Industrie in der Krise?
(Chef-)Volkswirte antworten (3)
VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau)

Wie ist die wirtschaftliche Lage in Ihrer Industrie?

Mit knapp über einer Million Beschäftigten ist der deutsche Maschinen- und Anlagenbau der größte Arbeitgeber im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland. In der EU sind rund drei Millionen Menschen in unserer Industrie tätig.

Die aktuelle Lage ist herausfordernd. Seit Ende 2022 verzeichnen wir sinkende Auftragseingänge: 2023 betrug das Minus real 12%, in den ersten zehn Monaten 2024 waren es 8% im Vergleich zum Vorjahr. Die fehlenden Aufträge sieht man dann auch in der Produktion: 2024 erwarten wir ein Minus von real 8%, und für 2025 prognostizieren wir einen weiteren Rückgang von 2%. Entsprechend ist die Kapazitätsauslastung mit 79 % (im Oktober 2024) nur noch knapp über den Niveaus aus der Corona-Krise. Damals war das Thema Materialmangel das größte Produktionshemmnis. Aktuell hat das Thema Auftragsmangel (für rund 50% der Unternehmen) das Thema Fachkräftemangel (für rund 20% der Unternehmen) als Produktionshindernis überholt.

Diese Situation führt dazu, dass wir erstmals für 2024 und 2025 mit einem leichten Stellenbau rechnen. Dennoch sind wir zuversichtlich, dass wir in der Produktion im zweiten Halbjahr 2025 einen Wendepunkt erreichen werden.

Was sind die drei größten Probleme?

Das alles überlagernde Problem ist die weltweite Unsicherheit – geopolitisch durch den Krieg in Europa, Trump 2.0 und ein zunehmender Konflikt zwischen den USA und China. Und auch im Inland erfahren wir – nicht erst durch den Bruch der Ampelkoalition – keine verlässliche Wirtschaftspolitik. Unsicherheit ist Gift für Investitionen. Unsicherheit über künftige Rahmenbedingungen, mögliche Förderprogramme oder vermeintliche Investitionspräminen führen dazu, dass Investitionen aufgeschoben werden und heute keine neuen Maschinen und Anlagen bestellt werden.

Der Maschinenbau ist eine Exportindustrie, der Exportanteil liegt bei knapp 80%. Die Unternehmensstruktur ist mittelständisch geprägt. Im Schnitt haben unsere 3.600 Mitglieder unter 200 Beschäftigte, agieren in ihren Teilbereichen aber oftmals als Weltmarktführer, als hidden champions. Unser Geschäftsmodell war und ist der Export aus Deutschland. Auch wenn die jüngsten Entwicklungen zu einem möglichen Abschluss des Mercosur-Abkommens positiv stimmen, sehen wir leider einen Trend zur Lokalisierung und insbesondere das De-Coupling zwischen USA und China, unseren Exportmärkten Nummer 1 und 2, macht Sorgen. Größere Unternehmen können sich so aufstellen, dass sie in mehreren Märkten quasi autark agieren können – natürlich mit entsprechenden Effizienzverlusten, wenn die Vorteile der Arbeitsteilung eingeschränkt werden. Kleinere Unternehmen können das aber nicht. So gesehen machen wir uns weniger Sorgen um den deutschen Maschinenbau, sondern um den Maschinenbau in Deutschland.

Hinzu kommt, dass – insbesondere aus China – neue Wettbewerber vermehrt auf Drittmärkten auftreten, aber auch zunehmend auf unserem Heimatmarkt. Einerseits sehen wir hier unfaire Praktiken durch staatliche Subventionen und Protektionismus, andererseits sehen wir aber auch eine steigende Qualität in einigen Bereichen, die uns herausfordert. China ist und bleibt ein wichtiger Markt für uns, aber der Wettbewerb wird härter und wir müssen die Naivität im Umgang mit China ablegen, gerade was Know-how Schutz und freizügigen Transfer von wissenschaftlicher Forschung angeht.

Welche drei wirtschaftspolitischen Maßnahmen wären besonders wichtig?

Als erstes sollten wir unsere Hausaufgaben am Standort Deutschland machen. Hier braucht es einen neuen Aufbruch durch die kommende Bundesregierung. Umso mehr, da die nächste Wahl vielleicht die letzte Chance ist, ein Erstarken der politischen Ränder links und rechts durch eine überzeugende Politik einzudämmen. Wenn die nächste Bundesregierung scheitert, wenn die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zunimmt, dann drohen uns schlimme Zeiten in Deutschland. Dies zu verhindern, muss die gemeinsame Aufgabe von Politik und Wirtschaft sein.

In den letzten Jahren hat Deutschland an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren, wir leben immer mehr von unserer (noch guten) Substanz. 2024 liegt Deutschland im IMD World Competitiveness Ranking auf Rang 24 von 67 untersuchten Ländern, seit 2014 sehen wir einen Abwärtstrend (damals Rang 6), allein sein 2022 sind wir noch einmal 9 Plätze abgerutscht.

Somit braucht es Maßnahmen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Drei besonders wichtige Stellschrauben sind die Kosten am Standort zu senken, De-Regulierung und Bürokratieabbau voranzutreiben und generell die marktwirtschaftliche Wettbewerbsordnung zu stärken. Damit ließe sich eine unternehmerische Aufbruchstimmung erzeugen. Es muss wieder Spaß machen, in Deutschland unternehmerisch tätig zu sein.

Damit das gelingt brauchen wir ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem, wir müssen den Faktor Arbeit entlasten. Insbesondere aus Brüssel erleben wir einen – oftmals auch aus Deutschland bestellten – Regulierungstsunami. Die neue EU-Kommission muss hier Einhalt gebieten und auch Berichtspflichten wieder zurücknehmen. Die Bürokratiekosten in Deutschland entsprechen in einem kleinen Unternehmen in etwa dem Aufwand für Forschung und Innovation – das ist schlecht ausgegebenes Geld. Und als wirtschaftspolitische Klammer brauchen wir wieder mehr Vertrauen in Freiheit und Unternehmertum anstatt kleinteiliger Regulierungen und Dauersubventionen. Die Politik darf den Strukturwandel nicht blockieren und muss (so schwer es im Einzelfall ist) Markteintritte und -austritte sowie Jobwechsel ermöglichen, eine Verlängerung des Kurzarbeitergels mag kurzfristig bequem erscheinen, löst aber keine strukturellen Probleme. Mit dem Blick in den Rückspiegel lösen wir nicht die Herausforderungen von morgen.

Johannes Gernandt

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