Gastbeitrag
Monitoring Energiewende
Vorrang für Kosteneffizienz

Mitte September wurden der Monitoringbericht zum Stand der Energiewende im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWE) sowie die Schlussfolgerungen des BMWE veröffentlicht. Im Kern geht es darum, den Ausbau von Erneuerbaren, Netzen, Speichern und Stromnachfrage besser zu synchronisieren, Maßnahmen für eine höhere Versorgungssicherheit zu ergreifen und mehr Technologieoffenheit zuzulassen. Insgesamt muss die Kosteneffizienz der Energiewende deutlich steigen.

Das Gutachten ist zu großen Teilen eine Metaanalyse, die veröffentlichte Studien zur deutschen Energiewende untersucht und vergleicht. Es stellt fest, dass in Studien, die ergebnisoffen auf das Jahr 2045 blicken, zumeist Zweifel am Erreichen der Klimaneutralität bis 20245 bestehen. Zugleich wird ausgeführt, dass die untersuchten Studien, bei denen das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 vorgegeben ist, die Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit der Stromkunden nicht ausreichend berücksichtigen oder unrealistische Optimierungen des Energiesystems annehmen.

Zehn Schlüsselmaßnahmen des BMWE

Bei der Vorstellung des Gutachtens hat Ministerin Reiche zehn Schlüsselmaßnahmen präsentiert. Angestrebt wird, dass Bedarfsermittlungen und Planungen realistisch erfolgen, um den Fokus auf die Systemkosten der Energiewende zu richten. Ferner sollen erneuerbare Energien markt- und systemdienlich gefördert werden und die fixen Einspeisevergütungen sowie die Vergütung bei negativen Preisen vollständig beendet werden. Zudem sollen alle Formen von Förderregimen überprüft werden und Subventionen systematisch gesenkt werden. Beim Ausbau von Netzen oder Erneuerbaren sollen Netzengpässe stärker berücksichtigt werden. Ein wichtiger Baustein ist die Etablierung von Kapazitätsmärkten, um die Versorgungssicherheit in Zeiten mit wenig Wind und Sonne zu gewährleisten. Diese Kapazitätsmärke sollen technologieoffen ausgestaltet sein und möglichst schnell etabliert werden. Durch kurzfristige Anpassungen der Stromnachfrage an ein schwankendes Stromangebot sollen Effizienzpotenziale auf der Nachfrageseite gehoben werden. Dazu solle der Rollout von intelligenten Stromzählern beschleunigt werden. Wie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt, soll es bei einer einheitlichem Stromgebotszone in Deutschland bleiben. Grundsätzlich sollen marktwirtschaftliche Instrumente wie der EU-Emissionshandel gestärkt werden. Zu den Schlüsselmaßnahmen des BMWE zählt ferner, Forschung und Innovation im Bereich Energietechnologien zu fördern. Der Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft soll flexibler und bedarfsgerechter stattfinden. So soll kohlenstoffarmer Wasserstoff gleich behandelt werden wie grüner Wasserstoff. Schließlich sollen CCS und CCU als Klimaschutztechnologien etabliert werden, da manche CO2-Emissionen sich nicht vermeiden lassen.

Keine Rolle rückwärts bei der Energiewende

Alles in allem halten wir die Schlüsselmaßnahmen des BMWE für sinnvoll. Ein stärkerer Fokus auf Kosteneffizienz ist notwendig, da die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende (weiter) erodieren würde, sollten die Kosten zu stark steigen oder schmerzhafte ordnungsrechtliche Eingriffe in Wahlfreiheiten von Unternehmen und Verbrauchern notwendig werden. Gleichzeitig wird klargestellt, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht abgewürgt werden soll, wie manche Beobachter befürchtet haben. Der künftige Ausbau soll aber bedarfsgerechter sowie system- und netzdienlicher erfolgen. Bei der Fotovoltaik dürfte weiterhin der größte Zubau zu verzeichnen sein, selbst wenn die Einspeisevergütung künftig wegfallen sollte. Auch in andere Bereiche der Energiewende werden weiter Investitionen fließen. Besondere Dynamik erwarten wir im Bereich Batterien. Bei den Grundlastkraftwerken muss zunächst Klarheit bezüglich des rechtlichen Rahmens herrschen. Die Investitionen in die Stromnetze dürften in den kommenden Jahren deutlich höher ausfallen als in der Vergangenheit und sich in Summe auf mehrere hundert Milliarden Euro belaufen.

Stromverbrauch im Jahr 2030 geringer als bislang erwartet

Eine wichtige Debatte betrifft die künftig erwartete Stromnachfrage. Aus heutiger Sicht gilt es als sicher, dass der Stromverbrauch in Deutschland im Jahr 2030 deutlich unter den bislang angenommenen 750 TWh liegen wird (2025: voraussichtlich ca. 520 TWh). Gleichwohl dürfte die Stromnachfrage in den nächsten Jahren wieder steigen. Es gibt vier (potenzielle) Treiber, die für einen künftig höheren Strombedarf sprechen: Digitalisierung (Rechenzentren) sowie die Elektrifizierung von Verkehr, Wärmemarkt und Industrieprozessen. Die zuerst genannten Treiber sind intakt bzw. dürften in den kommenden Jahren an Dynamik gewinnen. Bei der industriellen Stromnachfrage sind wir skeptischer.

Sowohl das Gutachten als auch die Stellungnahme des BMWE sind ein Realitätscheck bezüglich der Kosteneffizienz energiepolitischer Maßnahmen oder des erwarteten künftigen Stromverbrauchs. Es wird Kritik an den Plänen des BMWE geben. Denn man kann erwarten, dass durch den Einsatz von mehr marktwirtschaftlichen Instrumenten und eine Absenkung von Subventionen das Ausbautempo bei manchen Erneuerbaren sinkt. Jene Marktakteure, die den Erfolg der Energiewende vor allem daran bemessen, wie hoch die installierte Leistung bei Erneuerbaren ausfällt, mögen das als Rückschritt interpretieren. Aus unserer Sicht ist die Aussage von Ministerin Reiche in der Pressekonferenz jedoch richtig: „Der Erfolg der Energiewende bemisst sich nicht nur an der installierten Leistung [an erneuerbaren Energien]. Der Erfolg der Energiewende bemisst sich daran, wie gut wir in der Lage sind, jede Kilowattstunde, die aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, optimal zu nutzen. Momentan nutzen wir viel des erneuerbaren Stroms nicht. Er wird aber gefördert.“

Hinweis: Die Langfassung des Beitrages finden Sie unter: https://www.dbresearch.de/PROD/RPS_DE-PROD/PROD0000000000603437/Monitoring_Energiewende%3A_Vorrang_f%C3%BCr_Kosteneffizie.PDF

Eine Antwort auf „Gastbeitrag
Monitoring Energiewende
Vorrang für Kosteneffizienz

  1. Vielen Dank, Hr. Heymann, fuer die Zusammenfassung.

    Was halten Sie/Ihr von dieser Kaskade?
    1) Der eigentl. Grund fuer die Energiewende (CO2-Ausstoss Senkung) ist im Vgl zu zB FR gescheitert. Trotz vielen hundert Milliarden € ist D beim Ausstoss von CO2 schlechtes Mittelfeld.
    2) Also muss es viell. andere Gruende fuer die Energiewende geben (aus dem Bereich der Ideologie, zB Vergraetzung von energieintensiven Industrien in D?)
    3) Der eingeschlagene, fehlerhaft-uebertriebene Weg von Zuviel an Erneuerbaren (>40%) ist eine Sackgasse. Die „Boecke“ der letzten 20 Jahre haben den Garten systematisch verwahrlosen lassen.
    4) Die lukrativen Subventionen v.a. bei Wind- aber auch Solarkraft, die opulente Foerderung von Stromverbrauchern wie E-Autos und Waermepumpen und aller anhaengenden Gewerke fuehrt inzwi zu starken Widerstaenden, zu einer vernuenftigen, bezahlbaren Energiepolitik zurueckzufinden.
    5) Wir sind mitten in der Interventionsspirale: Netzausbau, Redispatch, zu bauende Reservekraftwerke, die nichts anderes sind, als Feigenblaetter zur Ueberdeckung fuer die willentliche Zerstoerung von AKW und Kohlekraftwerken.
    6) Das Steueraufkommen fuer 5) reicht nicht. Durch die Zerstoerung der Wirtschaft durch eine falsche Energiepolitik fehlt die Wirtschaftskraft/Steuersubstrat, um 5) ordentlich durchfuehren zu koennen. Wir stecken fest.
    7) Die Idee sich von Grosskraftwerken und der ueberwiegend ausreichenden, vorhandenen! Netzinfrastruktur abzuwenden und sie durch dezentrale, kleinteilige, viel-viel-teurere, wetter-abhaengige Energieerzeugung zu ersetzen ist Wahnsinn gewesen.
    8) Wenn nicht brutal und stark gegengesteuert wird (Wiederherstellung der Grosskraftwerke, mehr Kernkraft), wird es weiter ins wirtschaftlich tiefere Tal gehen.
    9) Schliesslich wird der „Bock“ verjagt, damit der „Garten“ wieder wachsen kann.

    Zu streng? Zu extrem? Wo liegen Fehlschluesse und Kurzsichtigkeiten?

    LG Joerg

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