Notenbankgewinne und Geldpolitik (2)
Die klugen Argumente des Jens Weidmann

Ein wesentliches Element der Geldpolitik der Notenbanken liegt in der Kreditvergabe an Geschäftsbanken. Dafür verlangen die Notenbanken Zinsen. Das Geld, Zentralbankgeld, in dem sie den Kredit geben, schaffen sie selbst. Folglich erzielen sie prinzipiell aus dieser Tätigkeit einen Gewinn. Da die Notenbanken jedoch auch Vermögenswerte halten, die aus dem Kauf von Wertpapieren, Gold oder Devisen stammen, hängt die Höhe des Ergebnisses ihrer Aktivitäten auch von Änderungen des Wertes dieser Aktiva ab. Fallen diese negativ aus, kann dieser Wertverlust das positive Zinsergebnis sogar überschreiten. Als Folge muss die Notenbank dann am Ende des Jahres einen Verlust ausweisen.

In der Vergangenheit haben Notenbanken nicht selten ihre Gewinne an private Eigner ausgeschüttet. Heute sind sie überall öffentliche Institutionen, deren Auftrag in aller Regel die Erhaltung der Geldwertstabilität ist. Ob bei der Durchführung der dazu erforderlichen Geldpolitik Gewinne oder Verluste entstehen, ist eine Nebenerscheinung und kein Kriterium des Erfolgs der Geldpolitik. So hat zum Beispiel die Deutsche Bundesbank in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wegen der Aufwertung der D-Mark hohe Abschreibungen auf ihre Dollarreserven vornehmen und mehrfach erhebliche Verluste ausweisen müssen. Die Aufwertung der D-Mark gegenüber dem US-Dollar war nicht zuletzt die Folge der auf Geldwertstabilität ausgerichteten Geldpolitik der Bundesbank. Der Verlustausweis in der Bilanz war insofern die Bestätigung einer Geldpolitik, die ihren Auftrag erfüllt hat, die Stabilität der Währung zu bewahren.

Die EZB hat das vorrangige Ziel, Preisstabilität zu gewährleisten. Der nach Zuführung zum allgemeinen Reservefonds verbleibende Nettogewinn der EZB wird entsprechend den eingezahlten Anteilen an die Anteilseigner ausgeschüttet. (Für etwaige Verluste gelten analoge Regelungen.) Die nationalen Notenbanken, wie die Deutsche Bundesbank, schütten wiederum ihre Gewinne gemäß den nationalen Bestimmungen an ihre Regierungen aus. Über die Auswirkungen auf den Haushalt des Bundes ist am Ende gewissermaßen der deutsche Steuerzahler am Ergebnis „beteiligt“.

Auf mögliche Folgen notenbankpolitischer Aktivitäten für den Gewinn und damit letztlich für den Steuerzahler hinzuweisen, ist schlichtweg nicht mehr als eine sachlich korrekte Feststellung und alles andere, als eine Nebenerscheinung zu einem Kriterium der Geldpolitik zu erheben. Im Übrigen darf man fragen, ob es nicht eine, wenn nicht rechtliche so doch zumindest moralische Pflicht gibt, auf negative Folgen geldpolitisch umstrittener Maßnahmen für den Steuerzahler aufmerksam zu machen.

Dies ist die technische Seite. Inhaltlich sollte soweit ohnehin Einigkeit herrschen. In einem Beitrag in der FAZ vom 4. Januar 2015 erhebt nun Prof. Martin Hellwig schwere Vorwürfe gegen Bundesbankpräsident Weidmann. Dieser habe davor gewarnt, der Steuerzahler könne Schaden tragen, falls einzelne Staaten die Anleihen, die von der EZB im Rahmen des de facto angekündigten Programms gekauft werden sollen, nicht bedienen könnten. Indem Herr Weidmann den Schutz des Steuerzahlers als Kriterium in die Diskussion einführe, kompromittiere er die Unabhängigkeit der Geldpolitik von fiskalischen Belangen.  Hellwig schreibt weiter: „Wenn aber die Gewinnausschüttung der Zentralbank an den Staatshaushalt zum Maßstab der Geldpolitik gemacht wird, kommen wir auf die schiefe Bahn.“

Das ist ein massiver Vorwurf – und das ist noch milde ausgedrückt. Hellwig bleibt dafür allerdings jeden Beweis schuldig und verstrickt sich selbst in  Widersprüche.

Ausgangspunkt der Fehleinschätzung Hellwigs ist ein fundamentales Missverständnis. Er schreibt: „Jegliche Zentralbankaktivität ist mit Risiken verbunden, die dem Steuerzahler schaden können.“ Aus diesem harmlos klingenden Satz leitet Hellwig unhaltbare Forderungen ab. Die Feststellung, dass jegliche Aktivität mit Risiken verbunden ist, ist trivial und alles andere als ein Freibrief für die Übernahme jedweden Risikos. Gibt eine Notenbank Kredit an Geschäftsbanken auf der Basis hochrangiger Sicherheiten, geht sie insofern kein bankmäßiges Risiko ein. Gleichwohl beinhaltet auch diese Aktivität ein „Risiko“, da man der geldpolitischen Wirkung auf Preise, Beschäftigung etc. nicht sicher sein kann – mit entsprechenden Nebenwirkungen am Ende auch auf den Gewinn. Ganz anders im Falle des gleichen Geschäfts auf der Basis von „Sicherheiten“ mit sehr niedriger Bonität, die diesen Namen kaum verdienen. Hier geht die Notenbank offensichtlich ein erhebliches Vermögensrisiko ein. Dies gilt erst recht, wenn sie solche Papiere kauft.

Ob die bereits getätigten und geplanten Käufe der EZB von Staatsanleihen angemessene Geldpolitik darstellen, sei hier dahingestellt. Das Vermögensrisiko steigt jedenfalls mit der sinkenden Bonität der entsprechenden Papiere. Wie soll man ein Verhalten bezeichnen, das die möglichen Folgen für den Steuerzahler nicht anspricht? Darauf hinzuweisen muss man eher als Pflicht eines verantwortlichen Notenbankers bezeichnen. Das hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, die fiskalischen Konsequenzen zum Kriterium der Geldpolitik zu machen. Die Gefahr der Unterwerfung der Geldpolitik unter die Fiskalpolitik liegt auf einer ganz anderen Ebene. Die Grenzüberschreitung zur Fiskalpolitik liegt dort, wo die Notenbank Aufgaben übernimmt, die zum Verantwortungsbereich der dafür gewählten Politiker zählt. Hier liegt auch die Gefahr der Kompromittierung der Unabhängigkeit der Notenbank. Der Verweis auf etwaige Auswirkungen geldpolitisch umstrittener Maßnahmen auf das bilanzmäßige Ergebnis und in letzter Konsequenz für den Steuerzahler sollte zur Pflicht eines verantwortungsvollen Notenbankers gehören und hat nichts mit Auslieferung der Geldpolitik an fiskalische Interessen zu tun.

Hinweis: Der Beitrag „Die klugen Argumente des Jens Weidmann“ von Otmar Issing erschien am 11. Januar 2015 in der FAS. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

Beiträge der Serie „Notenbankgewinne und Geldpolitik

Martin Hellwig: Jens Weidmanns gefährliche Argumente

 

 

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