In Deutschland ist die öffentliche Hand vielfältig unternehmerisch tätig und an weit mehr als 10.000 Unternehmen beteiligt. Allein der Bund ist an 500 und die Länder sind an über 2.000 Unternehmen beteiligt. Hinzu kommen Beteiligungen der 12.000 Gemeinden. Die Tätigkeit der Unternehmen reicht von der Energieversorgung und Wohnungswirtschaft über den Personen- und Güterverkehr bis hin zu Automobilproduktion, Brauereien und Porzellanherstellung. Der Umsatz kommunaler Unternehmen stieg zwischen 2000 und 2007 um zwei Drittel auf über 210 Mrd. Euro. Ihre Gewinne verdoppelten sich auf 10 Mrd. Euro. Zudem ist mancherorts ein Trend zur Rekommunalisierung bereits privatisierter Versorgungsbetriebe zu beobachten.
Die erhebliche Zahl staatlicher Beteiligungen ist ordnungspolitisch fragwürdig. Der Staat sollte sich weitgehend darauf beschränken, einen Regelrahmen zu setzen, in dem sich wirtschaftliches Handeln von Privaten abspielt. Staatliches unternehmerisches Handeln darf in einer Marktwirtschaft nur die Ausnahme sein. Daher sollte die Privatisierung von Staatsbetrieben und staatlichen Beteiligungen konsequent vorangetrieben werden. Dieser Prozess wird am besten durch eine unabhängige Expertenkommission koordiniert.
Bisher hat die Bundesregierung das im Koalitionsvertrag angekündigte Versprechen, die öffentlichen Beteiligungen generell zu überprüfen, nicht eingelöst. Der 2010 einberufene Expertenrat beschränkte seine Arbeit auf krisenbedingte Beteiligungen des Bundes an Unternehmen des Finanzsektors. Stellt dies ohne Zweifel eine wichtige Aufgabe dar, so blieb ihr Umfang deutlich hinter dem angekündigten Maß zurück.
Dies wiegt schwer, denn durch seine unternehmerische Tätigkeit tritt der Staat in Konkurrenz zu privaten Unternehmen – und dies häufig zu unfairen Wettbewerbsbedingungen. So können öffentliche Unternehmen, z. B. in der Rechtsform der Anstalten öffentlichen Rechts, Leistungen umsatzsteuerfrei anbieten, während ihre privaten Wettbewerber umsatzsteuerpflichtig sind. Bei der Ertragsbesteuerung können öffentliche Unternehmen wesentlich weitreichender ihre Verluste mit Gewinnen anderer Betriebe verrechnen als private und auch die Finanzierungsbedingungen sind aufgrund des faktisch kaum vorhandenen Konkursrisikos für öffentliche Unternehmen besser als für private. Weitere Wettbewerbsverzerrungen ergeben sich aus uneinheitlichen Aufsichtsstrukturen: So unterstehen öffentlich-rechtliche Wasserversorger der Gebührenkontrolle der Kommunalaufsicht; privatrechtliche hingegen der Preisaufsicht durch die Kartellbehörden.
Doch wann darf der Staat überhaupt unternehmerisch tätig sein? Das Haushaltsrecht von Bund, Ländern und Kommunen beschränkt die Betätigung der öffentlichen Hand auf Fälle, in denen ein öffentliches Interesse vorliegt und sich der verfolgte Zweck nicht wirtschaftlicher oder besser auf andere Weise erbringen lässt. Allerdings lassen sich diese Kriterien sehr weit auslegen, so dass sie öffentliche Betätigungen nicht wirksam begrenzen. Daher sollten öffentliche Beteiligungen anhand folgender Kriterien konsequent überprüft werden: In Märkten, in denen der Staat als Wettbewerber von Privaten auftritt, gibt es keinerlei Legitimation für staatliches Handeln. Eine Privatisierung ist hier obligatorisch. In Fällen, in denen aufgrund natürlicher Monopole Wettbewerb nicht oder nur eingeschränkt existiert, ist zu prüfen, wie über Ausschreibungswettbewerb oder – bei netzgebundenen Gütern – durch die Trennung von Netz und Betrieb die Situation dem Wettbewerb angenähert werden kann. Auch dabei gilt, dass der Staat vorzugsweise nicht selbst als Betreiber auftreten, sondern dies Privaten überlassen sollte. Allerdings kann eine Regulierung des Netzzugangs notwendig sein, damit Wettbewerb stattfinden kann. Dies ist wichtig, denn ob Privatisierungen zu sinkenden Preisen und einem besseren Leistungsangebot führt, hängt insbesondere davon ab, ob sie in Wettbewerb mündet. Werden aus staatlichen Monopolen private gemacht, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass der private Monopolist konsequenter die Preise erhöht als sein staatlicher Vorgänger.
Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass technischer Fortschritt dazu führen kann, dass Bereiche, die vormals als natürliche Monopole betrachtet wurden und daher in staatlicher Hand waren, dem Wettbewerb zugänglich gemacht werden können. Die weitreichende Verbreitung von Mobilfunknetzen neben dem Festnetz ist ein Beispiel dafür. Die Überprüfung des staatlichen unternehmerischen Engagements muss daher eine Daueraufgabe sein.
Wichtige Impulse für Liberalisierung und Privatisierung kamen und kommen auch von der Europäischen Kommission, die durch Deregulierung und Marktöffnung den europäischen Binnenmarkt vorantreiben möchte. So führten die Binnenmarktrichtlinien für Strom (1996) und Gas (1998) zur Liberalisierung dieser Märkte und sorgten für freieren Netzzugang von Anbietern und Nachfragern. Deutsche Landesbanken, die zu einem großen Teil in Konkurrenz zu privaten Banken handeln, mussten Anfang des Jahrtausends Wettbewerbsvorteile wie die Gewährträgerhaftung und die Anstaltslast aufgeben. Und auch der am 20.12.2011 von der Kommission vorgestellte Entwurf der überarbeiteten Europäischen Vergaberichtlinien könnte neuen Schwung in die Privatisierungsüberlegungen insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge bringen.
Dieser Policy Brief entstand auf Basis des ECONWATCH-Meetings „Der Staat als Unternehmer – ist das seine Aufgabe?“ mit Prof. Dr. Jens Harms (Präsident des Rechnungshofs von Berlin a.D.) in Berlin.
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Wie marktwirtschaftlich ist ein Markt, der doch nur eine Veranstaltung des Staates ist? Und wie privat ist ein privatisiertes Unternehmen, welches doch tausenden von staatlichen Vorschriften unterliegt?
Ist Ordnungspolitik reiner Utilitarismus oder geht es um Freiheit? Irgendwie ist mir die hier vertretene Haltung einfach zu schwach, um unter wirtschaftlicher Freiheit zu firmieren.