Was Schwarz-Rot verspricht (14)
Energiepolitik nach der Bundestagswahl
Mehr Anpassung an die Realität

Der kurze, aber intensive Wahlkampf für die vorgezogene Bundestagswahl Anfang des Jahres wurde vom Thema Migration dominiert. Die Wirtschaftspolitik spielte nur eine untergeordnete Rolle. Nach der Wahl verlagerte sich die wirtschaftspolitische Debatte schnell auf die Schuldenbremse und führte zu einem fiskalpolitischen Regimewechsel. Andere wirtschaftspolitische Themen wurden nicht so prominent diskutiert, erfordern aber ebenfalls wichtige politische Reformen. Die Energiepolitik ist eine dieser Prioritäten. Unserer Ansicht nach enthält der Koalitionsvertrag einige wichtige Reformmaßnahmen für den deutschen Energiemarkt.

Im Koalitionsvertrag stehen vor allem Reformmaßnahmen für den deutschen Strommarkt im Fokus. Die Vereinbarung betont das energiepolitische Dreieck aus Wirtschaftlichkeit/Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Umwelt-/Klimaverträglichkeit. Insbesondere die Kosteneffizienz der Energiewende könnte künftig eine größere Rolle spielen, da Bedenken hinsichtlich der Aufrechterhaltung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit klar angesprochen werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund enthält der Koalitionsvertrag ein konkretes politisches Ziel: die Senkung des Strompreises. Es bleibt jedoch abzuwarten, in welchem Umfang und für welche Stromkunden dies geschieht.

Die wichtigste Passage im Koalitionsvertrag zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien könnte sein, dass bis zum Sommer 2025 ein Monitoring-Prozess stattfinden soll, um den erwarteten Strombedarf sowie den Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Ausbaus der erneuerbaren Energien, der Digitalisierung und des Wasserstoffhochlaufs zu überprüfen. Dies deutet darauf hin, dass die ambitionierten konkreten Ausbauziele für erneuerbare Energien der vorherigen Bundesregierung an die tatsächlichen und erwarteten künftigen Entwicklungen des Strombedarfs oder an das Tempo des Netzausbaus angepasst werden. Der allgemeine Trend hin zu mehr erneuerbaren Energien wird jedoch klar unterstützt. Batteriespeicher dürften ein Wachstumsmarkt bleiben, wobei auch hier ein netzverträglicher Ausbau der Kapazitäten wichtiger wird.

Bei den (neuen) Back-up-Kraftwerken geht der Trend zu Gaskraftwerken (bis zu 20 GW), wobei Technologieoffenheit betont wird. Zumindest gibt es keine Festlegung, dass Gaskraftwerke künftig wasserstoffbereit sein müssen. Ein Kapazitätsmarkt soll Investitionssicherheit gewährleisten und Anreize zur Kostensenkung schaffen. Dennoch bleibt die rechtzeitige Bereitstellung ausreichend gesicherter Kapazität (oder Residuallast) eine Herausforderung. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 im Koalitionsvertrag bezieht sich nur auf Braunkohle; Steinkohlekraftwerke werden nicht explizit erwähnt. Der Gesamtanteil der Kohle an der Stromerzeugung wird jedoch schon aufgrund des EU-Emissionshandelssystems und des Ausbaus erneuerbarer Energien weiter sinken.

Der Koalitionsvertrag enthält ein allgemeines Bekenntnis zu klimaneutralem Wasserstoff. Er umfasst jedoch keine konkreten Zeitpläne oder Ausbauziele. Dies könnte widerspiegeln, dass die industrielle Nachfrage nach (grünem) Wasserstoff geringer ausfällt als erwartet und dass die Produktion, Umwandlung und der Transport von Wasserstoff auf absehbare Zeit teuer bleiben werden. Somit könnte Wasserstoff vorerst ein Nachzügler in der Energiewende sein.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Kosteneffizienz der Energiewende künftig eine größere Rolle spielen dürfte. An vielen Stellen wird erwähnt, dass Investitionen in den Energiesektor systemdienlich, netzverträglich oder bedarfsorientiert sein sollen. Dazu gehört die Synchronisierung von Angebot, Nachfrage, der Netzausbau und die Entwicklung von Speicherkapazitäten auf dem Strommarkt.

Da die Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energien gestiegen ist (Rückgang der Stromgestehungskosten) und eine Kombination mit Speichertechnologien (Batterien) lukrativer wird, dürfte die direkte staatliche Förderung erneuerbarer Energien für Betreiber von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien und Investoren weniger wichtig werden. Ein klares Ziel des Koalitionsvertrages ist es, erneuerbare Energien flexibler in den Markt zu entlassen, was bedeutet, dass Betreiber künftig mehr Preis- und Mengenrisiken tragen oder regionale Netzengpässe stärker berücksichtigen müssen.

Zugegebenermaßen sind viele Aussagen zur Energiepolitik im Koalitionsvertrag an einigen Stellen noch vage und enthalten wenige konkrete quantitative Ziele. Dies muss nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen sein, da in der Vergangenheit energiepolitische Ziele oft nicht mit den energiewirtschaftlichen Realitäten übereinstimmten, die letztlich das Ergebnis von Millionen täglicher Einzelentscheidungen von Unternehmen und Privathaushalten sind. Grundsätzlich ist der energiepolitische Rahmen der neuen Regierung – verankert im Dreiklang von Kosten, Sicherheit und Klimaschutz – jedoch vielversprechend.

Hinweis: Hier ist der Link zur Langfassung des Beitrages.

Serie: „Was Schwarz-Rot verspricht

Astrid Rosenschon (ex IfW): Strategische Subventionspolitik. Problematische staatliche „Leuchtturm-Projekte“

Friedrich Heinemann (ZEW): Reform der Schuldenbremse. Vertretbarer Kompromiss

Norbert Berthold (JMU): Wachstumsschwäche, Strukturwandel und Industriepolitik. Weiter wie bisher?

Jan Schnellenbach (BTU): Reichen die steuerpolitischen Pläne der neuen Regierung aus?

Susanne Cassel (Econwatch) und Tobias Kohlstruck (Econwatch): Mehr Mut bei der Reform der Unternehmensbesteuerung!

Gunther Schnabl (FvS): Wachstumslokomotive oder Wachstumsbremse?

Oliver Holtemöller (IWH): Staatsverschuldung und mehr Staatsausgaben als Allheilmittel?

Joachim Weimann (OVGU): Beim Klima nichts Neues

Tobias Just (IREBS): Bezahlbar, verfügbar, umweltverträglich. Der Koalitionsvertrag verspricht eine moderate Neuausrichtung der Wohnungspolitik

Stefan Seuffert (ALU): Rente im Koalitionsvertrag. Wiederbelebung der doppelten Haltelinie – doppeltes Versprechen oder doppelte Last?

Alexander Eisenkopf (Zeppelin): Was bleibt vom Sondervermögen Infrastruktur für den Verkehr?

Markus Brocksiek (BdSt): Bürokratieabbau quo vadis?

Holger Schäfer (IW): Was wird neu an der „Neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende“?

Norbert Berthold (JMU) und Jörn Quitzau (Bergos): Was Schwarz-Rot verspricht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert