Gastbeitrag:
Die private Krankenversicherung darf nicht überfordert werden

Die vom Verfassungsgericht bestätigten Regeln passen nicht zum Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung. Politische Bestrebungen, die gesetzlichen Krankenkassen zu Lasten der privaten zu stärken, gehen fehl. Sie führen zu weniger statt zu mehr Nachhaltigkeit.


Nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht fest: Die private Krankenversicherung (PKV) muss sich mit den von der großen Koalition gesetzten ungünstigeren Rahmenbedingungen arrangieren. Die von dem Gericht gebilligte Pflicht der privaten Versicherungen, einen in der Regel nicht kostendeckenden Basistarif mit vom individuellen Gesundheitsrisiko unabhängigen Prämien anzubieten, passt zwar nicht zum Geschäftsmodell der PKV. Aber das Verfassungsgericht wertete das als notwendigen Beitrag zur Wahrung des Sozialstaatsprinzips. Die Tätigkeit der privaten Krankenkassen werde dadurch weder unmöglich gemacht noch nachhaltig erschwert. Eine ähnliche Einschätzung gilt für die von der großen Koalition auf drei Jahre verlängerte Wartefrist, die Arbeitnehmer nach dem Erreichen der relevanten Einkommensgrenze absolvieren müssen, bevor sie in die PKV wechseln können.

Inwieweit die jetzt bestätigten Regeln die Gewichte am Markt der Krankenversicherungen verschieben, wird sich zeigen. Anzunehmen ist aber, dass sich das zuvor kräftige Wachstum der PKV nur gedämpft fortsetzen wird. Eine noch stärkere Dominanz der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die rund 90% der Bevölkerung abdeckt, wäre jedoch problematisch.

Die GKV bietet wegen der Finanzierung durch die beschäftigungsfeindlichen Sozialbeiträge kein Modell für die Zukunft. So mussten die Arbeitgeber in Deutschland 2008 pro 100-Euro des Jahresentgeltes noch zusätzlich 18,40 Euro für Soziales aufbringen. Das ist zwar weniger als in den Vorjahren, aber noch immer weit mehr als in fast allen anderen Ländern. Zudem drohen den Sozialkassen infolge der steigenden Arbeitslosigkeit neue Nöte.

Längerfristig hängt die Demografie als Damoklesschwert über der GKV. Mit der wachsenden Zahl älterer Menschen werden in den kommenden Jahrzehnten die Ausgaben für die Gesundheit stark zunehmen. Während die PKV für den höheren Bedarf an Gesundheitsdiensten im Alter Rückstellungen bildet, also Kapital anspart, sorgen die gesetzlichen Kassen nicht vor. Bleibt es dabei, werden sie den Beitragszahlern immer tiefer in die Taschen greifen müssen. Dabei dürfte die Schmerzgrenze, bei der zahlreiche Arbeitsplätze in das Ausland abwandern, spätestens in 15 Jahren erreicht sein. Der Übergang zu einer Bürgerversicherung im Sinne einer Sozialabgabenpflicht für alle Einkommen kann diese Frist allenfalls um einige Jahre verlängern, wobei die Zusatzbelastung etwa von Ersparnissen aber schon von Beginn an Schaden anrichtet.

Viele Sozialpolitiker suchen daher nach weiteren Finanzquellen für die GKV. Dabei stehen derzeit staatliche Zuschüsse im Fokus. So hat die Politik im Rahmen der Konjunkturpakete den Bundeszuschuss im laufenden Jahr um EUR 3,2 Mrd. sowie 2010 und 2011 um jeweils EUR 6,3 Mrd. mehr erhöht, als geplant war.

Diese Notfalloperation ist sinnvoll. Hohe Sozialabgaben schaden in der aktuellen Krise doppelt. Sie treiben nicht nur die Arbeitskosten in die Höhe, sondern entziehen den Bürgern auch Kaufkraft, die es für eine Konjunkturerholung braucht. Ein Blick auf die anschwellende Staatverschuldung zeigt jedoch, dass der Staat der GKV nicht immer stärker unter die Arme greifen kann. Zu Recht wird der Bundeszuschuss ab 2012 bei EUR 14 Mrd. eingefroren, und daran sollte die Politik im Interesse der Konsolidierung des Bundeshaushalts festhalten.

Daher gibt es mehr denn je auch Bestrebungen, der GKV Einnahmen zu Lasten der PKV zu erschließen. Die jetzt höchstrichterlich bestätigte dreijährige Wartefrist bei einem Wechsel lässt sich in diesem Sinne interpretieren. Ein zweiter Weg ist die Einbeziehung der PKV in den Risikostrukturausgleich zwischen den gesetzlichen Kassen. Einen solchen Schritt fordern viele Protagonisten der GKV mit dem Argument, dass die überwiegend gut verdienenden und relativ gesünderen Mitglieder der PKV einen angemessenen Solidarbeitrag leisten sollten.

Wer diese Forderung stellt, sollte jedoch Zweierlei bedenken: Erstens verhalten sich Privatversicherte nicht so unsolidarisch, wie Kritiker behaupten. Vielmehr tragen sie zur Solidarität zwischen den Generationen bei. Sie finanzieren die Gesundheitsausgaben auch im Alter selbst, ohne die jüngere Generation zu belasten. Insoweit sollte der Staat auch keinen Solidarbeitrag einfordern. Zweitens mag es zwar richtig sein, dass viele PKV-Mitglieder über höhere Einkommen verfügen. Dies spricht aber nicht dafür, den problematischen Ansatz der Einkommensumverteilung innerhalb der GKV auf die PKV auszuweiten. Vielmehr sollte die Einkommensumverteilung generell aus der Krankenversicherung ausgelagert und dem dafür weit besser geeigneten Steuer- und Transfersystem überantwortet werden. Abkehr von den einkommensabhängigen Sozialbeiträgen zugunsten eines Prämienmodells heißt die überlegene Lösung der Finanzprobleme der GKV. Den Bürgern, die eine Prämienzahlung finanziell überfordert, könnte dann durch staatliche Zuschüsse gezielt geholfen werden.

Ohne eine solche Reform der GKV-Finanzierung, die auch eine Stärkung der privaten Kapitalvorsorge für das Alter einschließen sollte, bleiben die Perspektiven für das Gesundheitswesen eingetrübt. Bestrebungen, die GKV kurzfristig auf Kosten der PKV zu stärken, gehen in die falsche Richtung. Sie führen zu weniger statt zu mehr Nachhaltigkeit.

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