Karges Kanzlergehalt?

Das rot-grüne Lager hat es geschafft, die Mehrheitsverhältnisse in Niedersachsen zu ändern – trotz ihres Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, wie viele meinen.  Dieser ist nämlich in jüngster Zeit wiederholt in die öffentliche Kritik geraten, so unter anderem aufgrund eines Interviews zu den Bezügen des deutschen Bundeskanzlers.  Die vom Kanzlerkandidaten Steinbrück vorgebrachte Kritik an der Höhe der Bezüge des deutschen Bundeskanzleramtes hat Wellen geschlagen. Steinbrück äußerte, dass ein Bundeskanzler im Vergleich zu Führungskräften in der freien Wirtschaft (zu) gering bezahlt sei. Dabei geht es Steinbrück laut eigenen Worten nicht um eine Anhebung der Bezüge, um davon als Kanzler zu profitieren, sondern um ein generelles Statement. Denn, so Steinbrück, wem die Entlohnung als Kanzler nicht ausreiche, müsse sich nicht um dieses Amt bewerben.

Wie viel verdient denn ein Bundeskanzler?

Kanzlerin Angela Merkel erhält ein Amtsgehalt von monatlich knapp 17.000 Euro. Hinzu kommt die Abgeordnetendiät von etwas über 4.000 Euro. Insgesamt beläuft sich Merkels Jahreseinkommen damit auf etwa 250.000 Euro. Dies ist ein überdurchschnittlich hohes Jahresgehalt, es ist aber mitnichten ein Spitzengehalt. Die Bundespräsidentin der Schweiz verdient deutlich mehr, die Premierministerin Australiens ebenso. Der Vergleich mit dem Gehalt eines Sparkassendirektors ist bereits vielfach in den Medien thematisiert worden: 447.000 Euro im Jahr beträgt beispielsweise das Gehalt für den Dortmunder Sparkassenvorstand, 570.000 Euro gibt es jährlich für den Chef der Sparkasse Münsterland-Ost.

Wofür wird denn Lohn gezahlt?

Über die Lohnhöhe wird nicht nur Arbeitsleistung honoriert, sondern es werden auch vom Arbeitgeber erwünschte individuelle Merkmale des Beschäftigten wie Qualifikation oder Flexibilität vergolten. Volkswirtschaftlich gesehen erfüllt der Lohn mehrere Funktionen: An erster Stelle nimmt er eine Kompensationsfunktion wahr. Der Lohn ist die Kompensation für eine erbrachte Arbeitsleistung. Die Allokationsfunktion sorgt dafür, dass der entsprechende Arbeitsmarkt (was die gewünschten Merkmale wie etwa die Qualifikation betrifft) geräumt ist (es also weder Fachkräftemangel noch Überschuss gibt), die Distributionsfunktion sorgt für die Einkommensverteilung entsprechend der vom Markt wahrgenommenen Leistung, die Motivationsfunktion sorgt (nach der Effizienzlohntheorie von Shapiro und Stiglitz ) für eine motivierte Ausübung auch nicht direkt beobachtbarer Tätigkeiten im Sinne des Auftraggebers. Hinzu können noch weitere Funktionen kommen. So kann der Lohn u.a. ein Statussymbol darstellen. Dies kann in Verhandlungen für den Arbeitgeber wichtig sein. Ein hoher Status des Arbeitnehmers kann in Verhandlungen die Erfolgschancen des Arbeitgebers positiv beeinflussen, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund des höheren Lohnes ein höherer Status von den anderen Verhandlungsteilnehmern beigemessen wird. Diese Statusfunktion ist möglicherweise für das Kanzleramt ebenfalls von Relevanz.

  1. Zur Kompensationsfunktion

Ein Kanzler arbeitet de facto rund um die Uhr – Freizeit hat er kaum. 16 Stunden am Tag sind keine Ausnahme, Urlaub gibt es nicht. Von 80 bis 100 Stunden pro Woche kann man also mindestens ausgehen: Ein Kanzler arbeitet für zwei Personen. Zudem hat er schwierige Entscheidungen zu treffen, hinzu kommt eine hohe Reisebelastung. Umgerechnet auf eine normale Arbeitsstelle macht dies also ein Gehalt von vielleicht 125.000 Euro – die 250.000 Euro Besoldung verteilt auf zwei Normalarbeitsplätze – das ist nicht übermäßig viel.

  1. Zur Allokationsfunktion

Der Lohn soll dafür sorgen, dass der jeweilige Arbeitsmarkt geräumt ist. Das Kanzleramt erfordert sicherlich besondere Merkmale der infrage kommenden Kandidaten. Dies gilt im Hinblick auf die Flexibilität, es gilt im Hinblick auf die Qualifikation und es gilt auch im Hinblick auf die Verantwortung, die das Amt mit sich bringt.

Eine Lohnerhöhung basierend auf der Allokationsfunktion ist dann angebracht, wenn die betreffenden Anforderungen von keinem Kandidaten erfüllt werden. Da das deutsche Volk in einer Wahlentscheidung zwischen mehreren Kandidaten abstimmen soll, sollten auch mehre geeignete Kandidaten zur Verfügung stehen. Wie wichtig eine Qualifikation ist, entscheidet dabei das Wahlvolk. Ein entsprechender Schul- oder Hochschulabschluss wird nicht vorausgesetzt. Um für die Wahl des Kanzlers nominiert zu werden, ist jedoch ohne Zweifel politisches Können Voraussetzung, um sich in parteiinternen Ausscheidungen durchzusetzen. Es ist sehr fraglich, ob eine Erhöhung der Bezüge die Qualität der Bewerber, deren Willen zur Flexibilität oder deren Bereitschaft zur Übernahme von großer Verantwortung erhöht.

  1. Zur Distributionsfunktion

Entlohnungen erfüllen auch die Funktion, Einkommen zu verteilen. Dies ist häufig die Debatte von Gerechtigkeitsdiskussionen, da Einkommen üblicherweise nach der Marktleistung und nicht nach dem Gerechtigkeitsempfinden der Wähler bemessen sind. Für staatliche Bezüge gilt dies indes nicht, und somit ist die Frage, ob das Kanzlergehalt gerecht bemessen ist, berechtigt. Dies wiederum hängt vom Gerechtigkeitskriterium ab: Aus der Sicht von egalitärer Gerechtigkeit oder Bedarfsgerechtigkeit ist die Kanzlerbesoldung wohl eher zu hoch. Aus der Sicht von Leistungsgerechtigkeit ist die Besoldung hingegen vergleichsweise spärlich – andernorts wird ähnliche Qualifikation, ähnliche Motivation und Flexibilität bei geringerer Verantwortung erheblich besser entgolten.

  1. Zur Motivationsfunktion

Ein wesentlicher Grund der hohen Managergehälter sind Informationsasymmetrien hinsichtlich der Leistung der Manager. Die Arbeitsleistung der Manager besteht vor allem im Treffen richtiger Entscheidungen. Die Qualität der Entscheidungen ist für die Eigner des Unternehmens oder für die diese vertretenden Aufsichtsräte schwer zu überblicken und zu beurteilen. Die Prinzipal-Agenten-Theorie erklärt dies: Der uninformierte Prinzipal kann den besser informierten Agenten nicht adäquat überwachen, der Agent genießt mithin diskretionären Handlungsspielraum.  Damit er diesen im Sinne des Prinzipals, also des Eigners, nutzt, wird ihm ein Lohnaufschlag gezahlt. Stellt sich irgendwann heraus, dass er nicht motiviert im Sinne des Prinzipals handelt, verliert er die Stelle, den damit verbundenen Lohn (beides kann er auf einem funktionierenden Arbeitsmarkt anderswo aber auch bekommen) und den Lohnaufschlag. Letzterer geht ihm dauerhaft verloren.

Im Gegensatz zu den Managergehältern – und dazu darf man auch das Gehalt eines Sparkassendirektors rechnen – greift die Prinzipal-Agenten-Theorie beim Bundeskanzleramt aber nicht wirklich: Der Bundeskanzler und seine Handlungen stehen dauerhaft im Licht der Öffentlichkeit, werden von den Parteikollegen überwacht, von der Opposition kritisch kommentiert und von den Medien in der Bevölkerung gestreut. Damit kann es sich ein Bundeskanzler kaum leisten, unmotiviert zu  arbeiten oder ersichtlich Entscheidungen zum eigenen Vorteil zu fällen. Damit scheidet der Hauptgrund, ein Staatsoberhaupt wie einen Topmanager zu bezahlen, aus.

  1. Zur Statusfunktion

Der Lohn, der mit einer beruflichen Position verbunden ist, wird von vielen Menschen mit dem sozialen Status dieser Position verbunden. Lohneinkommen gilt damit als Statusgut, also als positionales Gut. Ein solches Positionsgut – also eine Stelle mit im Vergleich zu anderen Stellen hohem Lohneinkommen – kann aus investiven wie auch aus konsumtiven Gründen nachgefragt werden. Konsumtiv meint dabei, dass die Position nur wegen des Bedürfnisses nach Anerkennung und Wertschätzung angestrebt wird. Bundeskanzler zu werden ist ohne Zweifel ein solches konsumtives Positionsgut. Es verhilft zu Ansehen und in den meisten Fällen auch zu Wertschätzung. Dafür ist die Höhe der Entlohnung nahezu irrelevant.

Auf der anderen Seite muss ein deutsches Staatsoberhaupt Verhandlungen führen, und dies auch mit Topmanagern aus der Wirtschaft. Hier ist der Status des Verhandelnden wichtig – und hier können sich Lohnunterschiede negativ bemerkbar machen, wenn die Topmanager erheblich besser bezahlt sind als der Kanzler. Aber: Diesen Unterschied aufzuheben würde nicht eine kleine, sondern eine erhebliche Aufstockung des Kanzleramtes ausmachen. Und da diese Argumentation auch für Minister, Bürgermeister oder ähnliche öffentliche Ämter gilt, ist dies für die deutsche Bevölkerung wohl zu teuer.

Eine abschließende Bewertung

Auch wenn eine Anhebung der Kanzlerbesoldung aus genannten Gründen nicht zwingend notwendig erscheint, so ist es dennoch gut und sinnvoll darauf hinzuweisen, dass die Entlohnungsunterschiede zwischen manchem Managerposten und dem Kanzleramt ihre Begründung nicht in Leistung oder Status haben, sondern vor allem in den Informationsasymmetrien der Managerposten (bei manchem Manager womöglich zudem im Versagen des Aufsichtsrates).

Es ist auch richtig, dass die Entlohnungsrelationen immer wieder überprüft und diskutiert werden müssen, damit das Kanzleramt auch für qualifizierte, fähige und verantwortungsbewusste Gestalter eine attraktive Position bleibt. Solche Diskussionen anzuregen obliegt naturgemäß den Kandidaten für eine entsprechende Position. Dies vor einer Wahl bereits anzusprechen zeugt von Verantwortungsbewusstsein gegenüber der wählenden Bevölkerung. Auch und gerade dann, wenn diese mehrheitlich anderer Meinung sein sollte.

 

2 Antworten auf „Karges Kanzlergehalt?“

  1. In der oft zitierten freien Wirtschaft sollten die Chefs in Absprache mit den Angestellten über deren Löhne verhandeln. Frau Merkel ist nicht Chef, sondern Angestellte des Volkes. Ergo lasst doch das Volk bestimmen, in Absprache mit Frau Merkel, wieviel dem Wähler die Leistung einer Kanzlerin Merkel wert ist. Und wenn ihr das Gehalt nicht passt? In einer freien Wirtschaft wird niemand gezwungen eine Arbeitstelle anzunehmen. Sie kann sich mit ihrem Portfolio ja gerne woanders bewerben. Und T’schüssssssssss.

  2. „Ein Kanzler arbeitet de facto rund um die Uhr – Freizeit hat er kaum. 16 Stunden am Tag sind keine Ausnahme, Urlaub gibt es nicht. Von 80 bis 100 Stunden pro Woche kann man also mindestens ausgehen: …“

    Erbringt der Kanzler den zeitlichen Aufwand des Kanzlers ausschließlich zum Nutzen seines Auftraggebers, des Wahlvolkes, oder sind darin vielleicht auch andere Zielstellungen enthalten – Parteiinteressen, Machterhalt, Anschlußversorgung, etc. … ?. Wenn ja, wie groß ist deren Anteil?

    „… – andernorts wird ähnliche Qualifikation, ähnliche Motivation und Flexibilität bei geringerer Verantwortung erheblich besser entgolten.“

    Welche Verantwortung für sein Handeln, im rechtlichen Sinne, hat ein Politiker zu tragen? Welche belastbaren Kriterien für Erfolg oder Scheitern, für verantwortliches und unverantwortliches Handeln gibt es für ihn? Hier unterscheidet sich der Politiker doch vom „Manager“, der zwar verantwortungslos oder erfolglos handeln mag, dessen Tun jedoch meßbar ist.
    Auch schein das Kanzleramt ein begehrter Ort zu sein, finden sich doch immer wieder Kandidaten für diesen schlecht bezahlten Job. Also kein Grund, noch mehr dafür zu zahlen.

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