Achtung: Statistik
Das St.-Petersburg-Paradoxon

Stellen Sie sich vor, Sie möchten in Zukunft Ihr Geld mit Glücksspiel verdienen. Sie gehen also in eine dunkle Kaschemme und versuchen es für den Einstieg folgendermaßen: Sie lassen einen Mitspieler eine Münze werfen, bis Kopf erscheint. Wenn Kopf bereits im ersten Wurf oben liegt, müssen Sie dem Mitspieler 2 Euro geben. Erscheint Kopf erst bei späteren Würfen, werden die zwei Euro mit jedem zusätzlichen Wurf verdoppelt. Es stellt sich nun die Frage, welchen Einsatz Sie verlangen sollten, damit für Sie ein schöner Gewinn übrig bleibt. Einen hohen Geldbetrag müssen Sie nur auszahlen, wenn man sehr oft werfen müsste, damit zum ersten Mal Kopf erscheint. Wenn wir also tatsächlich fünf Würfe bräuchten, ist der Auszahlungsbetrag gerade einmal 2^5 = 32 Euro. Und dies erscheint schon recht unwahrscheinlich. Wenn Sie Ihrem Mitspieler also z.B. 1000 Euro als Spieleinsatz abverlangen würden, dann dürfte dies die meisten Mitspieler vermutlich abschrecken, Sie müssten dabei aber einen guten Schnitt machen. Oder etwa nicht?

Es lohnt zur Bewertung dieser Frage noch einmal auf das Beispiel mit den fünf Würfen zurückzukommen. Konkret hilft die Überlegung, wie wahrscheinlich es ist, dass genau im fünften Wurf zum ersten Mal Kopf oben liegt. Dazu muss viermal Zahl oben liegen und dann Kopf. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist (1/2)^5 = 1/32. An dem Ergebnis mag irritieren, dass der Auszahlungsbetrag in diesem Fall 32 Euro beträgt und die Wahrscheinlichkeit dem Kehrwert entspricht, also 1/32. Stellen wir uns das Ganze für den Fall vor, dass Kopf das erste Mal im zehnten Wurf oben liegt. Die Wahrscheinlichkeit beträgt (1/2)^10 = 1/1024 und der in diesem Fall von Ihnen auszuzahlende Betrag 2^10 = 1024 Euro.

Welchen Betrag müssen Sie nun konkret im langfristigen Mittel an den Mitspieler auszahlen? Sie müssen nur die Wahrscheinlichkeiten mit den Auszahlungsbeträgen bewerten und zusammenzählen, also 1/2*2 + 1/4*4 + 1/8*8 + … = 1 + 1 + 1 + … = ∞. Der durchschnittliche zu erwartende Auszahlungsbetrag ist tatsächlich unendlich. Sie müssen erwarten, dass Sie – zumindest bei sehr vielen Spielen – aus diesem Spiel immer als finanzieller Verlierer hervorgehen, egal, wie viel Ihr Mitspieler bereit ist, einzusetzen. Für eine dauerhafte Finanzierung Ihres Lebensunterhalts ist dieses Spiel also ungeeignet, auch wenn der Mitspieler 1000 Euro oder noch mehr setzt. Diese intuitiv unerwartete Lösung wird in der Literatur unter dem Namen St.-Petersburg-Paradoxon geführt.

Björn Christensen und Sören Christensen
Letzte Artikel von Björn Christensen und Sören Christensen (Alle anzeigen)

Eine Antwort auf „Achtung: Statistik
Das St.-Petersburg-Paradoxon“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert