Über Staatsgeld, Experten und Krisen

„Stets findet Überraschung statt, da wo man’s nicht erwartet hat“, so schrieb schon Wilhelm Busch (1832 – 1908). Damit hat er dem „Gesetz der unbeabsichtigten Konsequenz“ – ein unverzichtbarer Begleiter der umsichtigen Ökonomik – gewissermaßen ein dichterisches Denkmal gesetzt. Schon Frédéric Bastiat (1801 – 1850) schrieb, dass ein schlechter Ökonom sich in seiner Analyse auf die sichtbaren Effekte beschränkt, der gute Ökonom hingegen vor allem auch die nicht sichtbaren Effekte vorhersieht und beachtet.

Weil aber der Zeitgeist dem Gesetz der unbeabsichtigten Konsequenz nicht die Aufmerksamkeit zukommen lässt, die es verdient, könnte eine böse Überraschung ins Haus stehen. Denn die Repräsentanten und Befürworter der staatlichen Kredit- und Geldordnung, der die Verantwortung für das Debakel auf den internationalen Kredit- und Finanzmärkten zuzuschreiben ist, haben sich daran gemacht, die Krise zu „bekämpfen“. Zu ihnen zählen die „Experten“ in den Finanzministerien, Aufsichtsbehörden und Zentralbanken, die begleitet und ermutigt werden von den Ratschlägen der „Mainstream“-Ökonomenzunft.

Das Bild, dass der Bock zum Gärtner gemacht wird, drängt sich an dieser Stelle geradezu auf, denn schließlich ist der de facto Kollaps des Finanzsystems ja im Kern das Ergebnis des staatlichen Kredit- und Geldsystems, in dem die Notenbanken das Monopol über die Geldproduktion halten und die staatliche Aufsicht und Regulierung das Verhalten der Marktakteure entscheidend prägt.

Die Zentralbanken allein bestimmen, wie viel Geld – das per Bankenkreditvergabe produziert wird – in Umlauf gebracht wird. Das ist nicht nur ein chronisch inflationäres Verfahren, sondern auch eine Geldproduktion, die es in einem privatisierten Geldsystem so nicht geben kann. Sie senkt den Marktzins künstlich ab und setzt Investitionen in Gang, die ohne ein Heruntermanipulieren des Zinses nicht angegangen worden wären, und deren Erfolg davon abhängt, dass immer mehr Kredit und Geld in Umlauf gebracht und die Zinsen immer weiter abgesenkt werden.

Trübt sich die Konjunktur ein, „bekämpfen“ die Zentralbanken die eigentlich notwenige „Bereinigungsrezession“ mit einem noch weiteren Absenken des Marktzinses durch Ausweiten des Kredit- und Geldangebots. Die Geldpolitik sorgt auf diese Weise im Zeitablauf für ein Anwachsen der Verschuldung relativ zum Einkommen der Volkswirtschaften. Mittlerweile scheint sich weltweit eine Überschuldungssituation eingestellt zu haben.

Private Kreditgeber haben angesichts der gewaltigen Kreditpyramide nun die Sorge, dass Schuldner ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können. Sie wollen fällige Kredite nicht mehr, oder wenn, dann nur zu deutlich höheren Zinsen erneuern. Und gleichzeitig scheinen (Dauer-)Schuldner nicht in der Lage oder willens zu sein, fällig werdende Kredite zurückzuzahlen oder höhere Zinsen auf ihre Schulden zu bezahlen.

Doch eine solche Diagnose der Krisenursache scheint nicht in die staatlichen Maßnahmen der Krisenbekämpfung einzugehen. Dass sich öffentlich kaum Widerspruch gegen das regt, was die Regierungen beschließen – allen voran ein noch stärkeres Ausweiten der (staatlichen) Kredit- und Geldschöpfung –, mag insbesondere an der atemberaubenden Komplexität der Krise liegen, die aus dem von Staatsgeldsystem erwachsen ist.

In der Tat ist das Kredit- und Geldsystem mit all seinen Institutionen und Regelwerken so unübersichtlich geworden, dass es – wenn überhaupt – nur noch von „Experten“ verstanden wird. Die Volksvertreter selbst sind kaum mehr in der Lage, die Quellen für Fehlentwicklungen des Systems zu identifizieren, vor allem solche nicht, die erst mit einer Zeitverzögerung in Erscheinung treten. Sie müssen sich auf den Rat von „Systemexperten“ verlassen.

Diese Fachleute haben ihre Berufskarrieren darauf verwandt, Experten des Systems zu werden. Bei den Experten dürfte es sich um solche handeln, die vorbehaltlos die Prinzipien, auf denen das System ruht, anerkennen. Denn diejenigen, die weder die Prinzipien, auf denen das System ruht, noch die Ziele, die das System verfolgt, befürworten, werden kaum die Bereitschaft und Ausdauer haben, sich mit den Einzelheiten und Gepflogenheit des Systems vertraut zu machen, um sich so im Kreise der ausgewiesenen Systemexperten – etwa in Rahmen von Gremiensitzungen und auf Konferenzen – zu bewähren.

Sie werden daher auch kein Gewicht haben, wenn es gilt, bei der Ursachendiagnose der Fehlentwicklungen und an der Formulierung von (System-)Reformen mitzuwirken. Allein schon das wirtschaftliche Eigeninteresse der Experten, die sich dem System verschrieben haben, würde wohl verhindern, dass sich eine Reform durchsetzt, die das System so verändert, dass die bisherigen Systemexperten ihren Expertenstatus einbüßen.

Ist das staatliche System also erst einmal errichtet, so wird seine weitere Entwicklung so gestaltet, wie es diejenigen, die in seine Dienste getreten sind, für nötig und richtig erachten. Daher dürften auch die Beschlüsse auf dem jüngsten G-20 Gipfel der Staats- und Regierungschefs nicht überraschen: mehr Interventionismus und weniger Kapitalismus, mehr Staatsschulden und noch mehr Kredit- und Geldschöpfung – so lauten die Empfehlungen der Systemexperten, um die Krise zu bewältigen und künftige Krisen zu verhindern.

Ein Aufrechterhalten des Staatsgeldsystems wird jedoch immer weitgehende Einschränkungen der bürgerlichen unter unternehmerischen Freiheiten erfordern. Das wird nicht nur die wirtschaftlichen Kräfte erlahmen lassen, sondern es werden dabei auch immer gewaltigere Schuldenlasten aufgetürmt. Aus dieser Zwangsjacke werden sich die Gesellschaften aller Wahrscheinlichkeit nach früher oder später durch Inflation zu befreien suchen – mit all den damit verbundenen wirtschaftlichen und politischen Kosten.

Vorerst aber zielen die Versuche der Regierungen und ihrer Experten darauf ab, die Inflation zu vermeiden und sie so gut es eben geht in die Zukunft zu verschieben, etwa dadurch, dass die zu Tage tretenden Rechnungen per Staatsverschuldung auf künftige Generationen verschoben werden. Doch auch das reicht nicht mehr aus, den Zerfallserscheinungen Einhalt zu gebieten. Und so wird mittlerweile sogar das Nationalisieren von Geschäftsbanken als probates Mittel gesehen, um der Kreditmarktmisere Herr zu werden.

Ein solcher Schritt würde das verbliebene privatwirtschaftliche Element im Kredit- und Geldangebotssystem, das auf eine Korrektur der Fehlentwicklungen hinarbeiten könnte, eliminieren. Der Staat hätte dann uneingeschränkt über die Kreditvergabe und –verteilung zu entscheiden und folglich auch darüber, welche Investitionen angegangen werden und welche nicht; und welche Arbeitsplätze geschaffen werden und welche nicht. Der Weg in die Lenkungs- und Befehlswirtschaft wäre vollzogen.

Der Interventionismus breitet sich deswegen ungehemmt aus, weil in der Öffentlichkeit die von ihm verursachten Krisen als Folge des freien Wirtschaftsgeschehens (um-)gedeutet werden. Und so werden die Finanz- und Wirtschaftskrisen, die das Staatsgeldsystem produziert, mit gerade den Mitteln „bekämpft“, die sie verursacht haben. Vermutlich hätten die betroffenen Bürger nicht ihre Zustimmung für das Errichten eines staatlichen Monopolgeldsystems gegeben, wenn sie zum Zeitpunkt, an dem die Entscheidung zu fällen war, auch nur ansatzweise gewusst hätten, welche langfristigen Folgen auf sie und ihre Nachfolgegeneration(en) zukommen.

Dass aber immer noch nicht der Ernst der Lage erkannt wird, und dass weiterhin in Staatseingriffen, nicht aber im Wirken der freien Marktkräfte die Lösung gesucht wird, dafür spricht, dass Vorschläge zur Reform des Geldsystems – allen voran das Privatisieren das Kredit- und Geldsystems – immer noch als exotisch und als nicht praktikabel abgetan werden. Und so bleibt nur mit Wilhelm Busch zu enden: „Aber wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe!“

Thorsten Polleit
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3 Antworten auf „Über Staatsgeld, Experten und Krisen“

  1. So wahr. Unsere Politiker sind auf dem „Higway to Hell“.
    Ich fand vor kurzem dazu auf.
    http://www.bissige-liberale.net/

    „Was sind das für Reformen, die uns Wände voll neuer Gesetze, Novellen und Durchführungsverordnungen bringen? Liberale Reformen sind es jedenfalls nicht. Es sind Reformen, die in immer ausgeklügelterer Form Bürger in neue Abhängigkeiten von staatlichen Organen bringen, wenn nicht sogar zwingen.
    Ludwig Erhard

    Was soll man mehr dazu sagen. Es ist einfach nur „ätzend“ was derzeit abgeht. Ich weiß gar nicht wie es sein kann, daß die Schuldenberge nicht mal mehr einige Zeilen wert sind. Und was diese Jahr noch obendraukommt dürfte mit einer der höchsten Neuzuwächse an Schulden prozentual sein das wir je erlebten/erleben werden. Und was der absolute Irrsinn ist. Zuviel Geld wird mit noch mehr Geld „bekämpft“

    Jeden Tag den es so weiter geht wird die wirklichen Auswirkungen extrem verstärken. Heute schon wird über 4 Mio Arbeits loste geredet als wären das „Peanuts“….

  2. Als Ergänzung zu diesem lesenswerten Artikel kann ich wärmstens folgende Internetseite empfehlen:

    http://www.wahrheiten.org/blog/geld-luege/

    Ich für meinen Teil habe nicht vor eine Grenze zwischen „den Politikern“ und uns zu ziehen, denn letzten Endes werden WIR BÜRGER bei einem Crash des Finanzsystems bluten müssen – die Staatsschulden werden auf den Einzelbürger in Form einer hyperinflativen Geldentwertung abgewälzt.

    Daher meine Frage: gibt es eine Petition, mit der sich das deutsche Volk an unsere Politiker wenden kann, um eine grundlegende Reform des bestehenden Geldsystems zu bewirken? Denn: wir haben keine Zeit mehr zu verschenken – wir stehen kurz vor einer globalen Finanzkatastrophe!

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