Kurz kommentiert
Der ausgabenstimulierende Effekt der Unternehmenssteuerreform III

Mitten im Weltkriegsjahr 1915 stimmten am 6. Juni 94.3% der an der Urne versammelten Schweizer und alle Stände der Erhebung einer einmaligen eidgenössischen Kriegssteuer zu – der ersten Einkommensteuer der Bundes. Was als einmalig gedacht war, blieb dauerhaft bestehen. Das gilt auch für Artikel 2 des Kriegssteuergesetzes, das den Bezug durch die Kantone regelte. Da der Erhebungsaufwand gemäss Artikel 41 durch die Kantone zu tragen war, überliess man den Kantonen im Gegenzug einen Fünftel des Bruttoertrags. Der Kantonsanteil an der Einkommensteuer des Bundes war geboren und zeigte ein erstaunliches Beharrungsvermögen in jeder neuen Finanzordnung seit Einführung der Kriegssteuer. Den Zweck des Kantonsanteils machte am 23. September 1915 der ständerätliche Kommissionsberichterstatter direkt nach der Eintretensdebatte klar. Peter Isler, einflussreicher Aargauer Standesherr, gab bei Artikel 2 zu Protokoll: „Die Verteilung des Ertrages der Steuer unter den Bund und die Kantone erfolgt auf Grundlage des Bruttoertrages, denn die Kosten der ganzen Erhebung sind von den Kantonen auf ihren Fünftel zu übernehmen.“

Warum ist der Zweck des Kantonsanteils als Aufwandsentschädigung für die veranlagenden Kantone wichtig? Eine Antwort darauf lieferte indirekt der amerikanische Finanzwissenschafter Edward Gramlich Ende der 1960er Jahre und die auf seiner Forschung aufbauenden Beiträge in der ökonomischen Literatur. Gramlich zeigte als erster, dass vertikale Finanztransfers vom Bund zu den Gliedstaatlichen die Staatsausgaben der Gliedstaaten weit stärker ansteigen lassen, als eine entsprechende Ausweitung der eigenen Steuerbasis. In einer Diskussion mit Gramlich prägte Arthur Okun für dieses Phänomen den Begriff „Flypaper effect“ – geschenktes Geld bleibt dort kleben, wo es hinfliegt. Geld ist eben nicht gleich Geld. Die damit ausgelösten Anreize sind entscheidend.

Der Flypaper Effekt ist auch für die Unternehmenssteuerreform III von Bedeutung. Zur Finanzierung möglicher Steuerausfälle bei Wegzug der Statusgesellschaften möchte der Bund die Kantone mit einer Ausweitung des Kantonsanteils von 17 auf 20.5% kompensieren – die Kantone frohlocken sogar mit einer Ausweitung auf 21.2%. Damit steigen die permanenten vertikalen Transfer, die Subventionen für die Kantone um etwa 1 Mrd. CHF. Liegt die ökonomische Forschung richtig, hätte diese Ausweitung einen nicht vernachlässigbaren Flypaper Effekt – eine Ausweitung der Staatsquote – zur Folge. Pikanterweise würde dieser Effekt in Kontrast zum Ziel des Bundesrats stehen, dass die Kantone die Mittel aus dem ausgeweiteten Kantonsanteil für die Stärkung der steuerlichen Standortattraktivität auf durchschnittlich 16% Gewinnsteuerbelastung einsetzen würden.

Der Schweizer Föderalismus ist nicht mit einem hydraulischen System zu vergleichen, wo es egal ist, wer welche Mittel zu welcher Staatsebene transferiert. Wohldurchdachte föderale Systeme sollten sich am Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz ausrichten – der Einheit von Risiko, Kontrolle und Verantwortung. Es wäre wünschbar, wenn sich das Parlament wieder an Ständerat Isler erinnerte: Der Kantonsanteil hat den Zweck, den Veranlagungsaufwand der Kantone für die Erhebung der direkten Bundessteuer zu entschädigen. 17% am Bruttoertrag sollten dafür mehr als genügend sein. Die Hoffnung, dass die Ausweitung des Kantonsanteils im Rahmen der Unternehmenssteuerreform III die Kantone zu steuerpolitischer Standortstärkung veranlassen werde, entspricht jedenfalls nicht der ökonomischen Erfahrung. Würde der Bund die eigene Steuer für die Standortstärkung nutzen, wäre dies dagegen anreizkompatibel und der Effekt auf die steuerliche Standortattraktivität wohl eher gewährleistet.

 

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