Mit den CO2-Preis-Einnahmen sollte die Energiewende vorangebracht und die Bevölkerung entlastet werden. Die Mittel sollten für niedrigere Strompreise eingesetzt werden, nicht aber für ein Klimageld.
Seit dem Jahr 2021 wird in Deutschland aus Gründen des Klimaschutzes der Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) bei der Verbrennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe mit staatlichen Abgaben belastet. Dies ist notwendigerweise mit höheren Kostenbelastungen für die Verbraucher verbunden, da diese sogenannte CO2-Bepreisung ansonsten keine Wirksamkeit entfalten könnte. Hierdurch ergibt sich indessen ein Dilemma: Je höher das Niveau der CO2-Preise, desto größer sind zwar einerseits die Emissionseinsparungen. Anderseits verringert sich mit steigendem Preisniveau die Akzeptanz in der Bevölkerung (z. B. Sommer, Mattauch, Pahle 2022).
Um bei weiter steigenden CO2-Preisen eine breite Akzeptanz für die CO2-Bepreisung zu sichern, sollten die daraus resultierenden Einnahmen komplett an die Verbraucher zurückgegeben werden (z. B. Frondel et al. 2022, SVR 2019). Damit könnte die Politik überzeugend signalisieren, dass es ihr bei der CO2-Bepreisung nicht um eine zusätzliche staatliche Einnahmequelle geht, sondern ausschließlich um den Klimaschutz.
Akzeptanz sichern durch Rückverteilung der Einnahmen
Zur Rückverteilung der CO2-Preiseinnahmen gäbe es zahlreiche Alternativen, beispielsweise direkte Einkommenstransfers in Form eines Klimageldes, eine Senkung des Steuergrundfreibetrages und der Steuersätze oder die Senkung staatlich bedingter Komponenten des Strompreises, etwa der KWK-Umlage zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung und der Netzentgelte. Alle Optionen haben ihre Vor- und Nachteile, die Wahl der Alternative zur Rückerstattung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung ist daher eine normative Entscheidung, die nicht allein auf wissenschaftlicher Basis getroffen werden kann (Kalkuhl et al. 2023).
Die Ampelregierung hatte sich im Jahr 2021 im Koalitionsvertrag (2021: 63) auf eine dieser Rückverteilungsvarianten festgelegt, das Klimageld: „Um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten, werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entwickeln (Klimageld)“. Im Koalitionsvertrag ist jedoch weder festgelegt, wie das Klimageld konkret ausgestaltet werden soll, noch, wann es ausgezahlt werden wird. In Aussicht gestellt wurde von der Politik lediglich, dass bis zum Jahr 2025 die administrativen Voraussetzungen geschaffen sein sollen, um ein Klimageld auszuzahlen. Ob das Klimageld noch in dieser Legislaturperiode ausgezahlt wird, darüber besteht Unklarheit.
Strompreissenkung statt Klimageld
In der neuen RWI Position #83 haben wir vor diesem Hintergrund einen pragmatischen Vorschlag unterbreitet (Frondel, Schmidt 2024), wie die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung jederzeit unmittelbar nach entsprechender politischer Beschlussfassung an die Bevölkerung zurückgegeben werden können, um das weit vor der Einführung der CO2-Bepreisung im Jahr 2021 von der Politik gegebene Versprechen der Rückverteilung der Einnahmen endlich einzulösen. Der Vorschlag besteht aus einer Kombination aus mehreren Maßnahmen zur jederzeit möglichen sukzessiven Senkung des Strompreises: zum einen der Senkung von Strompreiskomponenten wie vor allem der Netzentgelte, mit denen der für die Energiewende unabdingbare Netzausbau finanziert wird, sowie zum anderen in der kompletten Abschaffung von Umlagen auf den Strompreis wie der KWK-Abgabe zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung.
Damit würde ein fundamentaler Fehler im System beseitigt: Aus ökonomischer und verteilungspolitischer Sicht sollten nicht die Stromverbraucher – und damit im hohen Maße auch einkommensschwache Haushalte – für die Förderung von Energiewendemaßnahmen wie der Kraft-Wärme-Kopplung oder dem Ausbau der Netze, nicht zuletzt zum Anschluss von Windparks in Nord- und Ostsee, aufkommen, sondern die Steuerzahler. Dadurch würden stärkere Schultern stärker belastet und die Kosten würden sozial ausgewogener verteilt.
Mittel des Klima- und Transformationsfonds für die Energiewende verwenden
Würden solche Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende fortan aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden, würden die Mittel exakt für den Zweck verwendet, für den der Klima- und Transformationsfonds geschaffen wurde: die treibhausgasverringernde Transformation des Energiesystems. Die Finanzierung der Netzentgelte durch den Klima- und Transformationsfonds wäre insofern gerechtfertigt, als der Ausbau der Stromnetze für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende von essenzieller Bedeutung ist. Investitionen in die Netze können daher als Gemeinschaftsaufgabe angesehen werden, die aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden sollte, nicht aber von den Stromverbrauchern.
Mit der bei Umsetzung unseres Vorschlags möglichen massiven Senkung des Strompreises könnten die Wärme- und Verkehrswende auf doppelte Weise vorangetrieben werden: einerseits durch die CO2-Bepreisung fossiler Brenn- und Kraftstoffe als treibendem Faktor und andererseits durch die massive Vergünstigung von Strom als erheblichem Anreiz.
Klügere Verwendung der Mittel des Klima- und Transformationsfonds
Auf die Einführung eines Klimageldes sollte die Politik hingegen nicht nur wegen des Verwaltungsaufwands verzichten, sondern auch aus zahlreichen weiteren Gründen, insbesondere aus Gründen der Effizienz und der Verteilungsgerechtigkeit (Sachs, Fuest 2023). Vor allem wäre es in Zeiten massiver finanzieller Engpässe beim Klima- und Transformationsfonds klug, die äußerst knappen Mittel möglichst so zu verwenden, dass damit zugleich die Energiewende vorangebracht und die Bürgerinnen und Bürger sowie auch die Unternehmen entlastet werden. Das würde durch eine Verwendung der Mittel des Klima- und Transformationsfonds zur Senkung der Netzentgelte und der zahlreichen Umlagen auf den Strompreis der Fall sein, nicht aber bei Auszahlung eines Klimageldes.
Wenn auf den Stromrechnungen der Rückerstattungsbetrag deutlich hervorgehoben würde, so wie dies im Zuge der Strompreisbremse zur Dämpfung der hohen Strompreise im Jahr 2023 praktiziert wurde, und dieser Rückerstattungsbetrag auch noch mit einem klangvollen Namen wie Klimabonus bezeichnet würde, wäre die Sichtbarkeit der Rückerstattung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in hohem Maße gewährleistet – ein Aspekt, der oftmals als einer der großen Vorteile des Klimagelds angesehen wird.
Doppelte Dividende der Strompreissenkung
Da Umlagen und Netzentgelte in ihrer verzerrenden Wirkung dem Effekt einer Steuer gleichkommen, würde deren Senkung die verzerrende Wirkung verringern und es ließe sich mit dieser Art der Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung eine doppelte Dividende erzielen: Zum einen würde mit dem CO2-Preis eine ökologische Lenkungswirkung erzielt und zum anderen würden die verzerrenden Wirkungen der Umlagen und Netzentgelte verringert oder gar ganz beseitigt werden können. Diese doppelte Dividende gäbe es bei einer Rückerstattung via Klimageld nicht.
Unser Vorschlag steht nicht nur im Einklang mit den schon im Jahr 2019 formulierten Vorschlägen des Sachverständigenrates zu einer sozial ausgewogenen Klimapolitik (SVR 2019). Vielmehr würde die Umsetzung des Vorschlags auch eine konsequente Fortsetzung des von der Bundesregierung bereits mit der Übernahme der EEG-Umlage aus Steuermitteln eingeschlagenen Politikpfads darstellen.
Referenzen:
Frondel, M., Helmers, V., Mattauch, L., Pahle, M., Sommer, S., Schmidt, C. M., Edenhofer, O. (2022) Akzeptanz der CO2-Bepreisung in Deutschland: Die große Bedeutung einer Rückverteilung der Einnahmen. Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 23, 1, 49-64
Frondel, M., Schmidt, C. M. (2024) Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung: Das Versprechen der Politik endlich einlösen, aber nicht in Form des Klimageldes! RWI Position #83.
Kalkuhl, M., Kellner, M., Roolfs, C., Rütten, K., George, J., Bekk, A., Held, A., Heinemann, M., Eydam, U., aus dem Moore, N., Pahle, M., Schwarz, A., Fahl, U., Blum, M., Treichel, K. (2023) Optionen zur Verwendung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung. Kurzdossier Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam. https://ariadneprojekt.de/publikation/kurzdossier-optionen-zur-verwendung-der-einnahmen-aus-der-co2-bepreisung/
Koalitionsvertrag (2021) MEHR FORTSCHRITT WAGEN: BÜNDNIS FÜR FREIHEIT, GERECHTIGKEIT UND NACHHALTIGKEIT. KOALITIONSVERTRAG ZWISCHEN SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UND FDP. https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
Sachs, D., Fuest, C. (2023) Das Klimageld ist nicht das richtige Instrument. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 16. Dezember 2023. https://zeitung.faz.net/faz/wirtschaft/2023-12-16/164a49630d101adb090f328d0f95d313/?GEPC=s3
Sommer, S., Mattauch L., Pahle M. (2022) Supporting carbon taxes: The role of fairness. Ecological Economics, 195, 107359.
SVR (2019) Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik. Sondergutachten, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Wiesbaden.
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