Gastbeitrag
Sind Zentralbanken noch zeitgemäß?

Das politische Experiment einer gemeinsamen europäischen Währung ist an den selbst gesteckten Ansprüchen gemessen gescheitert. Der Euro sollte ökonomische Stabilität und politische Einheit bringen. Längst ist die Krise das Hauptmerkmal des Euro-Systems in beiderlei Hinsicht. Der Euro ist eine Fehlkonstruktion mit Ansage. Eine Geldpolitik für verschiedene Länder bedeutet: „one size fits none“. Das wirft die Frage auf: Sind Zentralbanken noch zeitgemäß? Erhellend ist es, die Funktionsweise monopolistisch-behördlicher Zentralbanken mit freiheitlich-wettbewerblichen Geldordnungen zu vergleichen.

Zentralbanken sind Inflationsbehörden und leiden an strukturellem Wissensmangel

Die Ausschaltung des Wettbewerbs zwischen nationalen europäischen Währungen per politisch oktroyierter Zentralwährung hat einen Krisenmechanismus erschaffen. Es ist allerdings falsch, den Zentralbanken einen Vorwurf zu machen. Das hieße dem Glauben anzuhängen, sie hätten besser handeln können, was nicht der Fall ist wie Anthony J. Evans argumentiert. Die herausragende Krisenlektion lautet vielmehr: Das Wesen eines Zentralbanksystems, nämlich der Versuch ein Geldwesen zentral zu planen und zu steuern, ist eine Aufgabe, die Geldpolitiker und Mitarbeiter in Zentralbanken nicht ausreichend leisten können. Die Zentralbanken haben das Beste getan, nach bestem Wissen das geleistet, was für sie möglich war; es hat zur Vermeidung und Lösung der Krise nicht gereicht. Vielmehr ist Geldpolitik geeignet, eine Krise epochalen Ausmaßes zu erzeugen.

Zentralbanken wohnen eine Reihe Funktionsdefizite inne, die sich weder beseitigen noch hinreichend kompensieren lassen:

  1. Zentralbanken sind nicht das Ergebnis eines evolutionären Entdeckungsverfahrens, sondern durch Privilegien und Zwang entstanden. Regierungen haben zu beiderseitigem Vorteil eine Großbank, wie die Bank of England, privilegiert, die den staatlichen Finanzbedarf über die Bereitschaft der Steuerzahler und Kreditgeber hinaus gestillt hat. Das Beispiel USA zeigt wie sehr den Großbanken an einer Institution gelegen war, die ihre Risiken senkte und zugleich steigende Gewinne ermöglichte.
  2. Zentralbanken sind in der Währungsgeschichte ein relativ junges Experiment, obwohl der „Staat“ das metrische oder sogar faktische Münzregal seit der Antike inne hatte. Noch jünger ist die Absicht, realwirtschaftliche Entwicklungen durch einen Experten basierte Geldpolitik positiv beeinflussen und Stabilität fördern zu wollen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Geldentwertung, Hyperinflationen und Finanzkrisen haben quantitativ und qualitativ seit der Einführung von Zentralbanken deutlich zugenommen. Wie Peter Bernholz zeigt, fanden alle 30 untersuchten Hyperinflationen bis auf eine Ausnahme nach 1914 im Jahrhundert der Zentralbanken statt. Zudem verzerrt politisiertes Geld Preise und Produktionsstrukturen.
  3. Ein Geldsystem, das eine Strategie der kontinuierlichen Geldmengenausweitung und damit Reduzierung der Kaufkraft verfolgt – bei jährlich 2% „Preisniveauanstieg“ halbiert sich der Wert des Geldes alle 35 Jahren –, verbessert weder die ökonomische Leistungsfähigkeit noch die volkswirtschaftliche Stabilität. Zugleich hat sich der Versuch, Wirtschaftszyklen zu dämpfen, als kontraproduktiv erwiesen (monetärer Boom und Bust). Zentralbanken sind mit dem Doppelauftrag Preisniveaustabilisierung und Stimulierung des Wirtschaftswachstums bei nur einem verfügbaren Mittel – Steuerung der Geldmenge – überfordert. Derartige Zielkonflikte mehren sich mit der im Fall der EZB beabsichtigten Übertragung der Verantwortung für die Finanzmarktstabilität.
  4. Die Unabhängigkeit einer ohnehin kaum kontrollierten Zentralbank von politischem Einfluss ist grundsätzlich unzureichend gesichert und der Unabhängigkeit im Wettbewerb stehender Institute unterlegen. Behörden, die wie die Fed wirtschaftlich nicht einmal geprüft und deren Leiter wie bei der EZB nach politischer Maßgabe ernannt werden, verfügen über weitreichende Steuerungsmacht. Ihre politische Perspektive lädt zu politisch konformem Handeln gerade im Krisenfall ein. Banken retten Staaten, die wiederum Banken retten und anschließend durch die Zentralbank gerettet werden.
  5. Zentralbanken betreiben eine Form von Zentralplanwirtschaft. Sie konzentrieren und kontrollieren eine herausragende wirtschaftliche Institution in einem staatlichen Geldsystem. Das Expertenwissen der Zentralbanken reicht allerdings genauso wenig für die adäquate und zeitgerechte Anpassung der Geldmenge an die Geldnachfrage wie es bei der Produktion von Autos, Stahl und Süßigkeiten durch Zentralplankomitees der Fall war. Die Unvollkommenheit menschlicher Erkenntnis bedarf keiner Zentralisierung mit der stets inhärenten „Anmaßung von Wissen“. Der Markt ist in seiner Koordinations- und Entdeckungsfunktion allen anderen Mechanismen überlegen. Das liegt an seiner dezentralen Koordination von Informationen durch Preissignale.
  6. Zentralbanken verursachen „Moral hazard“; sie gestatten es einem Akteur, die negativen Folgen seines Handelns auf andere Akteure ohne deren Zustimmung abzuwälzen. Billiges Geld und die Möglichkeit, Verluste zu sozialisieren, schürt die Risikoneigung; Haftung und Entscheidung werden durch Bailouts entkoppelt. Die damit einhergehende Verzerrung der Anreizstruktur führt unweigerlich zu einem vermehrten Auftreten des ungewünschten Verhaltens. Die Institutionalisierung eines „Kreditgebers letzter Instanz“, der taumelnden Banken faul gewordene Forderungen abkauft, verwandelt nach und nach ein unternehmerisches Einzelrisiko in ein gesellschaftliches Systemrisiko.
  7. Monopole sind träge und innovationsarm. Grundlegende Veränderungen stellen das System in Frage, das für die Politik alternativlos ist. Der Wettbewerb ist bekanntlich das beste Verfahren, um Anpassungen an unvorhersehbare Umstände und Änderungen zu gewährleisten. Es gibt keinen tragfähigen Grund, warum der „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ (Friedrich A. von Hayek) und „Entmachtungsinstrument“ (Franz Böhm) ausgerechnet beim Geld ausgeschlossen werden sollte. Geld erfüllt insbesondere nicht die Merkmale eines öffentlichen Gutes.

Zentralbanken sind staatliche Institutionen, die es auf einem freien Markt nicht geben würde. Sie hüten ein (nationales) Monopol, das per Gesetz geschaffen wurde und Wettbewerb verbietet. Das Monopol umfasst das Recht, eine zirkulierende ungedeckte Papierwährung auszugeben. Die Basisgeldmenge wird von Experten bestimmt, die mit der Generierung von Wissen auf Märkten und deren Koordinationsfähigkeit unmöglich mithalten können. Für die Kreditgeldschöpfung durch die Geschäftsbanken gibt es keine wirksame Schranke im Wissen darum, dass die Zentralbank im Teilreservesystem als Kreditgeber letzter Instanz agiert und systemrelevante Geschäftsbanken mit staatlichen Subventionen vor dem Konkurs bewahrt werden. Bemerkenswerterweise wäre ein monetäres Wettbewerbssystem mit einer Zentralplanwirtschaft unvereinbar. So erhalten wenige Menschen viel Macht – ohne wirksame Kontrolle. Fehler werden zentralisiert, Lernen wird mangels Sanktionen für Fehlverhalten erschwert. Wilhelm Röpke urteilte daher: „Erst die Papierwährung hat uns gelehrt, was das Wort ,Inflation’ bedeutet, ja es gibt kaum eine einzige Papierwährung, die nicht früher oder später der Entwertung anheim gefallen ist, weil die verantwortliche Regierung entweder nicht imstande war oder gar nicht die Absicht hatte, die Geldmenge knapp zu halten.“ Manches spricht dafür, dass Finanzsystem und Realwirtschaft ohne Zentralbank flexibler und effizienter arbeiten können – bei größerer Stabilität.

Angebots- statt Nachfrageorientierung

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Zentralbanken und einer wettbewerblichen Geldordnung besteht in der Angebotsorientierung der Zentralbanken und der Nachfrageorientierung eines freien Geldwesens. Dieses Merkmal unterscheidet bekanntlich auch Zentralplanwirtschaft und Marktwirtschaft.

Bis fast zur Mitte des 19. Jahrhunderts war ein freies Geldwesen keine akademische Fingerübung für Sonderlinge, sondern eine intensiv diskutierte Realität, die ausgezeichnet funktionierte wie das Beispiel Schweden zeigt. Erst nach der Peel’schen Bankakte von 1844 sind Zentralbanken zum Dogma geworden. Die undogmatische Alternative des Free Banking geriet hingegen weitgehend in Vergessenheit. Gleichwohl bestanden Geldwesen, die dem Free Banking nahe kamen, noch bis in das 20. Jahrhundert hinein. Der amerikanische Ökonom Kurt Schuler konstatiert: „Free Banking war gebräuchlich im Britischen Empire, dem Orient und in Amerika. Selten kam es dagegen vor in Nord- und Osteuropa, Afrika, dem Mittleren Osten und in Kolonien, außer den britischen.“ Erfolgsbeispiele finden sich in China (bereits vor 1000 Jahren), Brasilien und Schottland. Insbesondere in kleinen Ländern, gut dokumentiert z.B. für Schottland und Schweden, konnte sich Free Banking erfolgreich entwickeln. Die regulierende Rolle des Staates variierte dabei; Beschränkungen betrafen vielfach das Ausmaß, Banknoten im Verhältnis zum vorhandenen Kapital ausgeben zu können.

Free Banking lässt sich in Anlehnung an Vera C. Smith definieren als ein wettbewerbliches Geldwesen, in dem Geld emittierende Banken genauso wie andere Unternehmen ihrer Geschäftstätigkeit nachgehen können so lange sie im Einklang mit den allgemeinen Handels- und Unternehmensgesetzen im Einklang stehen. Folglich ist es für eine Bank möglich in den Markt einzutreten, sobald sie Gewinnmöglichkeiten aufzeigen, ausreichend Kapital sammeln und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bank und ihr Geld gewinnen kann. Eine Erlaubnis benötigt sie hingegen nicht. Einer besonderen Regulierung unterliegt sie ebenfalls nicht; vielmehr hat sie die gleichen Rechte und Handlungspflichten wie alle anderen Akteure im Wirtschaftsleben auch ­– Freiheit und Haftung gehen Hand in Hand. Ihre Banknoten sind Zahlungsversprechen („promises to pay“) und eintauschbar in was auch immer das Basisgeld ist, historisch zumeist Gold (und Silber). Unter dem Goldstandard würde jede Bank, die dieser Selbstverpflichtung nicht nachkommt, als bankrott gelten und liquidiert werden; ihr Vermögen würde unter den Gläubigern verteilt werden.

Welcher Währungsstandard ist der richtige?

Ein freies, gedecktes Geldwesen ist auf zweierlei Weise möglich: Volldeckung oder Teildeckung mit Einlösungsverpflichtung. In einem Geldwesen mit Volldeckung sind Banken keine Geldproduzenten, sondern lediglich Lagerstätten für Geld, die das Verwahrungsgeschäft übernehmen und zusätzlich Zahlungsverkehrsdienste anbieten können, darunter das Vermittlungsgeschäft von Krediten. Im Kreditgeschäft leiten sie ausschließlich vorhandene Geldbestände weiter. Die volkswirtschaftliche Geldmenge bleibt durch die Aktivitäten der Banken unverändert, da diese selbst kein Geld emittieren, sondern lediglich Lagerhaltungsscheine ausgeben, die den Halter berechtigen, jederzeit die Herausgabe einer entsprechenden Warenmenge (in der Regel Gold oder Silber) zu verlangen.

Die Verfechter eines Vollreservesystems sehen in der Ausgabe von Geld, das nicht durch Depositen gedeckt ist, ein betrügerisches Handeln. Sie gehen davon aus, dass jede Vermehrung der Geldmenge Auswirkungen zu Lasten Dritter hat (Geldentwertung, Konjunkturzyklen). Ferner vertreten sie die Auffassung, dass auf freien Märkten gedecktes Geld lediglich teil- oder ungedecktes Geld verdrängen würde.

Der Vorteil eines Vollreservesystems mit einer Einlösungsverpflichtung in Gold besteht darin, dass das Geld in einem festen Goldpreis nominal verankert ist. Ein solches wertstabiles Geld ist einfach zu handhaben und insofern unabhängig von politischen Einflüssen und Partikularinteressen: „Gold hat die vorteilhafte Eigenschaft, nicht der Haftung eines souveränen Herausgebers zu unterliegen und ist daher unabhängig von dessen Zahlungsfähigkeit, Redlichkeit oder Anfälligkeit für politische Wechsel.“ urteilt Lawrence H. White.  Gutes Geld würde vermutlich zur Herausbildung einer internationalen Währungsgemeinschaft führen, bei der lediglich unterschiedliche Denominationen desselben Basisgeldes auftreten. Der internationale Goldstandard des 19. Jahrhunderts vermittelt näherungsweise einen Eindruck.

Kein Geldwesen ohne Schwächen: Wie jede Warengeldwährung beeinflusst das Goldangebot respektive die Goldproduktion das Verhältnis des Preises des Ankermediums im Verhältnis zu den allgemeinen Preisen. Zugleich ist die Geldmenge durch die Goldmenge beschränkt. Immerhin tendiert ein Goldwährungssystem langfristig zur nominalen Preisstabilisierung, da es automatische Ausgleichsmechanismen gibt. Im 19. und 20. Jahrhundert traten auch keine exogenen Angebots- und Nachfrageschocks auf. Inflations- oder Deflationstendenzen bestehen nur interimistisch. Die langfristige Entwicklung wäre sogar leicht deflationär, weil die natürlichen Goldvorkommen erschöpfbar sind – ein optimaler Entwicklungspfad nach Milton Friedman.

Gleichwohl besteht ein systematisches Risiko in den Vertragsbeziehungen bei Gold (oder anderen Waren zur Deckung), da Gläubiger von nicht antizipierten Erhöhungen des Goldpreises profitieren und im Gegenzug Schuldner von unvorhergesehenem Sinken. Auf den Goldpreis lässt sich also wetten. Und aufgrund der unzureichenden Angebotselastizität sind kurzfristige Preisniveauschwankungen absehbar. Der Schwachpunkt von Vollreservesystemen liegt also erstens in der Wertentwicklung des Einlösemediums. Zweitens kann eine variierende Geldnachfrage bei gleichbleibender Geldmenge die übrigen Güterpreise monetär beeinflussen: Wenn die Geldnachfrage steigt und das Geldangebot unverändert bleibt, dann müssen sich nach der Quantitätsgleichung die Preise ändern. Das Volldeckungssystem kann folglich eine Änderung des relativen Preisgefüges nach sich ziehen. Das ist unvereinbar mit der Forderung, dass Preise die unverfälschten Präferenzen der Marktteilnehmer widerspiegeln sollen.

Volldeckungssysteme hatten historisch nie lange Bestand. Das lag nicht am Staatsinterventionismus, vielmehr wurden Teildeckungssysteme wegen der Zinszahlungen auf Einlagen und fehlenden Lagergebühren bevorzugt. Zudem hielten die Anleger die Reserven für ausreichend, um die Cash-Nachfrage zu befriedigen. Stets spielte die Solvenz, nicht die Liquidität die entscheidende Frage. Obwohl es ausreichend Gelegenheit für 100%-Geschäftsmodelle gab, haben sich diese nicht etabliert.

Teilreservesysteme: Einlöseverpflichtung und Geldschöpfung

Die entscheidende Frage, die ein Volldeckungssystem von anderen freien Geldwesen trennt, lautet in Anlehnung an George Selgin: Sollen Geschäftsbanken Geld schöpfen dürfen? Konkret: Sollte es Geschäftsbanken erlaubt sein, über ihre Reserve an Basisgeld hinaus, jederzeit einlösbare Zahlungsversprechen in Form von Geld (einschließlich Depositen und Banknoten) auszugeben? Und sollte es ihnen darüber hinaus sogar erlaubt sein, Geld auszugeben, das sich nicht in Basisgeld eintauschen lässt?

Wesentlich für die Beantwortung dieser Frage sind die Aspekte monetäres Gleichgewicht und potenzielle Schädigung Dritter. Das monetäre Gleichgewicht, also die (temporäre) Übereinstimmung von Geldangebot und Geldnachfrage, ist die Herausforderung jedes Geldwesens schelchthin. Beim Free Banking dient das Gewinnmotiv der Koordination. Das geschieht wie historische Beispiele illustrieren im Rahmen eines Clearingsystems.

Teilgedeckte Geldwesen sind Ergebnisse eines Evolutionsprozesses, in dessen Mittelpunkt das Bemühen stand, die Kosten für die Abwicklung monetärer Transaktionen zu verringern. Im Laufe der Zeit wurde zunächst der physische Transport des Warengeldes unterlassen – es entwickelten sich Transfer- und Girobanken. Angesichts großer ungenutzter Warengeldbestände in den Tresoren der Banken, gingen sie dazu über, Kreditgeld zu schaffen. Banken verliehen deponiertes Warengeld gegen Zahlung eines Zinses als Kredite, was eine banktechnische Innovation darstellte. Lediglich eine Vorsichtsreserve wurde zurückgehalten. Das war aufgrund der Fungibilität des Geldes und des Gesetzes der großen Zahlen möglich. Geldhäuser als Depositenstellen verwandelten sich in Finanzintermediäre. Innengeld entstand, d.h. emittiertem Geld stand kein physisches Warengeld mehr gegenüber, sondern Schulden anderer Wirtschaftssubjekte (Außengeld = Einlösemedium). Dadurch entstand eine indirekte Beziehung zwischen Schuldner, Gläubiger und Emissionsbank. Die Vermittlung von Krediten war mit einer Fristentransformation verbunden. Gegenseitig akzeptierten Emissionsbanken vertrauenswürdige Noten zunächst in bilateralem Austausch, später multilateral durch ein Verrechnungssystem. Folglich wurde eine verminderte Reservehaltung möglich, was weiter sinkende Kosten zur Folge hatte. Daraus entstanden Clearinghäuser, die selbst zu einer Teildeckung der bei ihnen gehaltenen Guthaben übergehen können, was wiederum Kosten senkt.

In einem freien Geldwesen müssen Geldanbieter mangels Zwang eines gesetzlichen Zahlungsmittels die Nachfrager dazu bewegen, das von ihnen emittierte Geld als Noten und Depositen zu halten. Sie stehen dabei im Wettbewerb mit anderen Geldanbietern. Die Qualität des Geldes und der Dienstleistungen der Bank, darunter Öffnungszeiten, Informationspolitik, Gebühren und Personal spielen eine zentrale Rolle. Entscheidend ist die Vertrauenswürdigkeit, die durch eine strikte Einhaltung des Einlöseversprechens gestärkt werden kann. Die Kosten für die Liquidität und die Verzinsung für Depositen sind ebenfalls maßgebliche Aspekte.

Wie funktioniert die Steuerung der Geldmenge? Die Banken reduzieren bei steigender Geldnachfrage ihre Reservesätze. Der Ausgleich von Kreditvergabe (Investition) und Geldhaltung (Ersparnis) kommt im natürlichen Zins zum Ausdruck an dem sich der Bankzinssatz ausrichtet. Sollte eine Bank ihren Zins (Darlehenszins) unter den natürlichen Zins absenken, dann wird zwar die ausgegebene Geldmenge ausgeweitet. Allerdings verliert die Bank über den Clearingmechanismus Basisgeld, sobald das Publikum nicht bereit ist, das zusätzlich ausgegebene Geld zu halten, sondern es abzieht. Umgekehrt entstehen Banken (und ihren Kunden) unnötige Kosten aufgrund überhöhter Liquiditätsreserven. Überschreitet eine Bank ihre Liquiditätsreserve, so kann das zur Illiquidität führen, es sei denn, die Bank erhält von anderen Finanzinstituten oder einem Clearinghaus einen Kredit, der gegen höhere Zinsen bzw. Strafzinsen vergeben wird. Bei einer Überemission wirkt also ein automatischer Signal- und Korrekturmechanismus: das Prinzip der „adverse clearings“. Eine Überemission führt zu einem negativen Clearingsaldo und kann gegenüber anderen Banken nur durch einen Verlust an Warengeldreserven ausgeglichen werden. Einer expansiven Geldpolitik sind so automatisch Grenzen gesetzt. Der Anreizautomatismus sorgt auch dafür, dass sich Kredit- und Depositenzinsen an den natürlichen Zins anpassen. Das Geldangebot folgt flexibel der Geldnachfrage, ohne das gegebene Preisniveau zu beeinflussen. In einem monopolistischen Geldsystem werden hingegen mangels Automatismus Boom- und Bust-Zyklen durch Abkopplung vom natürlichen Zins hervorgerufen.

Vorteilhaft gerade im Vergleich zum Volldeckungssystem ist, dass die Geldnachfrage verzugslos bedient werden kann. Dadurch entfallen monetäre Ungleichgewichte und monetäre Konjunkturzyklen, zumindest aber werden diese verkürzt, was auch für Anpassungsprozesse bei „sticky prices“ relevant ist. Infolgedessen entfallen Fehlallokationen von Ressourcen.

Der Vorwurf des Bankenruns geht weitgehend ins Leere. Das Beispiel des Sturms an der Börse von 1907 illustriert dies anschaulich. Robert F. Bruner und Sean D. Carr kommen in ihrer Studie über die Panik von 1907 zu dem Urteil: „Runs könnten somit ein rationales Mittel sein, die Leistung von Banken zu überwachen und Banken auf primitive Weise zu zwingen, ihren Anlegern offenzulegen, ob sie über ausreichend Aktiva und Reserven verfügen.“ Tatsächlich waren Bankenruns außerhalb der USA eine Seltenheit. In Amerika spielte die spezifische Banken- und Geld-Regulierung eine maßgebliche Rolle als Krisentreiber. Zugleich wurde die schwere Finanzkrise 1907 ohne Staatshilfe überwunden.

Reputation als Perspektive?

Friedrich August von Hayek konstatierte: „Bislang war die Kontrolle des Geldes noch nie in den Händen von Institutionen, deren alleiniges und ausschließliches Interesse darin lag, dem Publikum ein Geld anzubieten, das von ihm unter mehreren angebotenen Arten als bestes gewählt wurde, und deren Existenz gleichzeitig davon abhing, dass sie die von ihm geweckten Erwartungen erfüllten.“

Da wir nicht wissen wie präferenzgerechte monetäre Institutionen und gutes Geld im Detail ausgestaltet sein sollten, sollte diese Entdeckung dem Wettbewerb und damit den unabhängigen Bestrebungen vieler Menschen überlassen bleiben. Monopolisierte Systeme gleichen Evolutionsblockaden und Sackgassen. Bezeichnenderweise werden private Monopole gezielt zerschlagen. Ob sich vollgedecktes, konvertibilitätsbasiertes oder gar reputationsbasiertes, also ungedecktes Geld auf einem freien Markt durchsetzen wird, lässt sich prognostizieren, aber nicht mit Sicherheit vorhersagen.

Hayek bezweifelt die Notwendigkeit, private Umlaufmittel in ein Reservemedium einlösen zu müssen. Entscheidend sei vielmehr, dass auf einer vertrauenswürdigeren Basis gewirtschaftet werden müsse, nämlich ökonomischem Druck infolge von Gewinnstreben und unternehmerischem Risiko, die staatlichen Institutionen fremd sind. Warum soll das Publikum Geld nicht auch als qualitativ hochwertig erachten, wenn der Emittent keine Konvertibilitätsverpflichtung eingeht? Das kann dann der Fall sein, wenn die Reputation des Emittenten als Qualitätssicherung genügt: „Qualitativ hochwertiges Geld wird im Markt mit einem Aufschlag in Form einer Qualitätsprämie angeboten. Diese Qualitätsprämie wird nicht im Markt erodiert, sondern hält sich über einen leistungskonformen Qualitätswettbewerb mit einem Aufbau von Vertrauenskapital.“ urteilt Paul Terres.

Ordnung der Freiheit

Marktwirtschaft und freies Geldwesen mit Haftung sind zwei korrespondierende Ordnungen. Preis und Zins bilden dann den natürlichen Koordinationsmechanismus. Das Schulder-Gläubiger-Verhältnis bleibt über die Zeit hinweg wertbeständig. Langfristiges Denken und Handeln wird so unterstützt. Verstreutes Wissen kann optimal genutzt werden.

Der Wettbewerb ist ein Entdeckungs- und Lernprozess, ein Selektions- und Innovationsprozess. Es gibt keinen überzeugenden Grund Geld von einer freien marktwirtschaftlichen Ordnung auszunehmen. Vielmehr wird der Wettbewerb absehbar auch auf anderen Feldern besser funktionieren, sobald ein freies Geldwesen wertbeständiges Geld in der jeweils benötigten Menge bereitstellt. Ein freies Geldwesen bringt die geeigneten Anreize für eine echte Qualitätssicherung des Geldes mit sich. Erforderlich ist lediglich ein freier Handel mit Geld äquivalent zum Freihandel mit anderen Gütern. Ein erster Schritt besteht darin, das Monopol wie bei der Telekommunikation und Post zu öffnen, indem neben das gesetzliche auch private Zahlungsmittel treten dürfen. Dabei muss die staatliche Akzeptanz im Minimum jede Währung umfassen, die von der zuständigen staatlichen Behörde (BaFin, FINMA) geprüft und deren Geldhaus als solvent angesehen wurde.

Von unüberschätzbarem politischen Wert ist die entstehende Dezentralisation von Macht. Hinzu kommen die Entpolitisierung des wichtigsten Tauschmittels und eine Begrenzung ausufernder Staatsverschuldung. Gedecktes wie reputationsbasiertes Geld dürfte zudem der geradezu mythologischen Staatsgläubigkeit entgegen wirken. Die weitreichende Entmachtung und damit einhergehende Entflechtung privater und staatlicher Partikularinteressen befördern eine funktionsfähige und menschenwürdige Wirtschaftsordnung. Ein freies Geldwesen sorgt – historisch bewährt – für ein funktionsfähigeres Preissystem und echte Geldwertstabilität, es ermöglicht freien Marktzugang, schützt das Privateigentum vor schleichender Umverteilung und gewährt Vertragsfreiheit auch in Währungsbelangen. Insbesondere dem Haftungsprinzip würde wieder zur Geltung verholfen werden und die Wirtschaftspolitik würde sich verstetigen. Der Staat wäre auf die Sicherung der Spielregeln beschränkt, würde aber nicht in den Wirtschaftsprozess eingreifen. Zugleich kann der Staat nicht Spielball von Interessengruppen wie systemrelevanten Banken werden. Ein freies Geldwesen stärkt somit den zurückgenommenen Staat – und über den Primat von Recht und Freiheit eine funktionsfähige, menschenwürdige Wirtschaftsordnung.

Eine Antwort auf „Gastbeitrag
Sind Zentralbanken noch zeitgemäß?“

  1. Alles was Sie da schreiben ist ja nicht neu. Währungswettbewerb ist ganz sicher zu befürworten. Da stimme ich Ihnen zu.Monopole sind zumeist ineffizient.
    Allerdings bin ich persönlich skeptisch ob eines goldgedeckten Geldes. Dass die Goldvorräte in der Erde nahezu ausgeschöpft seien, halte ich für eine steile These. Beim Öl wird dies auch schon seit 30 Jahren dem „dummen Volk“ erzählt. Sollte dieser Fall trotzdem eintreten, so würden Technologien innovativ entstehen, mit denen sich nahezu identische Substitute herstellen ließen. Zudem wären die staatlichen Handlungsmöglichkeiten in Krisenzeiten (expansive Geldpolitik) stark beschränkt. Daher ist m.E. auch davon auszugehen, dass das Wohlstandsniveau unserer Gesellschaft sich so nicht erhalten ließe. Sondern gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten deutliche Wohlstandseinbußen zu verzeichnen wären. Das System findet am Ende des Anpassungsprozesses sicher wieder zu einem Gleichgewichtszustand. Aber das muss ein Politiker erstmal seinen Wählern erklären können. Ich habe da so meine Zweifel.
    Und was ich diesbezüglich ganz fürchterlich empfinde: Nach meiner Wahrnehmung befindet sich Europa (insb. Euroland) auf dem direkten Weg in eine Planwirtschaft! Damit entfernen wir uns auch geldpolitisch vom Währungswettbewerb. Ich gehe davon aus, dass die Umverteilungen und Eingriffe des Staates ins Wirtschaften und in private Lebensbereiche deutlich zunehmen werden. Auch hier wird das System trotz allem zu Gleichgewichtszuständen finden. Aber beruhigen darf das uns nicht …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert