere Lage) oder 0,6 (Außenbereich). Aufgrund der Zonierung entfällt eine aufwändige individuelle Objektbewertung – und damit nebenbei auch jede Menge Verwaltungsarbeit und Streitanfälligkeit. Alle zehn Jahre wären die Grenzen der Zonierung mit wenig Aufwand anzupassen. Angepasst werden aber immer nur die Zonengrenzen und ggf. die Abstufungen der Zonen untereinander, der Mittelwert dagegen bliebe immer bei 1,0.

Wichtig ist, dass es eine Zonierung gibt, dass also nach Lagen unterschieden wird. Das können auch nur grobe Klassen sein, also z.B. 10-12 Lagen in Berlin oder 3-5 Lagen in Münster. Denn nur durch die Zonierung ist auch gewährleistet, dass z.B. für ein „ärmeres“ Stadtviertel oder eine Sozialwohnungsanlage geringere Grundsteuerbeträge bzw. -erhöhungen pro Quadratmeter (Wohn- oder Grundstücksfläche) anfallen als in einem Villenviertel. Die Zonierung könnte darüber hinaus auch für die Einteilung von Makrolagen in Mietspiegeln herangezogen werden.

3. Grundsteuer sollte Bauland mobilisieren

Idealerweise wäre eine intelligente Grundsteuer eigentlich eine reine Bodenwertsteuer. Denn die größten Anreize für Nachverdichtung und Bebauung ergeben sich, wenn nicht die Summe der Wohnfläche eines Gebäudes versteuert wird, sondern allein die Grundstücksfläche. Denn je höher die Haltekosten für ein unbebautes Grundstück, desto eher und desto dichter wird es bebaut.

Durch die Normierung auf 1,0 wäre zudem schon einmal ein potenzieller Nachteil der reinen Bodenwertsteuer vermieden: die automatische Kopplung an steigende Bodenwerte. Die Zonierung begrenzt außerdem die Extrema in der Objektbewertung ganz erheblich; so wird ein zweiter Nachteil der reinen Bodenwertsteuer umgangen.

4. Lenkungswirkung: Grundsteuer weiterhin über Nebenkosten umlegbar

Ein dritter Nachteil reiner Bodenwertsteuern, deren Bemessung allein am Grundstück anknüpft, besteht jedoch in der vollständigen Entkopplung von Steuergegenstand und der Wohnung. Denn dann hätten Verbraucherschützer eine Rechtfertigung, die Umlegung über die Nebenkosten auf die Mieter in Frage zu stellen. Doch dann ginge die Lenkungswirkung verloren: Mieter mit hohem Flächenkonsum hätten weiterhin nur geringe Anreize, sich zu verkleinern – vor allem bei einer großen Wohnkostenkluft.

Gefordert wird hier deswegen keine reine Bodenwertsteuer, sondern nur eine möglichst weitgehende Annäherung daran. Ziel ist, die Bauland mobilisierenden Vorteile einer Bodenwertsteuer auszureizen, aber ohne die Nachteile einer Nicht-Umlegbarkeit auf Mieter und damit einen Verzicht auf die Lenkungswirkung der Grundsteuer zu riskieren.

Dies wäre beispielsweise erreichbar, indem auch die Wohnfläche in die Bewertung einfließt, aber nur zu einem sehr viel geringeren Prozentsatz als die Grundstücksfläche. Darüber hinaus könnte die Zonierung sich zudem an den Mieten anstelle der Bodenrichtwerte orientieren. Datenbasis wäre alle zehn Jahre der Zensus. Da Mieten und Bodenwerte korrelieren, ist die Wahl ohnehin nicht kriegsentscheidend.

4.     Fazit: Eine soziale Neuordnung der relativen Wohnkosten ist möglich

Der eingefrorene Wohnungsmarkt muss dringend aus seinem Dornröschenschlaf erweckt werden. Er wurde eingeschläfert durch hohe Transaktionskosten, einer gestiegenen Wohnkostenkluft zwischen neuen und bestehenden Wohnverhältnissen sowie einem ungenügendem Neubau. Eine Abschaffung der Grunderwerbsteuer könnte die hohen Transaktionskosten mildern, eine intelligente Erhöhung der Grundsteuer könnte die Wohnkostenkluft verkleinern.

Beim Wachküssen sollten jedoch Käufer der letzten Jahre und Geringverdiener nicht übervorteilt werden. Deswegen braucht es Übergangslösungen mit Anrechnung jüngst bezahlter Grunderwerbsteuern sowie eine Zonierung zur gerechten Verteilung der Steuerlasten. Wenn gleichzeitig un-(ter-)genutze Flächen neu bebaut werden, wird der Übergang umso einfacher. Denn dann steigt das verfügbare Angebot nicht nur im Rahmen der Neuverteilung vorhandener Flächen, sondern auch durch die zusätzlich verfügbaren Flächen. Und mehr Angebot bedeutet dann auch einen geringeren relativen Preis.

Der schöne Nebeneffekt einer höheren Grundsteuer: Sie ist im Konjunkturverlauf stabiler als eine Grunderwerbsteuer. Und vielleicht hätten die Kommunen so auch einen Joker bei der Neuaufteilung der Finanzmittel mit dem Land, das natürlich eine Kompensation aus der wegfallenden Grunderwerbsteuer fordern wird. Idealerweise bekämen die Kommunen dann per Saldo mehr Geld für die dringend erforderliche Instandsetzung von Straßen, Brücken und sozialer Infrastruktur. Denn genau dafür ist eine Grundsteuer auch da: eine Äquivalenzsteuer auf kommunale Dienstleistungen.

In Hamburg oder Berlin könnte man den Vorschlag sofort umsetzen. Hier liegen die Steuerkompetenz für Gemeindesteuer (Grundsteuer) und Landessteuer (Grunderwerbsteuer) in einer Hand. Niemand hindert diese Stadtstaaten daran, schon morgen den Steuersatz für Grunderwerb auf null zu senken. Derzeit wäre dies leichter verkraftbar, da die Aufkommen der Grunderwerbsteuer wegen eingebrochener Transaktionszahlen ohnehin gesunken sind.

Eine Antwort auf „Gastbeitrag
Grundsteuer hoch, Grunderwerbsteuer runter“

  1. Ich mag das Wort „Lenkungswirkung“ hier, das darauf hinausläuft, dass Menschen aus ihren derzeitigen Wohnungen hinausgedrängt werden.

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