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„Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet“

Wenn die Namen Gerd Gigerenzer und Walter Krämer als Autoren eines neuen populärwissenschaftlichen Buches fallen, liegt der Verdacht nahe, dass es im weitesten Sinne um Statistik gehen dürfte, denn beide sind hinlänglich als Bestsellerautoren zu diesem Thema bekannt. Man mag sich also die Frage stellen: „Warum ein weiteres Buch? Ist nicht schon alles zu diesem Thema geschrieben worden?“

Die Antwort erschließt sich einem sogleich, wenn man den Untertitel des Buches liest: „Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“. Denn unter „Unstatistik des Monats“ greifen die beiden Autoren zusammen mit ihrem Kollegen Thomas K. Bauer seit 2012 monatlich Medienberichte auf, in denen Unstatistiken eine wesentliche Rolle spielen, also Daten oder Abbildungen auf Basis von Statistiken falsch interpretiert werden und somit zu zweifelhaften Schlussfolgerungen führen. Es werden also aktuelle Beispiele des (bewusst oder unbewusst) falschen Umgangs mit Statistiken herangezogen, die in den Medien für große Aufmerksamkeit gesorgt haben und somit in der Bevölkerung und häufig auch bei Entscheidungsträgern aus dem öffentlichen Bereich einen Einfluss auf die Meinungsbildung hatten. Das Buch verfolgt also das Ziel, Meldungen, die mit Statistiken garniert sind, kritisch zu hinterfragen und somit „Beipackzettel für Statistiken“ zu liefern.

Das Buch erhält seine Relevanz damit weniger daraus, dass bisher unbekannte Fallstricke der Statistik aufgezeigt werden, sondern daraus, dass eindrücklich dargelegt wird, wie seit langem bekannte Probleme bei der Verwendung der Statistik auch heute noch an vielen Stellen zu finden sind. Der größte Teil der ausgewählten Beispiele ist dabei aktueller Medienberichterstattung entnommen und unterstreicht die Relevanz der Konsequenzen, die sich daraus ergeben. So wird das Problem der unterschiedlichen Wirkung absoluter und relativer Risikoangaben anhand einer Studie aus dem Januar 2014 zur Wirkung von Nüssen und Olivenöl auf das Diabetes-Risiko illustriert, die großen Anklang in den Medien fand. Dabei wird die gewaltig wirkende 30%ige Reduktion des relativen Risikos an Diabetes zu erkranken auf den zweiten Blick als eine absolute Reduktion von 1,9 Prozentpunkten entlarvt – Nüsse und Olivenöl sind somit doch eher zweifelhafte Alternativen zu Sport und Diät im Kampf gegen Diabetes . Auch politisch brisante Themen wie die Arbeitslosenstatistik in der EU werden nicht ausgespart. Dieser Diskussion ist sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. Aufgrund der Relevanz des Themas für die aktuellen politischen Entscheidungen in Europa kann man auch diesen Abschnitt jedem Politiker, Journalisten und interessierten Bürger nur ans Herz legen. Verraten werden soll an dieser Stelle übrigens nicht, warum der Schlagzeile „dick macht doof“ wohl eher eine Fehlinterpretation einer empirischen Studie als eine abgesicherte Erkenntnis zugrunde liegt. Aber so viel sei als Hinweis verraten: Auch der statistische Zusammenhang von übermäßigem Fast Food-Konsum und Depression lässt nicht simpel den Schluss zu, dass Fast Food Depression auslöst.

Das Buch ist bei allem Unterhaltungswert aufgrund seiner klaren Gliederung und der allgemeinverständlichen Erklärungen auch und gerade für den Statistik-Laien eine fachliche Bereicherung. Durch die Prägnanz der Beispiele sollten sich viele „Fallstricke der Statistik“ automatisch einprägen, so dass sie bei Bedarf die Rolle des Beipackzettels übernehmen können. Somit ist das Buch wunderbar sowohl für den Urlaubstag am Strand als auch für jeden geeignet (oder besser Pflicht?), der mit Statistiken im beruflichen Alltag Umgang hat. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Buch dazu beiträgt, dass die Quelle an Unstatistiken langsam versiegen wird.

Bauer, Thomas K., Gerd Gigerenzer und Walter Krämer: Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet. Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik. Frankfurt u.a. 2014

Björn Christensen und Sören Christensen
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