Gastbeitrag
Finanzmarktstabilität: Basel III löst die Probleme nicht

Banken sollen mehr Eigenkapital vorhalten, um ihre Kreditgeschäfte besser abzusichern – das ist Ziel von Basel III. Neben mehr Stabilität auf den Finanzmärkten soll das auch dafür sorgen, dass der Steuerzahler weniger häufig für Bankenrettungen zur Kasse gebeten wird. Wie Basel II setzt Basel III aber weiterhin in erster Linie auf einen Ansatz, wonach unterschiedliche Finanzgeschäfte – je nach Risiko – mit unterschiedlich viel Eigenkapital unterlegt werden müssen. Die Einschätzung der Risiken orientiert sich dabei an dem Urteil von Rating-Agenturen oder an Risikomodellen der Banken. Demnach müssen Banken für Kredite an Staaten der Eurozone trotz der Staatsschuldenkrise nach wie vor kein Eigenkapital vorhalten. Auch deshalb wäre eine deutlich höhere ungewichtete Eigenkapitalunterlegung besser, die damit auch sämtliche Kredite an Staaten angemessen absichern würde. Die neu vorgesehene ungewichtete Eigenkapitalquote („leverage ratio“) ist mit drei Prozent der Bilanzsumme hingegen zu niedrig. Im Gegenzug könnte auf komplizierte risikogewichtete Regeln verzichtet werden. Die ursprünglich für die erste Juliwoche vorgesehene Abstimmung im Europäischen Parlament wurde auf voraussichtlich Ende Oktober verschoben. Die Zeit sollte genutzt werden, die Schwachstellen von Basel III zu beheben. Sonst müssen die Arbeiten an Basel IV sehr bald beginnen.

Die Finanzkrise der Jahre 2008/2009 hat gezeigt, dass relativ kleine Verluste von Finanzinstituten schwerwiegende globale Auswirkungen haben können. Das Geschäftsvolumen der US-Investmentbank Lehman Brothers auf dem US-Immobilienmarkt war relativ gering. Dennoch mussten nach ihrem Zusammenbruch weltweit viele Banken vom Steuerzahler gerettet werden. Weil das Eigenkapital der Lehmann Bank und anderer Banken nicht reichte, um die eigenen Verluste abzudecken, wurde das Kapital ihrer Gläubiger, z. B. andere Banken, in Mitleidenschaft gezogen. Das führte zu einer weltweiten Kettenreaktion: Die Interbankenmärkte kamen zum Erliegen, weil die Banken sich gegenseitig nicht mehr trauten. Die Stabilität des Finanzsystems hängt also entscheidend davon ab, wie viel Eigenkapital die einzelnen Finanzinstitute vorhalten. Wenn die Schieflage eines einzelnen Instituts die Funktionsfähigkeit des gesamten Finanzsystems gefährdet, spricht man von systemischem Risiko. Die Schieflage einer Bank kann dazu führen, dass das Kapital ihrer Gläubiger in Mitleidenschaft gezogen wird und diese dann selbst in Schwierigkeiten geraten. Aber auch ohne vertragliche Verbindungen können Probleme einer Bank einen Run auf die Aktiva anderer Banken auslösen, wenn die Gläubiger dort ebenfalls Schwierigkeiten vermuten. Das systemische Risiko, das von einer Bank ausgeht, steigt mit dem Ausfallrisiko der Kredite, die sie vergeben hat, mit der Größe der Bank oder Finanzgruppe („too big to fail“) und damit, wie sehr Geschäfte mit anderen Banken gemacht werden („too connected to fail“).

Um das Finanzsystem stabiler zu machen und systemischen Risiken vorzubeugen, schreiben die Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht Eigenkapitalanforderungen für Banken vor. Grundsätzlich sollten Regulierungen möglichst einfach sein und so ausgestaltet werden, dass sie wenig Feinsteuerung bedürfen und möglichst wenig anfällig für Mess- und Prognosefehler sind. Basel III setzt aber wie Basel II auf komplizierte Modelle mit Risikogewichtung und damit auf die Illusion, man könne Risiken adäquat einschätzen: Je höher die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredites, den eine Bank vergibt, desto mehr Eigenkapital muss sie dafür vorhalten. Dabei muss z. B. für Kredite an Staaten wie Deutschland oder auch Griechenland und Spanien gar kein Eigenkapital unterlegt werden. Somit können Banken an diese Staaten Kredite ohne eigenes Risiko vergeben, was zu einer exzessiven Kreditvergabe an Regierungen führen kann. Auch berücksichtigen die Risikomodelle Ansteckungsgefahren nicht angemessen. Die Risikogewichtung ist eine Ursache dafür, dass Finanzinstitute zu wenig Eigenkapital vorhalten.

Neben der risikogewichteten Eigenkapitalquote sieht Basel III zusätzlich eine ungewichtete Eigenkapitalquote („leverage ratio“) für Banken vor. Sie ist jedoch mit drei Prozent im Verhältnis zur gesamten Bilanzsumme zu niedrig. Insgesamt ist demnach nicht zu erwarten, dass mit Basel III systemische Risiken wirksam bekämpft und nachhaltig mehr Finanzmarktstabilität erreicht werden können. Besser wäre eine deutlich höhere ungewichtete Eigenkapitalunterlegung, die sämtliche Kredite an Staaten angemessen berücksichtigen würde. So fordert der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie u. a. eine Eigenkapitalquote von deutlich über zehn Prozent der ungewichteten Bilanzsumme. Im Gegenzug könnte auf komplizierte risikogewichtete Regeln verzichtet werden. Dies würde dazu führen, dass Banken für Kredite mehr Eigenkapital unterlegen und so mit mehr eigenem Geld für die Risiken ihrer Kreditgeschäfte haften müssten. Entsprechend würden Banken bei der Kreditvergabe vorsichtiger werden. Gleichzeitig würden die Finanzmarktstabilität erhöht und die Risiken der Banken gesenkt. Dadurch würden die Kosten für Eigenkapital sinken. Auch würde die Kreditvergabe an Unternehmen im Vergleich zu der an Staaten attraktiver. Eine solche Anpassung der Eigenkapitalvorschriften sollte schrittweise erfolgen, um mögliche kurzfristige negative Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung zu vermeiden.

Dieser Policy Brief entstand auf Grundlage des ECONWATCH-Meetings „Basel III und ESRB – kann so mehr Finanzmarktstabilität erreicht werden?“ mit Prof. Dr. Claudia M. Buch (Universität Tübingen, IAW und Sachverständigenrat) in Berlin.

Hinweis

Eine anschauliche Erläuterung der in diesem Beitrag diskutierten Fragestellungen der Finanzmarktstabilität und Basel III von Prof. Dr. Claudia Buch finden Sie in unserer Ordothek.

2 Antworten auf „Gastbeitrag
Finanzmarktstabilität: Basel III löst die Probleme nicht“

  1. Ich denke nicht, dass der Fokus auf eine unbedingte Eigenkapitalquote der Lösungsansatz für die möglicherweise zugunsten von Staaten verzerrte Risikogewichtung sein kann. Mit eine wenig Fantasie könnten Banken so gewaltige Risiken eingehen, in dem sie Finanzinstrumente mit geringem Nennwert und großem Risiko in ihre Bilanz aufnehmen. Emittenten könnten sich darauf einstellen und besonders riskante Instrumente entwickeln, um sie dann an unterkapitalisierte Banken zu verkaufen. Eine Risikogewichtung ist zwingend notwendig, jedoch müssen die von den Regulierungsbehörden bestimmten Gewichte mit dem tatsächlichen Risiko der Anleihen einhergehen.

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