Noch scheint alles gut, doch der Internationale Währungsfonds sieht für Deutschland mittelfristig Grund zu großer Sorge: Fehlende Investitionen und eine nachteilige Altersstruktur rufen nach Reformen.
Anfang Juli hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seine “2018 Article IV Consultation“ mit Deutschland veröffentlicht und dabei auf ein altes Problem hingewiesen: die Angebotsbedingungen. Deutschlands Wirtschaftswachstum sei robust, auch 2019 werde, so der IWF, das reale Wirtschaftswachstum mit über 2 Prozent recht hoch ausfallen. Risiken gebe es in der mittleren bis langen Frist.
Diese Risiken liegen in der Altersstruktur der Bevölkerung und insbesondere der Zunahme des Anteils alter Menschen an der Bevölkerung. Dies hat Konsequenzen für die Alterssicherung, (spiegelbildlich) die Lohnnebenkosten und die Produktivität; die Steigerung der Arbeitsproduktivität fällt heute unterdurchschnittlich aus, gleiches gilt für den fallenden Trend im Unternehmertum.
Darüber hinaus bereitet der anhaltend und auch 2018 sehr hohe Leistungsbilanzüberschuss Sorgen, der konstant bei 8 Prozent oder mehr des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt, so auch voraussichtlich 2019. Dieser Saldo führt bekanntermaßen zu erregten internationalen Debatten und stimuliert die US-Regierung zu protektionistischen Überlegungen und Forderungen zur Reduktion des Überschusses. Dies war auch schon vor der Amtszeit von Präsident Trump ein Diskussionsthema.
Der heftige Handelsstreit der USA mit China und der Europäischen Union wird der Weltwirtschaft nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds massiv schaden.
Den Hauptgrund für den hohen Leistungsbilanzüberschuss sieht der IWF zurecht in einem Mangel an Investitionen. Dieser Mangel betrifft private wie öffentliche Investitionen. Über ein Jahrzehnt waren die Nettoinvestitionen des Staates negativ; anders gewendet: Über ein Jahrzehnt hat die öffentliche Hand die Infrastruktur (darunter Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Flughäfen, Brücken, Kanäle) verrotten lassen. Auch der Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur ist in den vergangenen Jahren nicht vorangekommen.
Darin könnte ein Grund für die Zurückhaltung privater Investoren liegen; ein weiterer Grund liegt auf der Angebotsseite des Arbeitsmarktes, also in der Altersstruktur der Beschäftigten sowie in der Qualifikationsstruktur der Jugend. Außerdem zahlen die Deutschen extrem hohe Steuern. Durch die Steuerreform in den Vereinigten Staaten (USA) werden die Probleme unzureichender Investitionen hierzulande nochmals verschärft.
Dies ist alles nicht neu. Dennoch findet in der Bundesregierung bislang Wirtschaftspolitik nicht statt. Stattdessen werden zum Beispiel Geschenke an die heutigen Rentner ausgeschüttet und unnötige, weil nicht zielgenaue Förderung der Bautätigkeit (in einem überhitzten Baumarkt) angekündigt. Ein Grund mag in der als robust bezeichneten wirtschaftlichen Lage liegen.
Aber was würde passieren, wenn es wirklich bis zum Jahresende zum Handelskrieg zwischen den USA und dem Rest der Welt käme, wenn der Ölpreis 100 US-Dollar pro Barrel übersteigt und wenn die EZB die Zinsen doch schneller anheben müsste als geplant, weil die Inflationsrate stärker als erwartet ansteigt. Darauf scheint die Bundesrepublik nicht vorbereitet zu sein, weder in wirtschaftlicher noch in mentaler Hinsicht. Man stelle sich nur vor, innerhalb eines Jahres steigt die Arbeitslosigkeit um 1-2 Prozentpunkte. Dies dürfte die politische Stimmung weiter radikalisieren.
Haushaltsüberschüsse und sinkende Staatschulden lassen es Deutschland gut gehen. Doch in Protektionismus und einem harten Brexit sieht der Internationale Währungsfonds auch Grund zur Sorge.
- Insofern ist dem IWF zuzustimmen, wenn er der Bundesregierung folgende Empfehlungen unterbreitet:
- Steigerung der öffentlichen Investitionen und der öffentlichen Beschäftigung, insbesondere im Bildungs- und Gesundheitsbereich. Man kann getrost die innere und äußere Sicherheit hinzufügen. Der IWF schließt dabei eine weitere Verschuldung nicht aus; die Bundesregierung hat dem zurecht widersprochen. Es wäre in der Tat angebracht, die Ausgabenstruktur zu überdenken und sozusagen von der Vergangenheit in die Zukunft umzuschichten. Weniger Rentengeschenke für bereits gutausgestattete Alterskohorten und weniger Subventionen für kränkelnde Unternehmen, dafür mehr Investitionen in die Zukunft.
- Renten- und Arbeitsmarktreform stellen konsequenter Weise einen weiteren Vorschlag dar. Insbesondere geht es dem IWF auch um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Man kann es drehen und wenden, wie man will: In einer alternden Gesellschaft gibt es drei Optionen: Steigerung der Rentenbeiträge für die Jungen (in einer offenen Welt mit hoher Mobilität der Arbeitskräfte sehr gefährlich), Senkung der Rentenzahlungen (ungerecht und eine Gefahr für den sozialen Frieden) oder eine Erhöhung des Renteneintrittsalters (angesichts der immer jünger scheinenden Alten eher kein Problem, wenigstens in den meisten Berufen).
- Verbesserung der Angebotsbedingungen für professionelle Dienstleistungen, darunter vor allem in Netzwerkindustrien. Dazu zählen auch die Erleichterung des Zugangs zu Krediten für junge Unternehmen und die Erleichterung der Unternehmensgründung; das relevante Stichwort lautet Bürokratieabbau.
- Schließlich werden Anregungen zur besseren Regulierung des Finanzsektors vorgetragen, damit die Resilienz dieses Sektors gesteigert wird.
- Was dem IWF-Papier fehlt, ist eine Steuerreform, die seit Jahrzehnten diskutiert wird. Nötig ist nach wie vor die Senkung der Steuersätze bei einer gleichzeitigen Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage.
Ältere Leser werden von dieser Liste eher gelangweilt sein, denn sie bietet nichts Neues! Das heißt aber nicht, dass diese Vorschläge deshalb überflüssig oder falsch wären. Der neue Wirtschaftsminister Altmaier hat eine Revitalisierung der Sozialen Marktwirtschaft angekündigt. Bislang ist davon noch nicht viel zu sehen- sie ist aber unbedingt notwendig!
Hinweis: Der Beitrag erschien am 27. Juli 2018 in der Wirtschaftswoche Online.
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😀 Geil die Überschrift ! Bei einer Globalen Überproduktion, zumindest in einigen Bereichen, kann man eigentlich keine Wirtschaftspolitik machen. Die Überproduktion sieht man sehr deutlich am Mikroplastik und sonstigen Plastikmüll der in den Meeren rum schwimmt.
Die Zutaten für ein Hyperinflation, sind alle schon bereit gestellt.
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In der Politik geschieht nichts zufällig! Wenn etwas geschieht, kann man sicher sein, das es auf diese Weise geplant war.
Frank Delano Roosevelt,
US Präsident und Freimaurer
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Die Hyperinflation wird kommen.