Impfpflichten und Impfanreize

Sehr viele Bürger bewerten die in der Folge einer Impfung zu erwartende Reduktion des Risikos mittelschwerer und schwerer Verläufe von Covid-19 Infektionen für sich höher als das Risiko negativer Impfkomplikationen und lassen sich daher freiwillig impfen. Viele Bürger sind zudem auch aus gemeinwohlorientierten Gründen motiviert, das Krankheitsrisiko für Dritte dadurch zu reduzieren, dass sie als Geimpfte im Falle einer eigenen Covid-19 Infektion weniger zur Weiterverbreitung des Virus beitragen. Ob diese Impfmotive hinreichen, um das Kollektivgut der sogenannten Herdenimmunität zu erlangen, ist beim gegenwärtigen Stand der Dinge offen. Dass das Ziel zügig genug erreicht wird, um eine weitere Welle schwerer Covid-19 Verläufe abzuwenden, ist eher unwahrscheinlich. Über die Subvention des Impfangebots hinausreichende, zusätzliche Impfanreize erscheinen daher kollektiv wünschenswert. Wie solche Anreize unter Einhaltung verfassungsrechtlicher Verhältnismäßigkeitsgrundsätze geschaffen werden können und sollten, wirft über die tagespolitische Pragmatik hinausweisende grundlegende Fragen auf.

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Besondere Regeln für Geimpfte?

Der erste Satz der ad-hoc Empfehlung des Deutschen Ethikrates „Besondere Regeln für Geimpfte?“ vom 04.02.2021 lautet:

Spätestens seit Beginn des Impfprogramms wird auch in der breiteren Öffentlichkeit kontrovers diskutiert, ob eine Impfung gegen Covid-19 zu besonderen Regeln für geimpfte Personen führen dürfe oder sogar müsse.

Nach ziemlich viel Zwischentext lesen wird dann als letzten Satz der ad-hoc Empfehlung:

Nur soweit der Zugang zu Angeboten privater Anbieter für eine prinzipiell gleichberechtigte, basale gesellschaftliche Teilhabe unerlässlich ist, ist eine Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen nicht zu rechtfertigen.“

Formuliert man den letzten Satz um, so wird die Sache transparenter:

  1. Eine privatvertragliche „Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen“ ist grundsätzlich erlaubt;
  2. Die Vertragsfreiheit darf ausnahmsweise eingeschränkt werden, um zu verhindern, dass „der Zugang zu Angeboten privater Anbieter“, die „für eine prinzipiell gleichberechtigte, basale gesellschaftliche Teilhabe unerlässlich“ sind, nicht gewährleistet ist.

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Am aktuellen Rand
Memento Moriae
Christdemokraten zwischen Neo-Marxismurx und Seehofer

Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow werfen der Bundesregierung vor, angesichts der Brandkatastrophe im Lager Moria nicht christlich zu handeln. Die offiziellen Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche in Deutschland tun indirekt dasselbe.

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Memento Moriae
Christdemokraten zwischen Neo-Marxismurx und Seehofer
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Auf den Spuren der Kreuzritter
Das Gesetz gegen Ausbeutung in globalen Lieferketten (Lieferkettengesetz)

Im Juni 2011 stellte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die „Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ auf, die eine Pflicht zum Schutz von Menschenrechten, die Verantwortung zur Achtung von Menschenrechten und den Zugang zu Abhilfe vorsehen (Wurzberger 2020). Da von den Handlungen der Unternehmen nachteilige Auswirkungen auf die Einhaltung der Menschenrechte ausgehen können, wird aus den Leitprinzipien eine Verpflichtung der Unternehmen auf Schutz der Menschenrechte innerhalb der gesamten Lieferkette abgeleitet. Dabei bleibt es den einzelnen Nationalstaaten überlassen, ob sie den Schutz der Menschenrechte durch Hinwirken auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen oder durch ein Gesetz realisieren. In manchen Staaten hat man sich bereits für eine gesetzliche Regelung entschlossen: Frankreich (Droit des Vigilance, 2017), Vereinigtes Königreich Großbritannien (Modern Slavery Act, 2015) und Niederlande (Child Labor Due Diligence Act, 2019).

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Das Gesetz gegen Ausbeutung in globalen Lieferketten (Lieferkettengesetz)
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Kurz kommentiert
„Im Stich gelassen“, „allein gelassen“ und der Nanny-Staat

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. Juli 2020 (S. N4) findet sich ein Interview mit einer Doktorandin in Biochemie, die ein auf drei Jahre begrenztes Marie-Curie-Stipendium der Europäischen Union erhielt. Sie beklagt, daß sie durch den pandemiebedingten Lockdown ihre Untersuchungen nicht bis zum geplanten Zeitpunkt zu Ende führen könne und die EU es nicht vorsehe, „eine bezahlte Verlängerung des Stipendiums zu erhalten“. Daraufhin habe sie „eine formelle Beschwerde beim Ombudsmann der EU eingereicht und einen offenen Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschrieben.“ Eine Veröffentlichung des Briefes auf sozialen Medien habe gezeigt, daß viele andere Doktoranden in anderen Ländern ebenfalls von diesem Problem betroffen seien. Unabhängig davon, wie die Geschichte weitergeht (vermutlich wird die Behörde dem Ansinnen der Stipendiat nachgeben, da ja der eigentliche Financier – der Steuerzahler – nicht an der Entscheidung beteiligt wird, und nach Abschluß der Promotion wird sich vermutlich die Stipendiatin zum Forschen in die USA begeben, da dort die Rahmenbedingungen den europäischen überlegen seien), ist doch folgendes festzuhalten: Hier bekommt jemand nahezu ohne Gegenleistung finanzielle Mittel, beklagt sich, daß diese Geldleistungen zum vorher vereinbarten Zeitpunkt enden und setzt dann alle Mittel ein (Beschwerde, offener Brief, Interview in der FAZ, Posts in sozialen Medien), um die eigenen Interessen durchzusetzen. Freilich läßt sich das aus rein individueller Perspektive kaum kritisieren, versuchen doch die meisten Menschen, den eigenen Nutzen (ob finanziell oder nichtfinanziell ist dabei nicht von Belang, auch altruistisches Handeln kann Präferenzen befriedigen und dadurch Nutzen stiften) zu mehren.

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Am aktuellen Rand
Die offene Gesellschaft und ihre Freunde
Urteil des BVerfG zur gewerbsmäßigen Sterbehilfe

Bild: Pixabay

Nachdem ich schon mehrfach auf den Seiten von „wirtschaftliche Freiheit.de“ die Ungeniertheit beklagt habe, mit der höchstrichterliche Verfassungsinterpreten unter dem Deckmantel der Verfassungsinterpretation autoritäre Intoleranz gegenüber Andersdenkenden geübt haben, bin ich vom Urteil des Zweiten Senats des BVG positiv überrascht. Es scheint, dass siebzig Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs auch unser Verfassungsgericht – nachdem ihm Oberverwaltungsgerichte und BGH vorangingen (hier)  – endgültig in der pluralen, offenen Gesellschaft angekommen zu sein scheint: Das Urteil, das den § 217 StGB, der gewerbsmäßige Sterbehilfe pönalisiert, für verfassungswidrig erklärt, ist ein Meilenstein. Es hebt sich fundamental ab von dem Skandalurteil aus dem Jahr 1957, mit dem das damalige BVG der Strafbarkeit homosexueller Beziehungen nach § 175 StGB die Verfassungskonformität attestierte.

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Die offene Gesellschaft und ihre Freunde
Urteil des BVerfG zur gewerbsmäßigen Sterbehilfe
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Novartis (1)
Novartis‘ Lotterie des Lebens
Im Spiegel und im Bild der veröffentlichten Meinung

Sofern sie über Fakten berichten, steht in Bild in etwa das gleiche, wie im Spiegel-Bild, nur kürzer. Die Berichterstattung über die von Novartis angebotene Überlebenslotterie für schwerstkranke Kleinkinder stimmt im Sachverhalt überein, nicht in der Bewertung.

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Novartis‘ Lotterie des Lebens
Im Spiegel und im Bild der veröffentlichten Meinung
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Ordnungsruf
Warum gibt es keinen Ökonomen im Deutschen Ethikrat?

Bild: Pixabay

Der Deutsche Ethikrat, dessen Vorläufer von Altkanzler Gerhard Schröder 2001 als Nationaler Ethikrat initiiert worden ist, hat die Zielsetzung, als unabhängiger Sachverständigenrat die, so heißt es, „ethischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen, medizinischen und rechtlichen Fragen sowie die voraussichtlichen Folgen für Individuum und Gesellschaft zu verfolgen, die sich im Zusammenhang mit der Forschung und den Entwicklungen insbesondere auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendung auf den Menschen ergeben“.

Ordnungsruf
Warum gibt es keinen Ökonomen im Deutschen Ethikrat?“
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Die Werte der Wirtschaft (14)
Warum CSR entlang der Wertschöpfungskette eine Gefahr für den Wettbewerb darstellt

Unter Corporate Social Responsibility (CSR) wird die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch private Unternehmen verstanden. Gerechte Löhne, gute Arbeitsbedingungen, fairer Handel, saubere Produktionsverfahren, Nachhaltigkeit der Unternehmenspolitik und ähnliches verbergen sich hinter diesem Begriff. Er ist nach diesem Verständnis generell positiv belegt.

Die Werte der Wirtschaft (14)
Warum CSR entlang der Wertschöpfungskette eine Gefahr für den Wettbewerb darstellt“
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