Worum geht es?
Rund 10’000 Franken pro Monat oder 120’000 Franken im Jahr: So viel verdienen Bundesangestellte im Durchschnitt. Damit liegt ihr Lohn 12 % höher als das Durchschnittssalär in der Privatwirtschaft. Immerhin ein Monatslohn mehr und notabene bei gleichem Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Erfahrungshintergrund und vielen weiteren relevanten Merkmalen, die für den individuellen Lohn massgebend sind. Eine solche Lohnprämie der Bundesangestellten – ein «Private-Public-Pay-Gap» – bleibt nicht ohne Folgen für den Arbeitsmarkt.
Warum zählt es?
Staatswachstum, Stellenwachstum und überhöhte Löhne: das sind Reizwörter in der öffentlichen Debatte. Fakt ist: von drei Franken, die in der Schweiz erwirtschaftet werden, geht einer durch die Hände des Staates – und die anderen beiden werden durch ihn beeinflusst. Dafür braucht der Staat Personal. Immer mehr Personal. Und die wachsende Zahl von Verwaltungsmitarbeitern verursacht eine wachsende Lohnrechnung. Wofür und wie der Staat auf den volkswirtschaftlichen Pool der Beschäftigten zugreift, ist zwar das Ergebnis eines gesellschaftspolitischen Diskurses. Dieser sollte aber transparent sein, und dafür braucht es Zahlen, Daten und Fakten.
Für diese Zahlen interessieren sich nicht nur die Steuerzahler, die den Staat finanzieren, sondern auch andere Arbeitgeber und Bildungsanbieter. Denn der Staat ist der grösste und in viele Belangen auch der wichtigste Arbeitgeber der Schweiz – mithin also auch Taktgeber auf dem Arbeits- und Bildungsmarkt. Wenn der grösste Arbeitgeber systematisch mit hohen Löhnen werben kann, verzerrt dies einen fairen Wettbewerb. Private Arbeitgeber sehen sich auf der Suche nach jungen Arbeitskräften gezwungen, die Löhne über die Marktlöhne anzuheben. Und die jungen Talente entscheiden sich für Studienfächer, die sie nicht gewählt hätten, wenn der Staat als Arbeitgeber nicht die entsprechend attraktiven Stellen geschaffen hätte.
In der wissenschaftlichen Literatur werden die systematischen Lohnunterschiede zwischen öffentlichem und privatem Sektor seit längerem diskutiert. Nach der ökonomischen Theorie müssen sich private Unternehmen bei ihren Löhnen am Wachstum der Produktivität orientieren, um diese finanzieren und also als Firma bestehen zu können. Im Gegensatz dazu hat der öffentliche Sektor das Privileg, die Haftung auf die Steuerzahler zu übertragen. Der Zusammenhang mit dem Produktivitätswachstum ist also ein sehr loser. Der staatliche Lohnsetzer kann es sich erlauben, nicht ausschliesslich Effizienzkriterien zu berücksichtigen, sondern auch politische Argumente zu gewichten. Der angesehene Arbeitsmarkt- und Migrationsforscher George Borjas hat sich bereits in den 1980er Jahren mit diesen Fragen befasst. Er hat überzeugende Evidenz dafür vorgebracht, dass eine an der Widerwahl interessierte Regierung allen Grund hat, die Staatsbediensteten mit hohen Löhnen günstig zu stimmen. Denn die Verwaltung übt einen grossen Einfluss auf die Staatsaktivitäten aus, von deren Qualität wiederum die Wiederwahlwahrscheinlichkeit der Regierung abhängt.
Die Evidenz
In der aktuellen Studie des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) habe ich zusammen mit Marco Portmann und Frederic Blümel den «Private-Public-Pay-Gap», den die ökonomische Literatur für die meisten Industrienationen feststellt, für die Schweiz mit aktuellen Daten vermessen. Wir möchten damit eine Forschungslücke schliessen.
Der Medianlohn entspricht beim Bund einem Bruttojahreseinkommen für eine Vollzeitstelle von 117’176 Franken, bei den Kantonen von 96’426 Franken und bei den Gemeinden von 88’896 Franken. Der Median trennt die Arbeitskräfte in zwei gleich grosse Gruppen, deren Löhne entweder unter oder über dem Medianlohn liegen. Das Lohndifferenzial beim Bund liegt ausnahmslos im positiven Bereich. In anderen Worten, die Bundesverwaltungen belohnen die Angestellten mit einer bemerkenswerten Lohnprämie. Die Prämie fällt auf den drei Staatsebenen sehr unterschiedlich aus. Am Median beträgt die Prämie beim Bund 12 %, bei den Kantonen fällt sie mit 5 % weniger als halb so hoch aus und bei den Gemeinden liegt sie bei 3 %. Die Lohndifferenziale der Gemeinde- und Kantonsverwaltungen verlaufen über die ganze Lohnspanne hinweg sehr ähnlich.
Interessant ist auch eine weitere Analyse. Die Lohnlücke im privaten Sektor ohne Berücksichtigung von arbeitsmarktrelevanten Merkmalen wie Bildungsstand oder Berufserfahrung beträgt beachtliche 39 % beim Bund, 22 % bei den Kantonen und 11 % den Gemeinden. Was heisst das? Es zeigt, dass ein Fünftel bis ein Drittel der rohen Lohnlücke auch dann bestehen bleibt, wenn es sich um fast identische Arbeitsmarktprofile zwischen einem staatlichen und einem privaten Arbeitgeber handelt. Die restliche Lohnlücke ist auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Arbeitskräfte zurückzuführen. Der staatliche Arbeitgeber hat natürlich auf beides einen Einfluss.
Was daraus folgt?
Die Lohnunterschiede zwischen privatem und öffentlichem Sektor haben aufgrund der Grösse des öffentlichen Sektors auch gesellschaftliche Konsequenzen. Ich möchte hier drei Punkte besonders hervorheben.
1. Die Löhne steuern im Verbund mit Faktoren wie der Jobsicherheit, Pensionskassenleistungen und Attraktivität der Tätigkeit auch den Arbeitsmarkt. Für das Vereinigte Königsreich und die USA konnten Studien bei Arbeitssuchenden nachweisen, dass diese auf attraktive Stellen im öffentlichen Sektor zuwarten und stattdessen freie Stellen in der Privatwirtschaft ausschlagen. Für private Unternehmen wird dadurch die Besetzung ihrer freien Stellen und letztlich auch der Aufschwung nach Rezessionen erschwert. Sie sind vom Fachkräftemangel besonders betroffen und rekrutieren vermehrt aus dem Ausland.
2. Für zahlreiche OECD-Länder ist belegt, dass vergleichsweise hohe Löhne im öffentlichen Sektor auch Aufwärtsdruck auf die Löhne in der Privatwirtschaft erzeugen. Das treibt das allgemeine Preisniveau und schwächt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Firmen. Die Verzerrung durch systematische Lohnunterschiede macht sich zudem auch bei den Bildungsentscheidungen bemerkbar, wo der Fokus stärker auf den Staat als Arbeitgeber ausgerichtet wird.
3. Auch die Anzeichen für eine Zunahme des Vollzugsföderalismus sind ernst zu nehmen: der Bund entscheidet – Kantone und Gemeinden führen nur noch aus Im dezentral organisierten Staatswesen der Schweiz beschäftigen die Kantons- und Gemeindeverwaltungen rund sieben Mal so viele Vollzeitangestellte wie die Bundesverwaltung. Die Verwaltungsausgaben beim Bund wuchsen jedoch stärker als bei den Gemeinden und Kantonen. Der Bund stellt mehr hochbezahlte Akademiker ein: Spezialisten, die analysieren, planen, beauftragen, finanzieren und kontrollieren, während die Kantone dies umsetzen.
Der «Private-Public-Pay-Gap» ist zunächst bloss eine abstrakte Zahl – 12 %. Doch verbergen sich hinter ihr relevante wirtschaftspolitische Fragen, die offen und ehrlich diskutiert gehören. Hierzu möchten wir mit unserer Forschung einen Beitrag leisten.
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