Airbus-Gewirr

Der Airbus ist ein schwieriges Gebilde. Dies gilt nicht nur für das Kabelgewirr des A 380, in dem sich die Ingenieure aus Hamburg und Toulouse verstrickt haben. Sondern auch für das Machtgewirr zwischen der Unternehmensführung und den Regierungen der beteiligten Länder. Die deutsche Seite droht ins Hintertreffen zu geraten, seit DaimlerChrysler begonnen hat, die Hälfte seiner Anteile an dem Airbus-Produzenten EADS zu verkaufen. DaimlerCrysler galt bislang als der Sachwalter deutscher Interessen, der gewährleisten sollte, dass EADS nicht von französischen Interessen dominiert wird. Die Bundesregierung versucht nun, auf verschiedenen Ebenen Druck auf die französische Seite auszuüben, um dem von Dominique de Villepin ausgerufenen „Wirtschaftspatriotismus“ zu begegnen. Ist dies der richtige Weg, um möglichen Schaden von der deutschen Volkswirtschaft abzuwenden?

Wer nach einer ökonomisch fundierten Antwort auf diese Frage sucht, sollte auf die Theorie der strategischen Handelspolitik zurückgreifen. Ihre Modelle zeigen, wie man durch gezielte Subventionierung strategischer Industrien monopolistische Renten aus dem Ausland ins Inland umlenken kann. Sie zeigen jedoch auch, dass alle beteiligten Länder nur verlieren können, wenn das geschädigte Land seinerseits mit einer strategischen Subventionierung der betreffenden Industrie antwortet. Keines der Länder profitiert dann noch von einer Rentenumlenkung, aber die Subventionen fließen weiter, da jedes Land von einem einseitigen Subventionsverzicht Nachteile hätte. Eine Befreiung aus diesem Gefangenen-Dilemma ist nur möglich, wenn die Regierungen miteinander kommunizieren und einen koordinierten Subventionsabbau beschließen.

Beim Airbus geht es zwar nicht primär um die Verteilung von Monopolgewinnen, sondern um die Aufteilung hochproduktiver Arbeitsplätze auf Standorte wie Hamburg, Nordenham oder Toulouse. Doch die Problemlage ist ähnlich, denn auch hier geht es um industriepolitische Interventionen, mit denen Vorteile auf Kosten des Auslandes erzielt werden sollen.

Mit der Analogie zur strategischen Handelspolitik ist die First-Best-Lösung für die Bundesregierung vorgezeichnet: Sie sollte die aktuelle Krise zum Anlass nehmen, gemeinsam mit der französischen Regierung zu einem Konsens zu kommen, um den Airbus und die gesamte EADS aus der politischen Umklammerung zu befreien. Doch was tun, wenn die französische Seite diesen Weg nicht mitgeht? Für diesen Fall kommt es entscheidend darauf an, ob die komparativen Vorteile im Flugzeugbau eindeutig in Frankreich oder zumindest teilweise auch in Deutschland liegen. Wenn letzteres zutrifft, dann sollte die Bundesregierung mit Nachdruck einer Verlagerung der Airbus-Produktion nach Frankreich entgegentreten. Die ordnungspolitische Grundsatzvermutung, der Staat solle unter allen Umständen auf industriepolitische Interventionen verzichten, lässt sich also im Lichte der Theorie der strategischen Handelspolitik nicht in jedem Fall aufrecht erhalten.

Mittlerweile gießt die Unternehmensführung von EADS zusätzliches Öl ins Feuer, indem sie ankündigt, ganze Werke schließen zu wollen, um ein regional konzentriertes Outsourcing betreiben zu können. Viele Beobachter argwöhnen, damit könnten auch große Teile der Airbus-Zulieferung nach Frankreich gezogen werden, und zwar nicht nur aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen. Besser beraten wäre die Unternehmensleitung vermutlich, wenn sie das Outsourcing mit dem Ziel forcieren würde, die politische Einflussnahme auf die Airbus-Produktion insgesamt zu reduzieren. Wenn ihr wirklich daran gelegen ist, sich aus der politischen Umklammerung zu befreien, könnte die stärkere Einbindung politikresistenter Zulieferer durchaus ein probates Mittel sein. Denn je kleiner der Teil der Airbus-Wertschöpfungskette, auf den die Politiker Druck ausüben können, desto weniger industriepolitisches Kabelgewirr können sie anrichten.

Henning Klodt

4 Antworten auf „Airbus-Gewirr“

  1. Sehr geehrter Herr Klodt,

    leider muss ich Ihnen hier widersprechen, wenn Sie einen Subventionsabbau bei Airbus fordern.

    Sicherlich klingt dies erst einmal positiv, nur muss man berücksichtigen, dass dann privates Fremdkapital hereingeholt werden muss. Dieses Fremdkapital ist aber teurer als staatliche Subventionen, so dass Airbus mit höheren Kosten kalkulieren müsste und im Vergleich mit Boeing ins Hintertreffen geraten würde. Allenfalls ein gleichzeitiger Subventionsabbau bei Airbus und bei Boeing könnte befürwortet werden. Doch der Streit darüber, welches dieser beiden Unternehmen mehr staatliche Subventionen einstreichen kann, ist schon nahezu legendär (Boeing klagt gegen die Airbus-Subventionen vor der WTO, Airbus klagt gegen die Boeing-Subventionen vor der WTO).

    Man muss auch berücksichtigen, dass die Konkurrenzfähigkeit von Airbus durch die Subventionen sichergestellt werden und eine Monopolstellung von Boeing verhindert wird. Ein quasi unangreifbares Boeing-Monopol (kein privates Firmenkonsortium würde ernsthaft gegen Boeing konkurrieren, wenn Airbus gescheitert ist und ein Konkurrenz über ein Subventionsgut ist selbst theoretisch nicht vorstellbar) wäre für die europäische Wirtschaft eine Katastrophe.

    Freundliche Grüße

    Christian Holzer

  2. Diese These von der Notwendigkeit der Subventionierung zur Verhinderung der Monopolstellung wird nicht besser je öfter sie wiederholt wird. Allein die Tatsache, dass mit Steuergeldern die Kostendifferenz ausgeglichen werden muss, die Airbus gegenüber Boeing ins Hintertreffen geraten lässt, würde schon zeigen, dass sich Europa eine Produktionsstruktur hält, die von allein nicht marktfähig weil volkswirtschaftlich unsinnig wäre. Auch bei Flugzeugindustrie handelt es sich um bestreitbare Märkte, bei denen hohe Gewinnmargen irgendwann die hohen fixkostenbedingten Markteintrittsbarrieren für Newcomer überwindbar werden lässt.

  3. Sehr geehrter Herr SteffenH,

    Zu Ihrem Kommentar habe ich ein paar Nachfragen:
    – Ihnen ist bekannt, dass auch Boeing ein hoher Subventionsanteil vorgeworfen wird? Daher sagt die Subventionierung von Airbus nichts darüber aus, wie sehr Airbus aufgrund ihrer Kostendifferenz ins Hintertreffen geraten ist. Allenfalls – so die Airbus-Sichtweise – wird die Subventionierung von Boeing ausgeglichen. Die Boeing-Sichtweise ist jedoch, dass ihre Subventionen nur die Airbus-Subventionen ausgleichen. Daher ja meine Bemerkung, dass wenn man einen Subventionsabbau fordert, man diesen gleichmäßig und gleichzeitig bei Airbus und Boeing fordern sollte. Und meine Kritik an Herrn Klodt, dass dies in seinem Kommentar nicht berücksichtigt wird.

    – Weder in Ihrem noch im Kommentar von Herrn Klodt, wird kritisiert, dass hinter Boeing der US-Staat steht. Wenn Boeing ein Monopol hätte und Boeing nicht vollständig privatisiert wäre, dann könnte niemals ein Newcomer in den Markt eintreten. Da Boeing ja immer mit vom US-Staat gestützten Dumpingpreisen dagegen reagieren könnte. Und da dies jeder private Investor wüsste, würde dies niemand versuchen.

    – Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, wie hoch die Gewinnmargen sein könnten, die Boeing der europäischen Wirtschaft entziehen könnte, wenn Boeing ein Monopol hätte? Unsere Industrie ist auf Verkehrs- und Transportflugzeuge angewiesen und somit quasi erpressbar. Mit Hilfe dieser Gewinnmargen könnte sich Boeing dann sukzessive einen europäischen Verkehrsmarkt nach dem anderen erobern (sicherlich zuerst die Flugzeugnahe Industrie, z.B. Helikopter und dann immer weiter).

    Letztlich: Ich denke, es hilft nichts, wenn man mit irgendwelchen 08/15-Standardmodellen jeden Markt gleich analysiert sondern man muss sich schon die Mühe machen, jeden Markt gesondert und mit seinen Spezifikationen zu analysieren. Dann können sich natürlich auch die wirtschaftspolitischen Empfehlungen von Markt zu Markt unterscheiden.

    Mit freundlichen Grüssen

    Christian Holzer

  4. Interessant übrigens in diesem Zusammenhang dieser Artikel:
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,472405,00.html. Eine Entwicklung, die auch mich überrascht hat.

    Und sage mir keiner das kommunistische China würde diese Industrie ohne staatliche Subventionen aufbauen. In diesem Zusammenhang ist auch dieser Artikel interessant:
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,472357,00.html

    Die Flugzeugindustrie kann sicherlich als eine Anlagemöglichkeiten für die chinesischen Dollar-Reserven betrachtet werden.

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