Man glaubt es kaum, aber diesmal scheint eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich eine beinahe hektische Betriebsamkeit im Bundesfinanzministerium hervorzurufen. Am 17.12.2014 hatten die Karlsruher Richter den aktuellen Gesetzesstand der Erbschaft- und Schenkungsteuer, der seinerseits bereits bereits zweimal reformiert war, erneut in Teilen als verfassungswidrig verworfen und für eine Novellierung einen Zeitraum bis zum 30.6.2016 eingeräumt – beides überaus wichtig, aber auch im Rahmen der vormaligen Erwartungen (vgl. hier)
Gerade einmal gut zwei Monate später drangen die scheinbar wesentlichen Änderungspunkte an die Öffentlichkeit, nachdem sie Wolfgang Schäuble der Unionsfraktion im Bundestag vorgestellt hatte, und erneut verwundert allenfalls die Eile, mit der die Aktivitäten im Bundesfinanzministerium unter medialen Bekundungen seines obersten Dienstherrn ablaufen. Großes Aufsehen erregte eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die Verschonungen bei der Übertragung von Betriebsvermögen reduziert oder/und an strengere Auflagen als bisher gebunden werden sollen: Beifall kam von den Grünen, negative Würdigungen von Wirtschaftsverbänden, deren Stellungnahmen mit zunehmender Novellenbetroffenheit ihrer Klientel immer stärker an einen Aufschrei des Entsetzens erinnerte. Die SPD zeigte über ihre Länderfinanzminister eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit an länder- und damit prospektiv wählerbedingte Restriktionen: Während Norbert Walter-Borjans aus NRW zumindest einen Einstieg für eine positive Neuregelung sah, sprach sich sein Amtskollege Nils Schmid aus Baden-Württemberg dafür aus, die neue „Bedürfnisprüfung“ für Vermögensübertragungen erst ab 100 Mio. € und nicht schon bei den aktuell in den Raum gestellten 20 Mio. € vorzunehmen – eigentlich ein ziemlich hektischer Reaktionismus auf die ersten halboffiziellen Rauchzeichen einer Reform, für die Schäubles Vorgabe nach Aussage seines Steuerabteilungsleiters Michael Sell „minimalinvasiv und zügig“ lautet (hier)
Tatsächlich scheinen sich die Ministerialen in Berlin genau an diese Anweisungen zu halten und das bislang vom Verfassungsgericht verworfene Konzept durch kleinere Anpassungen retten zu wollen. Bildete bisher bei Betrieben mit mehr als zwanzig Arbeitnehmern die sog. „Lohnsummenklausel“ die wesentliche Bedingung für eine weitreichende bis vollständige Steuerverschonung, so soll jetzt die erwähnte zusätzlichen Bedürfnisprüfung für „Großbetriebe“ eingeführt werden, wobei groß, wie ebenfalls erwähnt, an der Höhe der Vermögensübertragung festgemacht werden soll. Diese Höhe soll zukünftig auch für die Definition der praktisch auflagenlos steuerbefreiten Reinvermögen von Betrieben eine Rolle spielen: Hier ist bislang 1 Mio € angesetzt, welche die maximale Belegschaft von 20 Arbeitnehmern als Kritrium ersetzt. Schließlich soll die verschonte Vermögensmasse selbst auf die Größe beschränkt werden, die für die Tätigkeit des Unternehmens notwendig ist, sog. „Verwaltungsvermögen“ soll nur zu einem kleineren Teil begünstigt werden (hier).
Letztlich wird damit nur die bisherige Willkür sophistiziert, denn die Regelung negiert beharrlich, dass nicht nur in Familienbetrieben angelegtes Geld direkt oder indirekt Unternehmen finanziert (vgl. hierzu und zum Folgenden nochmals hier). Die Konsequenz dieser Erkenntnis wird freillich nicht ernsthaft in Erwägung gezogen: Sie bestünde darin, die Erbschaftsteuer ganz abzuschaffen oder aber, wenn man denn wider die ökonomische Vernunft unbedingt besteuern will, jede Erb- oder Schenkungsmasse, d.h. nicht nur das Eigenkapital von Familienunternehmen, als Sondervermögen zu fixieren, das erst besteuert wird, wenn es zu Entnahmen oder Beleihungen durch die Erben/Beschenkten kommt.
So wird es weiter zu fruchtlosen Diskussionen um die angemessene Definition von „Groß-“ oder „Kleinbetrieben“ sowie „Betriebs-„ oder „Verwaltungsvermögen“ kommen. Dabei wird Zeit vergehen, und das neue Gesetz wird am Ende mangels eines logischen Eichstrichs für die bemühte Semantik als politischer Kuhhandel in Kraft treten – aller bisherigen Betriebsamkeit zum Trotz vielleicht wieder erst kurz vor der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist. Letztlich ist nur eines sicher: Diese Reform der Reform der Reform des Erbschaftsteuergesetzes wird wieder in Karlsruhe landen und man darf gespannt ein, ob die Richter dort dann den Verfassungsbruch 4.0 konstatieren werden – verdient hätte das bislang absehbare Vorgehen ein solches Verdikt allemal.
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Verfassungsbruch 4.0?
Die Eile des Bundesfinanzministers bei der Reform der Erbschaftsteuer“