Ordnungspolitik in der Familienpolitik
Kompass im dichten Nebel des Verteilungskampfes

Die Welt verändert sich in raschem Tempo und mit ihr die Familie. Vor allem in reichen Ländern ist in den Familien vieles nicht mehr so, wie es einmal war. Die Realität entspricht immer weniger dem traditionellen Bild von Ehe und Familie. Der Mann ist immer seltener allein erwerbstätig, die Frau beschäftigt sich immer öfter mit mehr als Haushalt und Kindern, die Zahl der Kinder geht teilweise drastisch zurück. Damit aber nicht genug: Haushalte werden auch wesentlich instabiler, immer mehr Ehen werden geschieden, die Zahl alleinerziehender Mütter nimmt zu.

Es gibt nicht einen, es sind viele Gründe, die diese Entwicklung seit langem vorantreiben, auch ökonomische. Die Löhne für Frauen gleichen sich der Entlohnung für Männer an. Das erhöht die Anreize für Frauen, stärker in Ausbildung und Beruf zu investieren. Eine steigende Präferenz der Frauen für wirtschaftliche und soziale Unabhängigkeit verstärkt diese Entwicklung. Immer mehr Frauen werden erwerbstätig, die Zahl der Kinder sinkt. Ein schärferer Wettbewerb um gut bezahlte Jobs verringert die Kinderzahl weiter, Eltern investieren pro Kind mehr in Ausbildung.

Das alles sind aber noch keine guten Gründe für eine Gesellschaft, familienpolitisch aktiv zu werden. Die Familie kann sich, wie andere Institutionen auch, den veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten nicht entziehen. Wenn sie überleben will, muss sie sich an die neue Zeit anpassen. Wahr ist allerdings auch, dass die generative Entscheidung auf vielfältige Weise verzerrt wird, Kinder oft die Gefahr der Armut beträchtlich erhöhen und eine stark schrumpfende Bevölkerung eine Gesellschaft auch destabilisieren kann. Staatliche Hilfe für die Familie kann deshalb notwendig werden.

Inflexible Arbeitsmärkte verzerren generative Entscheidung

In einer liberalen Gesellschaft kann es keinen Zweifel geben, erwachsene Bürger müssen in ihrer Entscheidung, ob sie Kinder haben wollen oder nicht, so frei wie nur irgend möglich sein. Staatliche Eingriffe in diese zutiefst private Entscheidung sind nicht nur auf ein Minimum zu beschränken, sie müssen auch gut begründet sein. Ein liberaler Rechtsstaat darf weder Kinderlosigkeit finanziell bestrafen, noch ist es denkbar, dass er wie etwa in China, eine Referenzzahl an Kindern pro Familie vorgibt, von der an Eltern für jedes weitere Kind zur Kasse gebeten werden.

Es sind damit auch zuallererst die Eltern, die finanzielle Verantwortung für ihre Kinder übernehmen müssen. Es entspricht weder dem Prinzip der Subsidiarität noch dem der Eigenverantwortung, bei steigenden Kosten für Kinder gleich nach dem Staat zu rufen. Echte Wahlfreiheit bei der Entscheidung für oder gegen Kinder bedingt im Gegenzug aber auch, dass der Staat kinderfreundliche Rahmenbedingungen schafft und Eltern die Organisation des nicht immer einfachen Alltagslebens mit Kindern nicht auch noch erschwert. Genau das ist aber in Deutschland zu beklagen.

Stark regulierte, inflexible Arbeitsmärkte sind für alle von Nachteil. Frauen haben es dadurch aber besonders schwer. Sie können Familie und Beruf oft nur unter einen Hut bringen, wenn sie lediglich in bestimmten Phasen des Lebens arbeiten, und zwar oft nicht in Voll-, sondern nur Teilzeit. Das ist auf sklerotisierten Arbeitsmärkten nicht einfach. Wer aber die Berufstätigkeit wegen der Geburt und Erziehung von Kindern unterbricht, hat es schwer, danach wieder in eine adäquate Beschäftigung zu kommen. Das Familieneinkommen wird gemindert, die Anreize, sich für Kinder zu entscheiden, werden geschwächt.

Flexible Arbeitsmärkte werfen eine doppelte Dividende ab: die Arbeitslosigkeit ist geringer, die Entscheidungsfreiheit in der Familie wird gestärkt. Eltern fällt es leichter, ihre Arbeitskraft so anzubieten wie es die jeweiligen Lebenssituation zulässt. Ein Wiedereinstieg in die Beschäftigung ist auf flexiblen Arbeitsmärkten mit hohen Fluktuationsraten ebenso deutlich einfacher wie ein Wechsel des Arbeitsplatzes. Auch das private Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen ist viel größer. Die Unternehmungen bieten diese Arbeitsplätze an, wenn sie sich rechnen. Die Produktivität dieser Arbeitsplätze gibt den Spielraum für Löhne und sozialen Schutz vor.

Steuer- und Abgabenschere: Schlag gegen Familien

Auch ein ausgebauter Sozialstaat verzerrt die Entscheidung für oder gegen Kinder. Hohe Steuern und Abgaben senken die Nettoeinkommen und erhöhen die Bruttolohnkosten. Damit steigen auch die Kosten für die externe Betreuung von Kindern. Es ist vor allem für junge Paare kaum erschwinglich, diese Dienstleistungen auf regulären Märkten nachzufragen. Die Entscheidung fällt eher zugunsten der „Haushaltsproduktion“ bei Kinderbetreuung und Hausarbeit. Familie und Beruf lassen sich nur noch schwer vereinbaren. Die Entscheidung fällt immer öfter gegen Kinder aus.

Kontinentaleuropäische Staaten setzen eher auf eine Arbeitsteilung von Haushalten und Staat. Der Staat pumpt hohe Transfers in die Familien, finanzielle und reale. Die Erwerbsquote der Frauen bleibt niedrig, die Geburtenrate mit Ausnahme von Frankreich allerdings auch. Skandinavische Länder setzen stärker auf den Staat. Die Kinderbetreuung ist staatlich organisiert, die Erwerbstätigkeit der Frauen ist hoch, konzentriert auf den öffentlichen Sektor. Hohe Steuern und Abgaben sind unvermeidlich, die Schwarzarbeit blüht. Die Haushaltsproduktion personenbezogener Dienstleistungen, wie Erziehung, Krankenpflege, Vorsorge für Kinder und das Alter werden sozialisiert, materielle Dienstleistungen, wie Reparaturen, Putzen, Gartenarbeiten, werden vom Markt in die Haushalte verlagert.

Einen marktlichen Weg beschreiten die USA, personenbezogene Dienstleistungen werden vor allem privat angeboten. Die Preise liegen niedriger als in Europa, Steuern und Abgaben sind geringer, die Löhne auch in diesem Bereich flexibler. Es scheint leichter, Beruf und Familie zu vereinbaren. Die Erwerbsquote ist hoch, wenn auch niedriger als in Skandinavien. Die Geburtenrate liegt deutlich höher als in den skandinavischen und weit höher als in den kontinentaleuropäischen Ländern (Ausnahme Frankreich). Die niedrigere Haushaltsproduktion von Dienstleistungen erhöht nicht nur die Erwerbsquote höher qualifizierter Frauen, sie senkt auch die Arbeitslosigkeit unter niedrig qualifizierten Arbeitnehmern.

Eine grundlegende Reform des Sozialstaates schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie tut nicht nur Beschäftigung und wirtschaftlichem Wachstum gut, sie ist auch familienfreundlich. Ein Kernsozialstaat, der sich darauf konzentriert, Armut zu bekämpfen und wirksam gegen Arbeitslosigkeit zu versichern, senkt Steuern und Abgaben drastisch. Die Haushaltsproduktion wird verringert, die Marktproduktion steigt. Davon profitieren nicht nur Geringqualifizierte, auch höher qualifizierten Frauen ist es leichter möglich, Arbeit und Beruf zu vereinbaren. Eine höhere Erwerbsquote gut ausgebildeter Frauen ist aber notwendig, um die rasch steigende Nachfrage nach höher qualifizierten Arbeitskräften zu decken.

Umlagefinanzierte Alterssicherung: familienfeindlich

Das Sündenregister staatlicher Eingriffe ist noch länger. Alle umlagefinanzierten Systeme der Alterssicherung verstärken die Entscheidung gegen Kinder. Die Kinderkosten für das Aufziehen der Kinder und die Ausfälle an Erwerbseinkommen vor allem der Frauen werden noch zum größeren Teil privat getragen, die Erträge von Kindern allerdings immer stärker sozialisiert. Vor allem Kinderlose sind im Vorteil. In der Rentenversicherung profitieren sie als Rentner von den Beiträgen nachfolgender Generationen, beteiligen sich aber nur unterdurchschnittlich an den Kosten für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung. Der Anreiz, Kinder in die Welt zu setzen, wird dadurch nicht gerade gefördert.

Diese negativen Effekte sind so gut es geht zu internalisieren. In umlagefinanzierten Systemen lockt dauernd die Versuchung, auf Kosten von Dritten zu leben. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Das gelingt nur, wenn der Versicherungscharakter der Vorsorge für das Alter gestärkt wird. Der negative Einfluss auf das generative Verhalten wird verringert, der Zerstörung der freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung entgegengewirkt. Die Lösung mit den geringsten generativen Verzerrungen ist der Übergang zu einem kapitalfundierten System der Alterssicherung. Ist ein solches System vollständig implementiert, besteht kein wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf mehr.

Der Weg dahin ist allerdings weit und steinig. Mehr als ein teilweiser Übergang ist in absehbarer Zeit nicht realistisch. Ein gemischtes System der Alterssicherung verzerrt generative Entscheidungen zwar weniger, völlig neutral ist es aber nicht. Die familienpolitische Achillesferse zeigt sich darin, dass Familien mit Kindern drei Beiträge für das Alter leisten, Kinderlose nur zwei. Beide zahlen für die umlage- und kapitalfundierten Teile der Alterssicherung, Familien mit Kindern tragen zusätzlich Kinderkosten. Das Problem lässt sich grundsätzlich auf zwei Wegen in den Griff bekommen: entweder über Beiträge und Renten, die nach der Kinderzahl differenziert sind oder über ein Steuer-Transfer-System, das die Kinderzahl berücksichtigt.

Existenzielle Hilfen entzerren generative Entscheidungen

Eine gute Familienpolitik sollte nicht immer zuerst daran denken, Geld in die Hand zu nehmen. Viel wichtiger ist es, einen institutionellen Rahmen zu installieren, der wieder echte Wahlfreiheit für die Eltern garantiert. Eine wirkliche Reform des Arbeitsmarktes hin zu mehr Wettbewerb ist eine solche Aufgabe. Ein Abbau von Steuern und Abgaben durch stärker kapitalfundierte Systeme der Sozialen Sicherung ist eine andere. Alle Reformen stehen seit langem aus anderen Gründen auf der wirtschaftspolitischen Agenda. In die Tat umgesetzt, geben sie allerdings den Eltern auch wieder mehr Entscheidungsfreiheit zurück.

Eine gute Ordnungspolitik ist zwar die beste Familienpolitik. Dennoch, die Gesellschaft kommt um materielle Hilfen für Familien nicht herum. Dabei sollte aber die Frage, was steuergerecht ist, von der anderen unterschieden werden, wie Armut in Familien vermieden werden kann. Wenn Eltern für ihre Kinder selbst verantwortlich sind und nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird, muss nicht nur das sozio-kulturelle Existenzminimum der Eltern, sondern auch das der Kinder steuerfrei bleiben. Eine Umverteilung zugunsten von Familien mit Kindern ist das noch nicht.

Echte inter-personelle Umverteilung kann aber notwendig werden, wenn es gilt, Armut zu vermeiden. In einer sozialen Marktwirtschaft hat der Staat die Aufgabe, allen Menschen ein Existenzminimum zu garantieren und tatkräftige Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Das gilt allerdings nur, wenn sich Menschen nicht selbst helfen können und Hilfe von der Familie nicht möglich ist. Schaffen es Eltern aus eigener Kraft mit ihrer Hände oder Köpfe Arbeit nicht, für sich und ihre Kinder das Existenzminimum zu erwirtschaften, ist der Sozialstaat gefordert, ihnen auf die eine oder andere Weise wirksam unter die Arme zu greifen.

Dabei sollte er aber weniger auf finanzielle und stärker auf reale Transfers setzen. Sachtransfers lassen sich zielgenauer einzusetzen, sie begrenzen Missbrauch, die individuelle Entscheidungsfreiheit kann allerdings eingeschränkt werden. Bei Finanztransfers ist schwerer zu kontrollieren, ob sie tatsächlich bei den Kindern ankommen. Der Anreiz gering qualifizierter Eltern weniger reguläre Arbeit anzubieten und mehr Kinder in die Welt zu setzen, ist bei Geldleistungen erheblich, bei großzügigen allemal. Die Zahl unehelicher Geburten und allein erziehender Mütter steigt. Probleme in Erziehung und Ausbildung, Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt und wachsende Kriminalität sind Legion.

Realtransfers: wirksamere Hilfe für Familien

Der Wohlstand aller steigt nur, wenn die Bürger verstärkt in marktverwertbares Humankapital investieren. Besonders ertragreich sind dabei solche Investitionen, die möglichst früh im Leben getätigt werden. Die Kosten lassen sich leichter amortisieren, wenn die Erträge länger fließen. Eine gut ausgebildete junge Generation ist deshalb für die Gesellschaft eine rentable Investition in die Zukunft. Wirklich lukrativ sind solche Investitionen allerdings nur, wenn der Strom der Erträge nicht vorzeitig abbricht. Investitionsruinen lassen sich eher vermeiden, wenn es gelingt, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Mehr Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt und im Bereich des Sozialen wirken hier Wunder.

Ganz ohne staatliche Hilfe geht es wohl dennoch nicht. (Kapital-)Märkte können vieles besser, aber nicht alles. Potentielles Humankapital wird auf Kapitalmärkten als Sicherheit nach wie vor nicht akzeptiert. Es ist deshalb möglich, dass vor allem ärmere Eltern zu wenig in das Humankapital ihrer Kinder investieren. Die Familienpolitik wird gebraucht, allerdings eine effizientere als die traditionelle. Das Rezept einer solchen Familienpolitik ist einfach: sie muss stärker investiv orientiert sein, realen Transfers den Vorzug vor finanziellen geben.

Realtransfers können bei Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder und der schulischen Ausbildung zum Zuge kommen. Das Angebot an Kinderkrippen ist in Deutschland vor allem in den alten Bundesländern dürftig, (Ganztages-)Kinderkrippen und -gärten werden zu wenig angeboten. Ähnlich dürftig sieht es für Kinder im schulpflichtigen Alter aus. Von einem flächendeckenden Netz an Ganztagesschulen kann keine Rede sein. Die Pisa-Studie stellt dem deutschen Sonderweg der Halbtagesschule als Regelschule kein gutes Zeugnis aus. Kinder fangen mit dem Lernen nicht nur zu spät an, sie verbringen in den Halbtagsschulen auch relativ wenig Zeit im Unterricht. Die nachmittägliche Betreuung durch einen Elternteil ist, sofern er überhaupt stattfindet, oft kein vollwertiger Ersatz für echten Unterricht.

Auch im Bereich der Familienpolitik gilt, mehr Wettbewerb ist besser als weniger. Ein System von Gutscheinen schafft mehr wettbewerbliche Strukturen. Familien mit Kindern erhalten vom Staat bestimmte Gutscheine, die sie bei staatlichen oder privaten Institutionen abgeben, die ihre Kinder betreuen oder ausbilden. Diese Einrichtungen können die Gutscheine beim Staat einlösen. Eine solche Innovation hat viele Vorteile: Die Wahlfreiheit der Eltern steigt, ihr Einfluss auf die Qualität und Quantität der angebotenen Kinderbetreuung nimmt zu. Schlechte Anbieter werden weniger nachgefragt, sie trocknen finanziell aus und verschwinden vom Markt.

Aber auch diese Art von Familienpolitik lebt unter dem kalten Stern der finanziellen Knappheit. Der Staat kann nur eine Anschubfinanzierung für die Investitionen der nachwachsenden Generation in Humankapital leisten. Ansonsten tritt er als Kreditgeber auf, der notwendige finanzielle Mittel für diese investiven Zwecke zur Verfügung stellt. Es ist deshalb notwendig, ein Teil der Gutscheine mit zunehmendem Alter und Ausbildungsniveau der Kinder als Kredit auszugestalten. Den sollte das Kind später, wenn es selbst erwerbstätig ist, an den Staat zurückzahlen. Das gilt vor allem für die tertiäre Ausbildung, etwa an einer Universität.

Fazit

Alles in allem: Familienpolitik steht weiter vorne auf der wirtschaftspolitischen Agenda. Die gegenwärtige Diskussion um die Familie geht allerdings in die Irre. Wer Familienpolitik auf die finanzielle Dimension verkürzt, schürt den Verteilungskampf zwischen Eltern und Kinderlosen. Damit ist niemandem gedient. Notwendig ist mehr Wahlfreiheit für die Eltern, vor allem die Frauen. Das macht es notwendig, endlich die überfälligen Reformen auf den Arbeitsmärkten und im Bereich des Sozialen anzugehen sowie ineffiziente regulierende Eingriffe des Staates abzubauen. Auch auf diesem Felde der Wirtschaftspolitik gilt, Ordnungspolitik ist die beste Familienpolitik.

9 Antworten auf „Ordnungspolitik in der Familienpolitik
Kompass im dichten Nebel des Verteilungskampfes

  1. Sehr geehrter Herr Berthold,

    nur kurz möchte ich anmerken, dass mir der Zynismus, in dem Sie manchmal abgleiten, missfällt. Worte wie „marktverwertbares Humankapital“, „Investitionsruinen“ sollten meines Erachtens im Zusammenhang mit Menschen nicht verwendet werden.

    Wesentlicher ist aber etwas anderes: Sie schreiben: „Alle umlagefinanzierten Systeme der Alterssicherung verstärken die Entscheidung gegen Kinder… Die Lösung mit den geringsten generativen Verzerrungen ist der Übergang zu einem kapitalfundierten System der Alterssicherung.“ Korrekt ist jedoch das genaue Gegenteil.

    Wer kann denn wohl besser privat vorsorgen: ein Single mit einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro oder ein zweifacher Familienvater mit einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro? Im umlagefinanzierten Rentensystem werden Kindererziehungszeiten angerechnet. Sicherlich zu wenig, aber immerhin (ohne das System aufzugeben, könnte man den finanziellen Ausgleich für Kindererziehungszeiten im umlagefinanzierten Rentensystem ja erhöhen). Bei welcher privaten Lebensversicherung, welchem Aktienfonds etc. ist dies der Fall? Sicherlich, Sie wollen dies steuerlich ausgleichen (Existenzminimum der Kinder steuerlich anerkennen), so dass der Single weniger netto übrig behält als der zweifache Familienvater mit gleichem Einkommen. Aber betrachtet man kapitalgedecktes und umlagenfinanziertes Rentensystem aus sich heraus, ist eindeutig letzteres familienfreundlicher. Ersteres kann es höchstens bei entsprechender staatlicher Unterstützung (Steuersystem) werden, denn Sie schreiben ja selbst: „Potentielles Humankapital wird auf Kapitalmärkten als Sicherheit nach wie vor nicht akzeptiert.“ Eben.

    Im Eintreten für interpersoneller Umverteilung und Gesamtschulen unterstütze ich Sie allerdings.

    Mit freundlichen Grüßen

    Christian Holzer

  2. Die Wertung, lieber Herr Holzer, legen Sie in die Begriffe. In der Ökonomie werden diese Bezeichnungen so gewählt, weil sie genau das Aussagen. Kapital eines Menschen zur Erzielung eines Markteinkommens. Was daran ist „zynisch“? Doch lediglich ihre persönliche negative Belegung des Begriffs Kapital. Ein derartiges Begriffsproblem haben Ökonomen nicht.

    Zu ihrer Kritik. Sie argumentieren aus der Logik des bestehenden Systems, dass der Autor aus gutem Grund überwinden will. Steuerliche Anreize sind ja gerade der oberflächliche Vorwand, mit dem den Bürgern das Umlagesystem schmackhaft gemacht werden soll, die das System aber insgesamt dem oben beschriebenen Trittbrettfahreranreizen aussetzen und damit zunehmend destabilisieren.

  3. Sehr geehrter Herr SteffenH,

    ich bin selbst Ökonom und habe diese Probleme. Übrigens weniger beim „Humankapital“, damit habe ich mich schon abgefunden als bei dem Adjektiv davor und dem Begriff „Investitionsrunine“. Aber das war ja auch nur ein Nebenaspiekt. Lassenwir’s.

    „Steuerliche Anreize sind ja gerade der oberflächliche Vorwand, mit dem den Bürgern das Umlagesystem schmackhaft gemacht werden soll“

    Können Sie das näher erläutern? Hier ist doch das Gegenteil der Fall. Herr Berthold will mit steuerlichen Anreizen (Existenzminimum der Kinder) das kapitalgedeckte Rentensystem schmackhaft machen. Ich betrachte ja gerade beide ohne steuerliche Anreizwirkungen. Da kann man im Umlagesystem Kindererziehungszeiten berücksichten (dies geschieht ja schon, wenn auch zu gering), im kapitalgedecktem System kann dies nicht berücksichtigt werden. Das betont ja Herr Berthold selbst.

    „die das System aber insgesamt dem oben beschriebenen Trittbrettfahreranreizen aussetzen und damit zunehmend destabilisieren.“

    Welche Trittbrettfahreranreize? Wenn ich nicht arbeite und keine Kinder habe, erhalte ich im Umlagesystem nur eine sehr geringe Rente. Wenn ich nicht vorsorge und keine Kinder habe, erhalte ich im kapitalgedecktem System theoretisch keine Rente, praktisch aber ebenfalls eine Mindestrente. Denn für diese müsste die Gesellschaft nolens volens einspringen, da es ja nicht realistisch ist, dass jemand, der nicht vorgesorgt hat, im Alter in Deutschland verhungern müssten. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn er die finanziellen Möglichkeiten zur Selbstvorsorge gehabt hätte. Die Aussage: „Selber schuld, jetzt verhungere halt.“ ist sicherlich nicht humanistisch.

    Reicht einem also die Mindestrente, ist der Effekt in beiden Systemen der gleiche. Reicht einem die Mindestrente nicht, kann man im Umlagesystem mittels eines guten Einkommens oder mittels Kinder und Erziehungszeiten ansparen. Im kapitalgedecktem Rentensystem kann man nur mit Hilfe eines guten Einkommens ansparen. Schließt man aber steuerliche Förderungen aus (betrachtet das System also aus sich heraus), ist es besser keine Kinder zu haben, da man natürlich ohne Kinder bei gleichem Einkommen mehr für seine Privatvorsorge zurücklegen kann. Man muss dann nur hoffen, dass irgendein anderer in Deutschland (oder legt man das Geld in ausländische Aktien etc. an) oder weltweit ausreichend Kinder bekommt.

    Ergo: die Trittbrettfahreranreize sind im kapitalgedeckten Rentensystem DEUTLICH höher als im umlagefinanzierten.

    Mit freundlichen Grüßen

    Christian Holzer

  4. Wer sich intensiver mit der Frage beschäftigen will, ob und wie umlagefinanzierte Systeme der Sozialen Sicherung die Fertilität beeinflussen, sollte das interessante Papier “Has Social Security influenced family formation and fertility in OECD countries? An cconomic and cconometric analysis“) von Isaac Ehrlich und Jinyoung Kim anschauen.

    There is growing concern about a decline in the total fertility rate worldwide, but nowhere is the concern greater than in OECD countries, some of which already face the prospect of population decline as well. While the trend is largely the result of structural economic and social changes, our paper indicates that it is partly influenced by the scale of the defined-benefits, pay-as-you-go (PAYG) social security systems operating in most countries. Through a dynamic, overlapping-generations model where the generations are linked by parental altruism, we show analytically that social security tax and benefit rates generate incentives for individuals to reduce not just the fertility rate within families, but also the incentive to form families, which we capture empirically by the fraction of adults married. We conduct calibrated simulations as well as regression analyses that measure the quantitative importance of social security tax rates in lowering both net marriage and total fertility rates. Our results show that the impact of social security on these variables has been non-trivial. Our calibrated simulations also enable us to study the effects of changes in the structure of social security on family formation and fertility.

    Das Papier ist als NBER Working Papier 12869 erschienen. Es ist allerdings leider nicht frei verfügbar.

  5. Sehr geehrter Herr Brunner,

    leider nutzen mir „nicht frei verfügbare“ Quellen bei einer Online-Diskussion nicht weiter. Ich würde mich daher freuen, wenn wir die Diskussion auf kostenfreie Online-Quellen beschränken könnten (von ökonomischer Standardliteratur wie Adam Smiths „The Wealth of Nations“ und ähnliches natürlich abgesehen). Aber die Spielregeln hier bestimme natürlich nicht ich.

    Zum Thema: Da ich von dem Paper nur den Abstract kenne, kann ich nur auf diesen eingehen. Da heisst es:
    „Through a dynamic, overlapping-generations model where the generations are linked by parental altruism, we show analytically that social security tax and benefit rates generate incentives for individuals to reduce not just the fertility rate within families, but also the incentive to form families, which we capture empirically by the fraction of adults married.“

    Das verstehe ich so, dass Ehrlich und Kim zwei Szenarien analysiert haben:
    a) ein umlagefinanziertes Rentensystem und
    b) ein Generationssystem, bei dem eigene Kinder für die Altersversorgung notwendig sind (wie im „Mittelalter“ halt).
    Dass in diesem Fall in Szenario b) mehr Kinder geboren werden, wundert mich nicht. Das Gegenteil hätte mich gewundert.

    Ich habe aber verglichen:
    a) ein umlagefinanziertes Rentensystem und
    b) ein kapitalgedecktes Rentensystem.
    In diesem Fall komme ich zu dem Ergebnis, das a) deutlich familienfreundlicher ist als b). In beiden Fällen sind jedenfalls eigene Kinder für die eigene Altersversorgung nicht (zwingend) erforderlich.

    Wenn ich den obigen Abstract richtig verstehe, widersprechen mir Ehrlich und Kim hier auch gar nicht. Schon allein weil sie die Auswirkungen eines kapitalgedeckten Rentensystems gar nicht betrachten.

    Mit freundlichen Grüßen

    Christian Holzer

  6. Was wir brauchen, ist eine Ent-Staatlichung und Re-Privatisierung der Familie. Ich wundere mich oft, mit welcher Blauäugigkeit gerade bürgerliche Politiker den Weg in die Kinderverstaatlichung forcieren, nur um „modern“ zu erscheinen.

    Martin Hagen hat kürzlich die Arglosigkeit eines Medienmannes wie Ulrich Wickert in diesem Zusammenhang schön aufgespießt: http://martin-hagen.blogspot.com/2007/03/ein-freiheitlicher-staat-ist-ein.html

    und außerdem noch eine Grundsatzfrage aufgeworfen: Wie neutral gegenüber verschiedenen Lebensentwürfen ist überhaupt der familienpolitisch aktive Staat?
    http://martin-hagen.blogspot.com/2007/02/wahlfreiheit-durch-kostenlose-kitas.html

  7. Sehr geehrter Herr Holzer,

    in einem kapitalgedeckten Altersversorgungssystem hat der Bürger die Wahl ob er bei seiner Altersvorsorge familiäre Bindungen berücksichtigen möchte. Er kann sein Handeln in weiten Teilen danach ausrichten und er wird es in der Regel so ausrichten, dass die Alterversorgung für Ihn gewährleistet ist, z.B. indem er seine Kinder so erzieht, dass diese eine Leistung erbringen die seine Versorgung gewährleistet.
    In einem staatlichen Zwangsumlagesystem hat der Bürger diese Möglichkeiten nur sehr beschränkt. In diesem System wird die Leistung seiner Kinder zum Großteil zwanghaft, anonym umverteilt. Dies führt zu Fehlentwicklungen da nun Bürger entweder gar keine Kinder bekommen oder deren Entwicklung nicht an einer Leistungsfähigkeit ausrichten. Das kann man zur Zeit übrigens sehr gut beobachten an der Debatte ob der Staat diese Fehlentwicklung mit der Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen korrigieren soll oder nicht.
    Sie sollten darlegen inwiefern eine staatliche Umverteilung der Umverteilung innerhalb der Familie (in Kombination mit dem Kapitalmarkt) überlegen ist und nicht den Kapitalmarkt allein mit dem nationalstaatlichen Zwangsumlagesystem vergleichen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Peter Slever

  8. Sehr geehrter Herr Slever,

    „in einem kapitalgedeckten Altersversorgungssystem hat der Bürger die Wahl ob er bei seiner Altersvorsorge familiäre Bindungen berücksichtigen möchte. Er kann sein Handeln in weiten Teilen danach ausrichten und er wird es in der Regel so ausrichten, dass die Alterversorgung für Ihn gewährleistet ist, z.B. indem er seine Kinder so erzieht, dass diese eine Leistung erbringen die seine Versorgung gewährleistet.“

    Sorry, ich weiss nicht, ob Sie Kinder haben. Es scheint mir nicht so. Voltaire ist von Jesuiten erzogen worden und hat anschließend völlig andere Thesen vertreten. Gudrun Ensslin war Tochter einer evangelischen Pfarrerfamilie und anschließend RAF-Mörderin. Aber schauen Sie sich selbst um: ich denke auch Sie werden Menschen in ihrem ganz persönlichen Umfeld kennen, die sich wirklich bemüht haben, ihe Kinder in einem bestimmten Punkt zu erziehen und nachher feststellen mussten, dass ihre Kinder sich völlig anders entwickelt haben (was nicht unbedingt negativ sein muss).

    Vor allem aber fällt dabei eines auf: von Freiheit ist in ihrem Statement nicht die Rede. Denn die Menschen sind dann ja gezwungen, ihre Kinder in diese Richtung zu erziehen. Und können dann auch noch – selbst im ehrlichen Bemühen, wie gesagt – scheitern.

    „Sie sollten darlegen inwiefern eine staatliche Umverteilung der Umverteilung innerhalb der Familie (in Kombination mit dem Kapitalmarkt) überlegen ist und nicht den Kapitalmarkt allein mit dem nationalstaatlichen Zwangsumlagesystem vergleichen.“

    Schauen Sie einfach mal den kürzlich angelaufenen Film „Der große Ausverkauf“ an. Da wird z.B. beschrieben, wie das privatisierte Gesundheitssystem in den Philippinen „funktioniert“. Die völlig verarmte Mutter (weil sie für ihren Sohn ihr Lebtag teure Medikamente kaufen musste) lebt für nichts anderes als dafür, Geld für die Dialyse (oder noch besser, aber auch kurzfristig viel teurer, einer Nierentransplantation) zu bekommen. Sie wollte ihren Sohn sicherlich auch „richtig“ erziehen. Was aber wenn der Sohn selbst lebensgefährlich erkrankt und damit für die Eltern keine „Einnahmequelle“ sondern ein zusätzlicher „Kostenfaktor“ wird?

    Das private Gesundheitssystem mag in der Theorie dem Umlagesystem überlegen sein, wenn alles optimal verläuft, so wie es verlaufen sollte. Aber das Leben verläuft in der Regel nicht optimal und dann führt das private Gesundheitssystem – in der Realität! – zwingend in die Katastrophe.

    Freundliche Grüße

    Christian Holzer

  9. …“Dabei öffnet der Familienartikel mit seinen unbestimmten Formulierungen die Türen für einen massiven Ausbau sozialstaatlicher Leistungen und Transferzahlungen. Stichworte hierzu lauten Erziehungsgeld, Partnermonate oder Elternzeit, Vaterschaftsurlaub, Grosselternzeit, Erhöhung von Kinderzulagen, Ergänzungsleistungen für Familien. Während gewisse Ideen einfach nur kosten, ohne dass sie – dies sei unterstellt – die Qualität der innerfamiliären Beziehungen verbessern, haben andere das Potenzial, Familien sehr direkt in die Abhängigkeit des Staates zu führen…“ Michael Schönenberger in dem Beitrag „Unnötig und antiliberal“ in der NZZ

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