Notenbankgewinne und Geldpolitik (3)
Replik auf Otmar Issing

Otmar Issing, der frühere Chefvolkswirt der Bundesbank und der EZB, nimmt Anstoß an dem Satz „Wenn aber die Gewinnausschüttung der Zentralbank an den Staatshaushalt zum Maßstab der Geldpolitik gemacht wird, kommen wir auf die schiefe Bahn“ in meinem Artikel in der FAS vom 4. Januar. Dabei teilt er diese meine Auffassung, wenn er schreibt, Ziel der Geldpolitik sei der „Erhalt der Geldwertstabilität“. Maßnahmen der Zentralbank sind also danach zu beurteilen, wie sie die Geldwertstabilität beeinflussen, nicht aber danach, wie sie die Gewinnausschüttung der Zentralbank an den Staatshaushalt beeinflussen.

In meinem Artikel hatte ich eine Äußerung des Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann kritisiert, in der dieser warnte, wenn einzelne Staaten die von der EZB gekauften Anleihen nicht bedienen könnten, werde letztlich der Steuerzahler den Schaden tragen. Die Äußerung stand im Zentrum der Präsentation und der Berichterstattung über sein Interview. Ich schrieb dazu: „Wer die Risiken zum Anlass nimmt, fiskalpolitische Erwägungen in die geldpolitische Diskussion einzubringen, muss gewärtigen, dass andere das auch tun und am Ende fordern, die Geldpolitik solle dem Finanzminister dienen.“

Im Hintergrund steht der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf die Haushaltshoheit des Parlaments als unverzichtbares Element der Demokratie im Sinne von Artikel 20 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum OMT-Programm der EZB geht ausdrücklich darauf ein und problematisiert auch die mit dem Kauf von Staatsanleihen verbundenen Risiken. Diese Logik führt uns zu einer vom Parlament zu legitimierende, nach fiskalpolitischen Kriterien bestimmten Geldpolitik, mit hoher Geldschöpfung und hoher Inflation. Die Bundesbank und ihre Anhänger sind so in ihren Konflikt mit der EZB verbissen, dass sie diese Gefahr gar nicht bemerken.

Mein eingangs zitierter Satz ist nicht so zu verstehen, dass die Zentralbank die Risiken ihrer Maßnahmen für den Steuerzahler völlig außer acht lässt. Insofern stimme ich mit Herrn Issing und Herrn Weidmann überein. Ich sehe das aber nur als einen Teil der Abwägung des Für und Wider der geldpolitischen Maßnahmen, wobei die Kriterien der Abwägung geldpolitischer und nicht fiskalpolitischer Natur sein sollten. Bei Herrn Issing dagegen ist mir nicht klar, ob er am Ende nicht doch ein per se Verbot von geldpolitischen Maßnahmen fordert, die die Gewinnausschüttung der Zentralbank an den Staatshaushalt gefährden können.

Sein Text nennt die Kreditvergabe der Zentralbank an die Geschäftsbanken als Haupttätigkeit der Zentralbank, eine Tätigkeit, die Gewinne abwirft, da die Geschäftsbanken Zinsen zahlen und die Geldschöpfung die Zentralbank nichts kostet. Insofern Kredite der Zentralbank an Geschäftsbanken riskant sein können, schreibt Herr Issing die Risiken der schlechten Qualität der Kreditsicherheiten zu, wohl auch der zweifelhaften Bonität der Banken. Er hält solche Kreditvergabe für problematisch, äußert sich aber nicht zu der Frage, ob sie nicht manchmal doch erforderlich sein könnte.

In meiner Diskussion der Long Term Refinancing Operation der EZB vom Dezember 2011 und Januar 2012 hatte ich genau diesen Punkt angesprochen. Die damaligen billigen Kredite der EZB kamen vielen Banken zugute, deren Solvenz im Zweifel stand, und gaben diesen Banken die Möglichkeit, Zinsmargen von drei oder vier Prozent zu erzielen, was ganz klar eine Subventionierung dieser Banken zu Lasten der Erfolgsrechnung der EZB darstellt. Wer allerdings die Entwicklung der Banken und der Finanzmärkte im November und Dezember 2011 vor Augen hat, weiß, dass damals eine Krise vom Ausmaß der Krise von 2008 drohte. Ist die Kritik von Herrn Issing an der Kreditvergabe der EZB an Geschäftsbanken zweifelhafter Bonität mit zweifelhaften Sicherheiten so zu interpretieren, dass er es vorgezogen hätte, wenn die EZB das Risiko einer solchen Krise eingegangen wäre?

Am 13. Juli 1931 stellte die Danat-Bank ihre Zahlungen ein. Die Bank war aufgrund fauler Kredite überschuldet. Den seit Mai 1931 andauernden Kundenansturm hatte sie nur mit Hilfe der Reichsbank überstanden, die bis zum Schluss zweifelhafte Wechsel zum Diskont annahm. Als die Reichsbank ihre Hilfe einstellte bzw. einstellen musste, aufgrund der Vorschriften für Deckung des Währungsumlaufs, bedeutete das das Ende für die Bank. Ganz im Sinn des Prinzips der Vermeidung von betriebwirtschaftlich problematischen Geschäften durch die Zentrsalbank.

Jedoch löste die Zahlungseinstellung der Danat-Bank einen Ansturm auf die anderen Banken aus. Diese mussten für zwei Tage auch ihre Zahlungen ein, das nannte man „Bankfeiertage“; in diesen Tagen wurde eine Staatshilfe organisert. Es folgte ein dramatischer weiterer Einbruch der Wirtschaftstätigkeit in Deutschland. Die Schwere der Weltwirtschaftskrise war nicht eine Folge des Börseneinbruchs von 1929, sondern vor allem eine Folge der kontraktiven Geldpolitik im Zeichen des Goldstandards und der Bankenkrisen, die diese Geldpolitik zuließ. Uns wäre vieles erspart geblieben, wenn 1931 die Bankenkrise vermieden worden wäre.

Bei einer Karlsruher Tagung „Geld, Banken und Versicherungen“ Ende der 1990er Jahre warnte ich, im Zusammenspiel von supranationaler Geldpolitik und  nationalen Systemen der Bankenaufsicht und der Banken werde die Zentralbank erpressbar sein, denn in einer Krise werde sie der Verantwortung für die Finanzstabilität nicht ausweichen können, auch wenn die Krise durch Fehler auf nationaler Ebene verursacht worden sei. Herr Issing, der auch bei der Tagung war, sagte mir damals, das Problem stehe natürlich im Raum, aber man solle das nicht thematisieren, sonst schaffe man schlechte Anreize für die Banken, die sich dann allzu sehr auf die Zentralbank verlassen würden. In Anbetracht der seitherigen Entwicklung wäre es vielleicht besser gewesen, das Problem wäre damals schon durchdacht worden, auch in den Institutionen, in denen Herr Issing verantwortlich tätig war.

 

Beiträge der Serie „Notenbankgewinne und Geldpolitik

Martin Hellwig: Jens Weidmanns gefährliche Argumente

Otmar Issing: Die klugen Argumente des Jens Weidmann

 

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