Finanzielle Repression statt Weltwährungsstatus für den chinesischen Yuan

Die Unzufriedenheit mit dem Dollar als internationaler Leitwährung wächst. In den Bilanzen der Zentralbanken der aufstrebenden Welt haben sich immense Dollarreserven aufgetürmt, die mit wachsenden Risiken für die aufstrebenden Volkswirtschaften verbunden sind. Zuletzt wurden Risiken in Brasilien, der Türkei, Südafrika und Indonesien in Form von drohenden Zahlungsbilanzkrisen sichtbar. Auch in Ländern mit Leistungsbilanzüberschüssen und großen Nettoauslandsvermögen wie China wächst die Frustration. Denn jede Aufwertung des chinesischen Yuan gegenüber dem Dollar lässt die überwiegend in Dollar denominierten Auslandsvermögen in Inlandswährung schrumpfen. Die Lasten der Finanzmarktstabilisierung in den USA werden schleichend auf alle Länder überwälzt, die große Dollarvermögen halten.

Die Devise heißt deshalb „Weg vom Dollar!“. China hat sich aufgemacht, seine Kapitalmärkte zu liberalisieren und seine Währung zu internationalisieren, um die Bedeutung seiner Währung auf den Weltmärkten voranzubringen. Denn internationale Währungen werden von großen Ländern emittiert, die nicht nur über ein großes Volkseinkommen und Handelsvolumen verfügen, sondern auch über große und entwickelte Kapitalmärkte, wo die Transaktionskosten gering und die Diversifizierungsmöglichkeiten vielfältig sind. Einschneidende Regulierungen, wie sie bisher in China und anderen aufstrebenden Volkswirtschaften vorherrschen, sind hingegen ein Hindernis für entwickelte Finanzmärkte, da die internationalen Investoren fern bleiben.

Die Bedeutung des chinesischen Yuan auf den Weltdevisenmärkten ist derzeit verschwindend gering (siehe Abbildung). Es wurde deshalb viel dafür getan, die Liberalisierung der Finanzmärkte und die Internationalisierung des Yuan voranzubringen. Die jüngst forcierte „Shanghai Pilot Free Trade Zone“ soll der Trainingsraum für zukünftig freie Kapitalmärkte in ganz China sein: Dort sollen alle Transaktionen in chinesischen Yuan frei von staatlicher Überwachung und Intervention sein. Offshore-Märkte für den Yuan in Hong Kong, Singapur, London und Frankfurt wurden geschaffen. Umfassende Swap-Abkommen für die Bereitstellung von Yuan mit anderen Zentralbanken sollen das Risiko für Handelsverträge in Yuan senken. Am Ende der schrittweisen Abschaffung von Zins- und Kapitalverkehrskontrollen sollen große liquide Kapitalmärkte und eine frei schwankende konvertible Währung stehen. Der Yuan könnte in Ostasien und weit darüber hinaus zur Leit-, Anker- und Reservewährung heranwachsen. Die Pax Sinica wäre angebrochen!

Chinesischer Yuan
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Dem Aufstieg des chinesischen Yuan zum gleichwertigen Partner von Dollar und Euro im Weltwährungssystem steht jedoch der geldpolitische Kurs der Federal Reserve Bank entgegen. Die US-Zentralbank hat über Jahrzehnte hinweg das Leitzinsniveau gegen Null gesenkt und seit Ausbruch der Subprime-Krise durch unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen die Zentralbankbilanz aufgeblasen. Diese beispiellose monetäre Expansion hat zu starken Kapitalzuflüssen in die aufstrebenden Volkswirtschaften geführt, wo sich der Aufwertungsdruck auf die Währungen seit der Jahrtausendwende deutlich verstärkt hat.

In China, wo Wachstum und Beschäftigung stark vom Export abhängen und die Aufwertung das in Dollar denominierte Auslandsvermögen entwertet, hat man den Aufwertungsdruck nur bedingt zugelassen. Dadurch wurden immense Devisenreserven angehäuft, was in der Regel mit einer Ausweitung der Geldbasis verbunden ist. Da die Güter- und Kapitalmärkte im Vergleich zu den Industrieländern unterentwickelt sind, ist ein Potential für Inflation und nicht nachhaltige Kreditvergabe der Geschäftsbanken an den privaten Sektor herangewachsen. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Blasen auf Aktien- und Immobilienmärkten ist entstanden, wie sie im Vorfeld der Asienkrise zu beobachten war.

Um einer neuen Asienkrise vorzubeugen, hat die Peoples Bank of China die monetären Effekte der Anhäufung Devisenreserven neutralisiert (im Fachjargon „sterilisiert“). Bei marktbasierter Sterilisierung verkauft sie zu Marktzinsen Wertpapiere, um die im Umlauf befindliche Geldmenge zu reduzieren. Nachteil sind die Kosten, da die Wertpapiere verzinst werden müssen. Zum anderen zieht der resultierende Zinsanstieg neue spekulative Kapitalzuflüsse an. Zusätzliche Devisenreserven werden angehäuft und neue Sterilisierungsrunden werden eingeleitet. Ein Teufelskreis!

China’s Zentralbank hat sich deshalb immer mehr auf nicht-marktbasierte Sterilisierungsinstrumente, insbesondere die Ausweitung der Mindestreservepflichten der Geschäftsbanken bei der Zentralbank verlassen. Dies hat zwei Vorteile: Die Mindestreserven werden gering verzinst, mit ca. zwei Prozent seit der Jahrtausendwende, also mit meist weniger als der Inflationsrate. Zudem kann das Zinsniveau niedriger gehalten werden, was dämpfend auf den Zufluss von spekulativem Kapital wirkt. Das Ergebnis ist aber eine von außen aufgezwängte finanzielle Repression: Die Zinsstruktur wird durch geringe Mindestreservesätze verzerrt.

Die Geschäftsbanken geben die Kosten der Mindestreservehaltung an die Kunden in Form von niedrigen Einlagenzinsen weiter. Die Einlagenkunden der Geschäftsbanken tendieren dann dazu, ihre Ersparnisse in den Schattenbankensektor zu transferieren, wo die Verzinsung deutlich höher ist. Auf der Kreditvergabeseite würden die Geschäftsbanken dazu tendieren, die Zinsen anzuheben. Dies wird durch staatlich festgesetzte Zinsobergrenzen verhindert, um dem Wachstum nicht zu schaden. Die Zinsobergrenze schafft eine Übernachfrage nach Kapital, die dazu genutzt wird, die Kredite in staatlich präfierte Sektoren zu lenken. Dies sind in der Regel die beschäftigungsreichen Staatsunternehmen und Exportunternehmen. Klein- und Mittelunternehmen gehen leer aus und sind zur Finanzierung ihrer Investitionen auf den Schattenbankensektor angewiesen.

Im Ergebnis hat die Federal Reserve Bank durch ihre sehr expansive Geldpolitik drei unüberwindbare Hindernisse für den Aufstieg des Yuan zur Weltwährung geschaffen. Erstens verzerren niedrig verzinste Mindestreserven die Zinsstruktur in China. Zweitens müssen durch Kapitalverkehrskontrollen Kapitalzuflüsse abgehalten werden, um weitere Sterilisierungsrunden zu verhindern. Drittens haben sich im weniger regulierten Schattenbankensektor Risiken aufgebaut, die mittelfristig auch den staatlich kontrollierten Geschäftsbankensektor in Schieflage bringen könnten. Der Weg zur einer nachhaltigen Liberalisierung des Finanzmarktes und dem umfassenden Abbau der Kapitalverkehrskontrollen ist damit durch die sehr expansive Geldpolitik der USA versperrt. Es scheint als müsse sich China trotz seiner eindrucksvollen Wirtschaftsmacht auch in der langen Frist der währungspolitischen Hegemonie der USA unterordnen.

Literatur

McKinnon, Ronald / Schnabl, Gunther 2014: China’s Exchange Rate and Financial Repression: The Conflicted Emergence of the Renminbi as an International Currency,in: China and the World Economy, 22(3), 1-34.

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