In den letzten drei Jahrhunderten wurde mehrmals der Versuch gestartet, eine stabile Währungsunion aus souveränen Staaten zu bilden. Vier historische Beispiele sollen durch ihre Entstehungsgeschichte und ihren Zerfall Aufschluss darüber geben, welche Gründe und Ursachen die Instabilität von Währungsräumen vorantreibt. Die Geschichte zeigt in bestimmten Punkten gewisse Parallelen zur heutigen Situation der Europäischen Währungsunion. Austrittsgründe der historischen Unionsmitglieder und die Stärke der Austrittsbemühungen lassen sich zum Teil auf die heutige Eurozone projizieren.
Die Gründung der Europäischen Währungsunion (EWU) war ein Meilenstein in der wirtschaftlichen und politischen Integration in Europa, ein Novum per se ist sie jedoch nicht. In den letzten 300 Jahren gab es mehrmals den Versuch einen stabilen Währungsraum aus souveränen Staaten zu bilden. Vier historische Beispiele sollen mit ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Zerfall Aufschluss darüber geben, welche Ursachen die Instabilität von Währungsräumen vorantreibt. Hierbei sollen insbesondere die speziellen Austrittsgründe und der Austrittseitpunkt einzelner Unionsmitglieder untersucht werden. Diese zusammengenommen überschneiden sich natürlich zum Teil mit Thesen der durch R. Mundell 1961 begründeten Theorie optimaler Währungsräume, die hier allerdings nicht Grundlage der Untersuchung sein sollen, da nicht die Situation vor Gründung der Union sondern vielmehr die Situation einzelner Mitglieder zum Ende der Währungsräume hin betrachtet und daraus länderspezifische Austrittsgründe ermittelt werden sollen. Denn jegliches Scheitern von Zusammenschlüssen beginnt mit divergierenden Interessen der Mitglieder. Zwar ist in den historischen Währungsräumen nicht immer eine eindeutige Austrittsreihenfolge der Staaten erkennbar, aber eine faktische kann konstruiert werden. Sie hängt von der Stärke der Austrittsbemühungen der einzelnen Mitglieder ab. Abschließend wird untersucht inwieweit sich die möglichen Austrittsgründe und Analogien im Verlauf der Unionen auch in der heutigen Situation der EWU wiederfinden lassen.
1. Historische Währungsunionen – 4 Beispiele
Die Lateinische Münzunion und die Skandinavische Münz- /Währungsunion
Die zwei ersten Unionen im Rahmen dieser Betrachtung sind die Lateinische Münzunion (LMU), die zwischen Frankreich, Belgien, der Schweiz, Italien und später auch Griechenland in den Jahren 1865-1927 bestand und die Skandinavische Münz-/Währungsunion (SMU), zu der sich Schweden, Dänemark und verspätet auch Norwegen von 1872 bis 1931 zusammenschlossen. Die Vergleichbarkeit zur EWU ist in dem Sinne gegeben, dass es sich hier ebenfalls um souveräne Staaten handelte, die sich auf freiwilliger Basis zu einer Währungsgemeinschaft zusammenschlossen. Die Unionsweiten Regelungen bezogen sich hier allerdings nur auf das Münzsystem, wobei die Ausprägungsmenge den Staaten überlassen blieb. Die Paritäten zwischen den nach Vorschrift geprägten Münzen aller Unionsmitglieder wurden auf 1:1 festgesetzt. Diese durften frei im Unionsgebiet zirkulieren. Die zunehmende Bedeutung der Banknoten fand nur innerhalb der SMU durch die zwischenzeitliche gegenseitige Akzeptanz der Noten zur Parität Einzug. Die Münzsysteme ähnelten sich im Falle beider Unionen schon vor deren Gründung, was den Schritt hin zu einem einheitlichen Münzwesen vereinfachte. Die zu Beginn relativ stabile monetäre Zusammenarbeit innerhalb der LMU sowie der SMU erfuhr im weiteren Verlauf diverse Rückschläge. Im Rahmen der LMU war eines der größten Unwägbarkeiten die Basis der Münzsystems. Hierbei handelte es sich um einen bimetallischen Standard, hier dienten also Gold und Silber mit dem zu dem Zeitpunkt vorherrschenden Wertverhältnis von 1:15,5 als Währungsmetalle und nicht wie im Falle der SMU alleine Gold. Der zunehmende Silberpreisverfall führte bei dem festgesetzten Wertverhältnis zu einem starken Zufluss an Silbermünzen und einem starken Abfluss an Goldmünzen. Da trotz der darauffolgenden Suspendierung der Silbermünzenausprägung 1878 dennoch Silbermünzen umliefen lag hier nun ein hinkender Goldstandard vor.
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Die Präge-/Emissionspolitiken unterschieden sich im Falle der LMU sowie der SMU zwischen den Mitgliedern, was zu von den Paritäten abweichenden Marktkursen führte (vgl. Tab. 1). So emittierten bspw. Dänemark und Norwegen aufgrund eines Exportbooms wesentlich mehr Banknoten als Schweden, was zu der oben beschriebenen Verschiebung der Marktkurse führte. Der Beginn des ersten Weltkrieges ging mit einer stärkeren Fixierung auf die nationalen geldpolitischen Interessen aller Mitglieder einher und ließ die Orientierung gelpolitscher Entscheidung an den Unionsinteressen weiter in den Hintergrund rücken. Belgien besiegelte mit der offiziellen Kündigung zum 1.1.1927 das Ende der LMU. Im Rahmen dieser Betrachtung spricht dies für Rang 1 der faktischen Austrittsreihenfolge, gefolgt von der Schweiz, die durch zwischenzeitliche Kündigung und Außerkurssetzung der Münzen der Unionspartner schon früh ihr Austrittsbestreben verdeutlicht. Beide verfolgten das Ziel der Einführung einer reinen Goldwährung, hier lagen demnach abweichende geldpolitische Interessen vor. Frankreich (Rang 3) und Italien (Rang 4) zeigten u.a. durch die zwischenzeitliche Zuordnung des Zwangskurses bei Aussetzung der Einlöseverpflichtung ihrer Banknoten ihr Desinteresse an einer einheitlichen und unionsorientierten Geldpolitik. In Griechenland (Rang 5) fand das Münzsystem nur formell Eingang, von einer aktiven Austrittsbekundung kann man hier nicht sprechen. Die SMU fand 1921 mit der Einführung eines übergreifenden Münzexportverbots ihr faktisches, 1931 mit dem Übergang zur Papierwährung aller Mitglieder dann ihr offizielles Ende. Schweden nimmt hier Rang 1 der faktischen Austrittsreihenfolge ein, da es stark von den von den Paritäten abweichenden Marktkursen betroffen war. Norwegen (Rang 2), das zumeist oppositionelle Haltungen in Unionsfragen annahm verfolgte zudem das Ziel der Ausweitung der 1905 erhaltenen politischen Souveränität. Auch Dänemark (Rang 3) verfolgte zunehmend die nationalen anstatt der Unionsinteressen.
Die Kronen- und die Rubelzone
Bei den folgenden Währungsunionen handelt es sich zum einen um die Kronenzone und zum anderen um die Rubelzone. Die Kronenzone (KRZ) entstand nach dem Niedergang der Donaumonarchie zum Ende des 1. Weltkrieges hin zwischen deren nun souveränen Teilstaaten Österreich, Ungarn, der neu gegründeten Tschechoslowakei sowie Teilen Polens, Italiens und dem ebenfalls neugegründeten Königreichs Jugoslawien als auch dem Nordwesten Rumäniens. Die Rubelzone (RZ) setzte sich ab Ende 1991 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion aus deren 15 nun souveränen Nachfolgerepubliken zusammen. Wie ersichtlich, entstanden diese Währungsunionen mehr oder weniger unfreiwillig aufgrund der Auflösung territorialer Zusammenschlüsse, bei weiterhin umlaufender gemeinsamer Währung auf dem Gebiet der ehemaligen Gesamtstaaten. Eine Vergleichbarkeit zur EWU liegt hier insofern vor, da es sich jeweils um souveräne Staaten mit identischer Währung und Elementen zentraler geldpolitischer Ordnung handelte. Die Bargeldemission wurde in der RZ zentral von Russland aus gesteuert, während die österreichisch-ungarische Bank mit Sitz in Wien die geldpolitischen Entscheidungen als Zentralnotenbank der KRZ traf. Die unkoordinierte Kreditvergabe der Zentralbanken einzelner Republiken der UdSSR und die kriegsbedingte Geldmengenausweitung der Donaumonarchie bewirkten, dass es sich bei dem sowjetischen Rubel sowie der österreichisch-ungarischen Krone von Beginn an um höchst inflationäre Unionswährungen handelte. Hinzu kam, dass in beiden Fällen eine Situation der politischen Desintegration herrschte, die eine erfolgreiche geldpolitische Zusammenarbeit stark beeinträchtigte.
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Die Mitglieder der KRZ traten in den Jahren 1919-1920 durch Abstempelung der umlaufenden Kronennoten und den Anschließenden Umtausch in andere Währungen aus der Union aus (vgl. Tab. 2). Jugoslawien löste durch die Abstempelung der österreichisch-ungarischen Krone und den dadurch entstehenden Einfluss ungestempelter Banknoten in die anderen Unionsländer einen sog. Austrittswettlauf aus, der mit der Angst vor anhaltend steigender Inflation einherging. Dies verstärkte bei allen übrigen Unionsmitgliedern den Austrittswunsch. Für die ehem. Regionen des Habsburger Reichs, die nun Rumänien, Italien bzw. Jugoslawien angehörten bestand die Möglichkeit sich an bestehende Währungsgebiete durch die Übernahme parallel umlaufender Währungen anzugliedern. Dies und die politische Neuorientierung aufgrund neuer territorialer Verbünde bzw. Strukturen sowie das Ziel der Schaffung einheitlicher Währungssysteme trieben hier die Austrittsentscheidung. Letzteres stellte auch den Austrittsgrund Polens dar. Für Österreich und Ungarn bestand durch den historisch bedingten gesicherten Zugang zu Notenbankkrediten vorerst kein Handlungsbedarf. Der Austrittswettlauf erfasste allerdings auch diese beiden Staaten. Die Tschechoslowakei konnte sich trotz ihrer nun erhaltenen Souveränität eine fortbestehende währungspolitische Kooperation vorstellen. Hier lag die Austrittsbegründung in der abgelehnten Forderung nach mehr Mitspracherecht bei gelpolitischen Entscheidungen aller Unionsparteien. Der Austritt Estland aus der RZ löste ähnlich wie im Falle der KRZ einen Austrittswettlauf aus (vgl. Tab. 2). Die Austrittsbegründungen im Falle der RZ lagen zudem in starken Unabhängigkeitsbewegungen mit der impliziten Forderung nach politischer sowie geldpolitischer Souveränität (vor allem in den baltischen Staaten) und der ungleichen Bargeldversorgung durch Russland (vgl. Abb.1).
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2. Historische Austrittsursachen im Kontext der EWU
Die betrachteten historischen Währungsräume zeigen, dass es in der Historie unterschiedliche Gründe für den Zusammenbruch von Währungsunionen gegeben hat und verschiedene Ursachen hinter den Austritten einzelner Mitglieder stehen. Heterogene geographische, politische und wirtschaftliche Entwicklungen spielten hierbei eine große Rolle. Trotz allem weisen die Mitgliedsstaaten der vier Währungsräume Gemeinsamkeiten auf. Bestimmte Austrittsgründe wiederholten sich unabhängig vom Zeitalter und der Region. Tab. 3 gibt eine Übersicht zu den häufigsten Austrittsbegründungen in den betrachteten Währungsräumen. Im Folgenden wird analysiert, inwieweit diese Kausalitäten auch auf die heutigen Mitglieder der EWU zutreffen könnten.
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Eine geringe Macht innerhalb der Union (AG 1) äußerte sich in den historischen Währungsräumen durch eine ungleiche Verteilung des Mitspracherechts in geldpolitischen Fragen. In der EWU gilt heute jedoch das „One Person – One Vote“-Prinzip. Die Stimmen der nationalen Zentralbanken sind demnach im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gleichverteilt. Dies könnte sich allerdings mit der Einführung des vom EZB-Rat 2002 beschlossenen Rotationsverfahrens ändern, sobald das 19. Mitglied der Eurozone beitritt. Dies wird schon im Januar 2015 durch den beschlossenen Beitritt Litauens der Fall sein. Ab diesem Zeitpunkt sollen die 19 nationalen Zentralbanken in zwei Gruppen unterteilt werden. Im monatlichen Wechsel teilen sich die an ihrer Wirtschaftskraft und Größe ihres Finanzsektors gemessenen fünf stärksten Länder (Gruppe 1) dann vier, die übrigen 14 Notenbanken (Gruppe 2) elf Stimmrechte. Durch den zeitweisen Verlust des Stimmrechtes könnten sich gerade kapitalreiche Länder wie Deutschland und Frankreich bei Entscheidungen, die bspw. die Haftungsrisiken für sie erhöhen, übergangen fühlen. Beide Länder halten derzeit zusammen 48% des EZB-Kapitals. In den historischen Unionen bedingte ein beschränktes Mitspracherecht viele Austritte. Die Möglichkeit, dass dies auch für die EWU zutreffen könnte, besteht demnach. Innerhalb der historischen Währungsunionen wurden abweichende geldpolitische Ziele (AG 3) unter anderem durch unterschiedliche Inflationsneigungen der Regierungen deutlich. Die EZB als unabhängige Institution kann hinsichtlich ihrer Geldpolitik von keinem Mitgliedsstaat vereinnahmt werden. Ihre einheitliche Geldpolitik für den europäischen Währungsraum kann jedoch insbesondere in Krisenzeiten problematisch werden. Betrachtet man die Streuung der Inflationsraten in der Eurozone anhand ihrer Standardabweichung zeigt sich nach der Einführung des Euro ein allmählicher Konvergenzprozess zwischen den Mitgliedsländern (vgl. Abb. 2). Mit Ausbruch der Finanzkrise schnellt jedoch die Streuung der Inflationsraten wieder in die Höhe. Erst durch das intensive Eingreifen in den Kapitalmarkt ab Ausbruch der Eurokrise gelang es der EZB die Streuung zu reduzieren. In Krisenzeiten erhöht sich somit der politische Druck auf jene nationalen Regierungen, die sich an den Extremen der Inflationsbandbreite befinden. Für sie ist eine einheitliche Geldpolitik nicht unbedingt zielfördernd.
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Innerhalb der EWU existieren keine souverän agierenden Notenbanken wie bspw. in der LMU. Die Möglichkeit, die nationale Geldemission (AG 7) ohne Einwilligung der EZB zu erhöhen besteht in diesem Sinne nicht. Die seit 2007 stark divergierenden TARGET2-Salden der EWU-Staaten zeigen allerdings eine Verschiebung der Zentralbankkredite von den Kernländern (z.B. Deutschland) hin zu den Peripherieländern (z.B. Griechenland). TARGET2 ist das Zahlungssystem der nationalen Zentralbanken des Eurosystems. Positive Salden stellen eine Forderung, negative Salden eine Verbindlichkeit nationaler Notenbanken gegenüber der EZB dar. Zwar handelt es sich hierbei nicht um eine direkte Geldemission, allerdings bemessen die negativen Salden jenes Zusatzgeld, welches die jeweiligen nationalen Notenbanken über das Maß für die innere Geldversorgung entliehen haben und für den Nettoerwerb von Gütern und Vermögensobjekten aus der übrigen Eurozone verwendeten (vgl. Sinn/Wollmershäuser, 2011). Abb. 3 zeigt, dass diese Ungleichgewichte auch sechs Jahre nach Beginn der Finanzkrise immer noch horrende Werte einnehmen. Am aktuellen Rand beläuft sich die Summe der TARGET2-Salden auf knapp 35% des EWU-BIPs. Zwar sind auch die ISA-Salden als US-amerikanisches Pendant zu den TARGET2-Salden nach Ausbruch der Finanzkrise angestiegen, jedoch pendelten sie sich kurze Zeit später auf einem geringeren Niveau wieder ein. Ein Indiz dafür, dass über das TARGET2-System eine indirekte Geldemission in den Schuldnerländern betrieben wurde, stellt der enorme Anstieg der Salden nach Ausbruch der Schuldenkrise in den südlichen EWU-Staaten dar. Eine divergierende Geldemission als möglicher Austrittsgrund lässt sich demnach in gewissem Maße auch auf die EWU übertragen.
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Durch die gemeinsame Währung können keine Abweichungen der Marktkurse (AG 11) von den festgesetzten Paritäten wie im Falle der LMU und SMU entstehen. Strukturunterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsländern führen somit nicht mehr zu nominalen Wechselkursanpassungen. Sie manifestieren sich in den relativen nationalen Preisen und Löhnen. Diese Verschiebung der realen Austauschverhältnisse kann mittels des realen effektiven Wechselkurses analysiert werden. Abb. 4 verdeutlicht kurz nach der Einführung des Euros einen ähnlichen Verlauf bei den ausgewählten Mitgliedern. Doch bereits vor Ausbruch der Finanzkrise manifestieren sich divergierende Trendentwicklungen zwischen den Unionsmitgliedern. Die südlichen Mitglieder zeigen über die Finanz- und Eurokrise hinweg eine stetig schwächere Wettbewerbsposition als die großen Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich auf.
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Neben diesen Austrittsbegründungen, die sich relativ gut auf die heutige Situation der EWU-Mitgliedsstaaten übertragen lassen, weisen die verbliebenen Gründe eine relativ schwache Vergleichbarkeit auf. Dies liegt unter anderem daran, dass diese stark von den historischen, politischen und institutionellen Gegebenheiten geprägt waren, welche auf die heutige EWU in dieser Form nicht zutreffen. Allerdings gewinnt auch AG 10, die Loslösung von einer Hegemonialmacht, mit der zunehmend wahrgenommenen hegemonialen Machtposition Deutschlands innerhalb der EWU stetig an Bedeutung. Im Hinblick auf die ersten fünf Ränge der Austrittsreihenfolge in den größeren historischen Währungsunionen der LMU, KRZ und RZ, fällt auf, dass relativ kleine (gemessen an der Bevölkerung) und starke (gemessen am BIP pro Kopf) Mitglieder eher die vorderen Plätze einnahmen (vgl. Abb. 5). Überträgt man diese Tendenz auf die Eurozone, würde dies dafür sprechen, dass allen voran Finnland, Irland, Österreich, die Niederlanden und Belgien im hypothetischen Fall einer Unionsauflösung die vorderen Ränge der Austrittsreihenfolge einnehmen würden.
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3. Fazit
Aus der Geschichte lassen sich häufig Rückschlüsse auf die Gegenwart ziehen. Unabhängig von der historischen Dimension sind einige Gemeinsamkeiten für das Scheitern der vorgestellten vier Währungsräume erkennbar. Hinter den Ursachen zur Auflösungs- bzw. Austrittsentscheidung stehen stets divergierende nationale Interessen. Diese manifestieren sich in unterschiedlichen geldpolitischen Zielen und fiskalpolitischen Entscheidungen, welche sich zuerst an den nationalen Bedürfnissen und danach an den Unionsinteressen orientieren. Unterschiedliche Politiken innerhalb eines Währungsraums spiegeln sich wiederum in der Entwicklung der effektiven Wechselkurse und somit in der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes wider. Während Länder, die aus diesem Umstand Schaden nehmen beabsichtigen, unter minimalem Verlust die Union zu verlassen, halten Profiteure am Bestehen der Union fest. Einige historische Austritts- und Auflösungsgründe könnten auch heute auf die EWU und ihre Mitglieder zutreffen. Die divergierende gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Eurozone seit Ausbruch der Finanzkrise hat sich bisher nicht beruhigt. Das Wohlstandsgefälle zwischen dem Süden und dem Norden der EWU nimmt wieder zu und die Solidarität zwischen den Mitgliedern wird immer stärker ausgereizt. Ob und wie eine Konvergenz in Zukunft möglich sein wird, hängt stark von der Wettbewerbsfähigkeit des Südens ab. Mit steigender Heterogenität innerhalb der Union, nimmt auch die Austrittswahrscheinlichkeit einiger Länder weiter zu.
Der Blog-Beitrag fasst die Ergebnissse aus Berthold / Braun / Coban (2014) zusammen.
Literatur
- Berthold, N. / Braun, S. / Coban, M. (2014): Das Scheitern historischer Währungsräume: Kann sich die Geschichte auch für die Eurozone wiederholen? in: Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik (Universität Würzburg), Nr. 127.
- Muth, C. (1997a), Das Ende der Kronenzone : die Auflösung des gemeinsamen Währungsgebiets auf dem Territorium des ehemaligen Habsburgerreichs, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1997,1, S. 135-156.
- Muth, C. (1997b), Währungsdesintegration-Das Ende von Währungsunionen, Physica-Verlag, Heidelberg.
- Sinn, H.-W., T. Wollmershäuser (2011), Target-Kredite, Leistungsbilanzsalden und Kapitalverkehr: Der Rettungsschirm der EZB, Ifo Working Paper, No. 105.
- Terhalle, F. (1928), Wechselkurse, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Band 8, 4. Auflage, Verlag von Gustav Fischer, 1928, Jena, S.938-951.
- Theurl, T. (1992), Eine gemeinsame Währung für Europa – 12 Lehren aus der Geschichte, Österreichischer Studien Verlag, Reihe: Geschichte & Ökonomie, Band 1, Innsbruck.
„Die Geldgeschichte der Schweiz verdeutlicht, dass eine Währung dem Wandel von Gesellschaft, Technologie und Umwelt ausgesetzt ist. So führte manchmal die Entdeckung neuer Edelmetall-Vorkommen, manchmal realpolitische Zwänge zu Verwerfungen in der Geldpolitik. Interessanterweise war die Bindung an Edelmetalle – sei es Gold oder Silber – meist nur von kurzer Dauer. Die versprochene Sicherheit erwies sich wiederholt als trügerisch.
Doch die Sehnsucht nach einem goldenen Anker scheint immer noch gross zu sein. Das spiegeln auch die Diskussionen rund um die Goldinitiative. Einmal mehr prägen Emotionen eine geldpolitische Debatte in der Schweiz. Die Initianten erhoffen sich eine Rückkehr zu vergangenen goldenen Zeiten. Ein Blick zurück zeigt aber, dass eine Edelmetall-Bindung kein Garant für die Stabilität einer Währung ist. Mit ihren starren Regeln ist die Goldinitiative die falsche Antwort auf die geldpolitischen Herausforderungen unserer Zeit.“
Jürg Müller: Goldinitiative im Lichte der Geschichte. Mythos Gold, in: NZZ vom 14. November 2014