Gastbeitrag
Parallelwährungen als Ausweg aus dem Euro-Dilemma?

Die aktuelle Eurokrise offenbart das grundsätzliche Dilemma einer Währungsunion: Es muss eine gemeinsame Geld- und Zinspolitik für mehrere Volkswirtschaften mit ggfs. ganz unterschiedlicher Leistungsfähigkeit gefahren werden. Zudem gibt es nur einen Wechselkurs, der für das eine Land zu hoch, für das andere aber zu niedrig sein kann. Die Folge sind massive Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen, Fehlleitungen der internationalen Kapitalströme und divergierende Konjunkturlagen, denen die Geldpolitik nicht gleichzeitig gerecht werden kann.

So ist die aktuelle Niedrigzinspolitik der EZB aus Sicht der Problemländer im Euroraum vielleicht angemessen. Sie erleichtert ihnen zumindest auf kurze Sicht die Bedienung ihrer Schuldenlast und mildert dort die Rezession, wenn auch mit stark abnehmenden Grenzerträgen. In Deutschland leidet dagegen unter negativen Realzinsen mit entsprechenden Fehlanreizen bei Staatsverschuldung und Investitionen. Zudem werden dadurch die Sparer im Wege der finanziellen Repression praktisch enteignet, da die Nominalzinsen nicht einmal mehr die Inflationsrate decken.

Vor diesem Hintergrund sind verschiedene Vorschläge für die Einführung von Parallelwährungen gemacht worden. So könnten Problemländer wie Griechenland zusätzlich zum Euro wieder eine eigene Währung einführen, die dann Grundlage für die dortige Lohn- und Preisgestaltung wäre. So ließe sich ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, während gleichzeitig der Euro als gemeinsames Zahlungsmittel erhalten bliebe. Soweit die Auslandsschulden vertragsmäßig „in Landeswährung“ nominiert sind, ließe sich auf diese Weise zusätzlich eine Teilentschuldung bewirken, da die Landeswährung jetzt eben nicht mehr der Euro wäre.

Alternativ oder zusätzlich könnte auch Deutschland eine „Neue DM“ (NDM) als Parallelwährung einführen. Die Motivation wäre hier vor allem der Schutz der Sparer vor weiterer finanzieller Repression. Denn zum einen dürfte die NDM vermutlich stark gegenüber dem Euro aufwerten, und zum anderen könnten Guthaben in NDM von der Bundesbank höher verzinst werden als mit dem Euro-Einlagensatz der EZB. Dazu bräuchte die NDM nicht einmal als Bargeld eingeführt zu werden, eine reine Buchwährung würde zunächst ausreichen. Auch der Euro ist ja nur Schritt für Schritt entstanden, zunächst als reine Verrechnungseinheit ECU, 1999 dann als obligatorische Buchwährung und 2002 schließlich als Bargeld.

Parallelwährungen scheinen also auf den ersten Blick für alle Beteiligten große Vorteile zu haben. Die Problemländer könnten wieder wettbewerbsfähiger werden, die Überschussländer könnten ihren Bürgern höhere Zinsen und ein wertstabileres Geld verschaffen. Zugleich bliebe der Euro als gemeinsame Recheneinheit und innereuropäisches Zahlungsmittel erhalten.

Trotzdem ist die Einführung von Parallelwährungen ökonomisch, rechtlich und politisch schwierig. So haben die Problemländer wenig Interesse daran, jedenfalls solange sie ihre Zahlungsbilanz- und Staatsdefizite weiter über Rettungsfonds und EZB finanzieren können.  Zudem haben sich Wirtschaft und Bevölkerung an die Bequemlichkeit einer einheitlichen Währung in Europa gewöhnt. Die Freude darüber, nun wieder alles in unterschiedlichen Währungen umrechnen zu müssen, und das auch noch im eigenen Land, dürfte begrenzt sein.

Aber Bequemlichkeit und Gewohnheit haben ihren Preis. Wenn es beim Euroraum in seiner jetzigen Form bleibt, läuft dies zwangsläufig auf eine Transferunion unvorstellbaren Ausmaßes hinaus. Aktuell wird die deutsche Haftungssumme im Zusammenhang mit der Eurorettung vom ifo-Institut auf 666 Mrd. Euro veranschlagt. Mit der geplanten Bankenunion kommen noch weitaus größere Risiken auf die deutschen Sparer und Steuerzahler zu. Und die langfristigen Kosten der immer größere Ausmaße annehmenden Euro-Geldschwemme in Form von Inflationsrisiken und Fehlanreizen für die Schuldnerländer sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Es gibt allerdings noch einen anderen Ausweg, nämlich die teilweise Renationalisierung der Zinspolitik. So könnte die Bundesbank wertgesicherte Euroeinlagen (WGA) als Alternative zu der normalen Reservehaltung bei der EZB anbieten. Die WGA würden mit einer Wertgarantie in Höhe der Euro-Inflationsrate bei Rückzahlung ausgestattet, zuzüglich des normalen Einlagensatzes der EZB. Damit hätten die in Deutschland ansässigen Kreditinstitute eine zumindest werterhaltende Anlagemöglichkeit für ihre liquiden Mittel, während gleichzeitig andere Euro-Notenbanken bei der derzeitigen Niedrigzinspolitik bleiben könnten. Faktisch würde die Bundesbank damit eine Parallelwährung einführen, allerdings nur als spezielles Buchgeld und ohne das Kind beim Namen zu nennen. Die Bevölkerung erhielte damit eine bessere Verzinsung ihrer Sparguthaben, könnte aber dennoch den Euro als alleiniges Zahlungsmittel behalten. Und anders als bei einer echten Parallelwährung könnte ein solcher, begrenzter Schritt auch nicht als Bruch mit den anderen Euroländern missverstanden werden. Denn die nicht für alle passende Einheitszinspolitik ist ja ein von allen Seiten anerkanntes Ärgernis der Einheitswährung. Trotz vieler Probleme im Detail dürfte es sich deshalb lohnen, ernsthaft über entsprechende Auflockerungen dieser Politik nachzudenken.

Hinweis:

Dieser Leitartikel ist in der Ausgabe 07/2013 der Fachzeitschrift WiSt erschienen.


4 Antworten auf „Gastbeitrag
Parallelwährungen als Ausweg aus dem Euro-Dilemma?“

  1. Wieso ist die „Enteignung“ von Sparern ein Problem? Auch in Deutschland herrscht kein Kapitalmangel, oder? Niedrige Zinsen geben doch die richtigen Anreize im derzeitigen schwachen Wirtschaftsumfeld. Wenn die riesigen Vermögen, die verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten suchen, abgebaut werden, scheint es auch in die richtige Richtung zu gehen. Deswegen verstehe ich zwar, dass Einheitszinsen in einem nicht einheitlichen Gebiet ein Problem darstellen können, aber nicht wieso Zinsen immer real positiv sein sollen.

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