Immobilienmärkte werden nur langsam transparenter

Kürzlich wurden die Ergebnisse des Zensus 2022, also einer deutschlandweiten Haushaltsbefragung zur Lebenssituation in Deutschland, veröffentlicht. Darin werden nicht nur demografische Daten für alle Regionen erfasst, sondern auch wichtige wirtschaftliche, gesellschaftliche und auch wohnungswirtschaftliche Aspekte: beispielsweise wissen wir nun, dass es rd. 20 Mio. Gebäude mit Wohneinheiten mit insgesamt 43,1 Mio. Wohneinheiten in Deutschland gibt. Davon sind 13,5 Mio. Einheiten mit nur einem Zimmer ausgestattet, 5,7 Mio. Wohneinheiten wurden vor 1919 gebaut, 24,1 Mio. Wohnungen werden noch mit Gas geheizt. Auch Preisinformationen werden gegeben: 16,3 Mio. Haushalten zahlen weniger als 8 EUR pro Quadratmeter Miete und Monat, knapp 2 Mio. Haushalte sogar weniger als 4 EUR. Ihnen standen „nur“ 173.000 Haushalte gegenüber, die über 20 EUR je Quadratmeter zahlten. Der Zensus ist eine Goldgrube für Forscher, Politikberater, Politiker und Bürger, um sich ein Bild über die Wohnsituation in Deutschland zu machen – im Jahr 2022.

Und damit wird bereits ein Problem deutlich, die Zensusdaten werden nicht häufig aktualisiert, sie korrigieren zum Teil massiv die Fortschriften der Daten aus dem vorherigen Zensus, und sie sind beim Veröffentlichungstermin bereits veraltet. Insgesamt gilt der Immobilienmarkt in Deutschland zwar als deutlich transparenter als vor 20 Jahren, doch im Vergleich zu vielen anderen westlichen Ländern und gerade auch im Vergleich zu vielen Kapitalmärkten gilt er als relativ intransparent. Das ist ein Problem, denn Forscher brauchen Daten, um ihre Theorien zu prüfen. Ohne gute Daten werden Forschungsergebnisse oft in hochwertigen wissenschaftlichen Zeitschriften nicht akzeptiert. Dann stürzen sich junge Forscher lieber auf die Märkte, für die es Daten gibt. Das ist bedauerlich, denn nicht nur Wohnungsmärkte, auch die Märkte für Einzelhandels- oder Büroimmobilien sind gesellschaftlich von hoher Relevanz. Immobilien prägen unser Leben und unseren Geldbeutel. Daher wäre es wichtig, dass sich mehr Wissenschaftler mit Immobilienthemen beschäftigen. Hierzu ein Beispiel: In Deutschland werden die Preise von Wohnungskäufen von Gutachterausschüssen erfasst und aufbereitet. Es gibt Hunderte Gutachterausschüsse, und die Datenbereitstellung erfolgt sehr uneinheitlich. Für den German Real Estate Index (GREIX) wurden erstmals Transaktionsdaten für 19 Städte und einen Landkreis erfasst und mit Hilfe hedonischer Preismodelle zu Indizes zusammengeführt. Das ist ein Fortschritt. Doch es gibt insgesamt 106 kreisfreie Städte und 294 Landkreise. Es wäre doch auch interessant, wie sich die Preise dort so entwickelt haben.

Viele Analysten weichen dann auf Angebotsdaten aus, also auf Daten, die z.B. auf Immoscout24 in Anzeigen ausgewiesen werden. Auch hieraus lassen sich hedonisch ermittelte Indizes errechnen, doch sie stellen eben nur die Wunschvorstellung des Verkäufers dar, nicht die tatsächlichen Preise. Wir wissen also unterdessen sehr genau, welche Immobilien angeboten werden, aber nicht, wie sich Anbieter und Nachfrager dann geeinigt haben. Ähnliches gilt für Vermietungsmärkte, für Finanzierungsmärkte, für die Bautätigkeit: Wir haben heute deutlich mehr Informationen als früher, aber weniger als wünschenswert. Und für Gewerbeimmobilien ist die Datenlage in der Regel noch einmal schlechter als für Wohnimmobilien.

Unzureichende Daten müssen also Forschungslücken lassen, und was nicht erforscht wird, kann auch nicht gelehrt und in der allgemeinen Öffentlichkeit trittsicher diskutiert werden. Daher werden wohnungspolitische Fragen mitunter sehr lange und oft ohne Konsens geführt, weil man aus unterschiedlichen Datenbruchstücken versucht, das Gesamtbild mit ideologischen Versatzstücken zu füllen. Ein weiterer Punkt kommt erschwerend hinzu: Fehlt es an Daten, kann sich die ökonomische Analyse gegenüber der juristischen Rahmensetzung nur mühsam durchsetzen. Doch gerade wenn sich die Welt etwas schneller dreht, brauchen wir auch Veränderungen von Rahmensetzungen, z.B. welche Gebäudetypen dürfen wann und wo gebaut werden? Lässt sich eine Milieuschutzsatzung rechtfertigen? Welche Auswirkungen hat der Denkmalschutz? Wie wirkt die Mietregulierung?

Kurzum, wir brauchen bessere Immobilienmarktdaten, denn diese Daten wirken wie ein Lockmittel für Forscherinnen und Forscher, sonst bleiben einige der gesellschaftlich wichtigsten Märkte in einer Volkswirtschaft unzureichend analytisch durchdrungen.

Hinweis: Der Kommentar erscheint als Leitartikel in Heft 11 (2024) der Fachzeitschrift WiSt.

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