Die Werte der Wirtschaft (14)
Warum CSR entlang der Wertschöpfungskette eine Gefahr für den Wettbewerb darstellt

Unter Corporate Social Responsibility (CSR) wird die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch private Unternehmen verstanden. Gerechte Löhne, gute Arbeitsbedingungen, fairer Handel, saubere Produktionsverfahren, Nachhaltigkeit der Unternehmenspolitik und ähnliches verbergen sich hinter diesem Begriff. Er ist nach diesem Verständnis generell positiv belegt.

Es gibt allerdings keine präzise, einheitlich verwendete CSR-Definition. Gesellschaftliche oder soziale Verantwortung ist ein Begriffskonstrukt, welches sich je nach Veröffentlichungszeitpunkt und Kontext unterscheidet. Jeder Autor begreift Verantwortung ein Stück weit anders. Auch die Funktionen, die privaten Unternehmen in einer Wirtschaft zugedacht werden, differieren je nach wissenschaftlichem Hintergrund des Autors erheblich. Unterschiedliche Anliegen in einer Gesellschaft werden zudem als unterschiedlich schützenswert erachtet, so dass den Unternehmen von einem Autor primär eine Verantwortung für die Umwelt, vom anderen eher für die Arbeitsbedingungen oder den fairen Handel zugeschrieben werden. So kann Dahlsrud (2008) in seiner Analyse 37 unterschiedliche wissenschaftlich verwendete CSR-Definitionen vergleichend analysieren.

Die Europäische Kommission beschreibt CSR als ein „Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Tätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“ (Europäische Kommission, 2001, S.7). CSR ist dabei „nicht etwas, was dem Kerngeschäft von Unternehmen aufgepfropft werden soll. Vielmehr geht es um die Art des Unternehmensmanagements“ (Europäische Kommission, 2002, S.6). In Kurzform beschreibt CSR gemäß der Europäischen Kommission also die Verantwortung von Unternehmen für die Auswirkung ihres Handelns auf die Gesellschaft. Mit steigenden Anforderungen an die Berichtspflichten wird es für größere Unternehmen dabei zunehmend verpflichtend, sich mit CSR zu beschäftigen.

Bei dieser Verantwortungszuschreibung ist heutzutage zu beachten, dass die meisten Unternehmen nur ein Glied in einer komplexen Wertschöpfungskette bilden. Noch vor 40 Jahren war dies ganz anders. Die Einstellung in den Unternehmen war damals weit mehr von einer Kultur der Abgrenzung nach außen geprägt. Alles jenseits der Grenzen seines eigenen Unternehmens betrachteten die Unternehmer als feindlich. Schutz vor anderen Unternehmen wurde deshalb als nötig erachtet. Dies hat sich gewandelt. Märkte sind heute global, viele Handelsbarrieren sind beseitigt und mit der Digitalisierungswelle sind die Grenzen von Unternehmen viel weniger scharf definiert als früher. Es kam zu einer Welle von Outsourcing-Aktivitäten. Seither ist es mitunter sogar schwierig geworden, zwischen internen und externen Teilen der Wertschöpfungskette eines Unternehmens zu unterscheiden. Die Unternehmen diversifizieren sich nicht mehr so stark wie früher vertikal, sondern sind integriert in eine lange Wertschöpfungskette. Dabei übernehmen die Unternehmen nur einige der Aufgaben des Prozesses ihrer Gütererstellung, andere werden im Rahmen von Outsourcing an externe Partner übertragen.

CSR-Konzepte eines Unternehmens in einer Wertschöpfungskette betreffen aber immer diese Kette im Ganzen. Das bedeutet, dass alle an der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen Einfluss auf das CSR der gesamten Wertschöpfungskette eines Gutes haben. Es müssen also alle Beteiligten der Wertschöpfungskette die vorgegebenen CSR-Konzepte umsetzen, denn eine Wertschöpfungskette kann in ihrer gesellschaftlichen Verantwortung niemals stärker sein als ihr schwächstes Glied (Blome et al., 2014, S.657). Fehlt auch nur einem Unternehmen das rechte Verantwortungsbewusstsein, so ist die Produktion des Gutes bereits makelbehaftet.

Aus diesem Grund erfordert ein CSR-Konzept ein gutes Management entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die einzelnen Schritte werden anhand von Managementleitfäden wie jenem von Font und Cochrane (2005; erstellt für Reiseveranstalter) deutlich gemacht:

– Zuerst sollte von den Unternehmen eine Richtlinie formuliert werden, anhand derer eine Datenbank zur Informationssammlung erstellt wird. Hier ergibt sich für kleine Unternehmen schon das erste Problem: Sie müssen bei der Informationssammlung auf die Konformitätserklärungen der anderen Teile der Wertschöpfungskette vertrauen, da ihnen die nötigen Mittel für Kontrollen fehlen. Große Unternehmen hingegen können Kontrollen durchführen, ob die Informationen der anderen der Wahrheit entsprechen.

– Basierend auf den gesammelten Informationen können große Unternehmen innerhalb einer Wertschöpfungskette eine Nachhaltigkeitspolitik und Standards für ihre Lieferanten entwickeln. Sie sind hieran schon Reputationsgründen vorrangig interessiert. Hierbei ist es ratsam, Mitarbeiter und auch Lieferanten mit in den Prozess einzubinden. Die gemeinsame Erarbeitung von Standards verschiedener selbstständiger Unternehmen setzt eine langfristige Kooperation in der Wertschöpfungskette voraus und lässt Partnerwechsel schwierig werden.

– Im dritten Schritt müssen Zielvorgaben gemacht werden, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Bei der Erfüllung dieser Zielvorgaben sollten die Unternehmen ihre Lieferanten unterstützen. Hierbei ist es ethisch gesehen wünschenswerter, einem bereits existierenden Partner dazu zu verhelfen, seine unsauberen Praktiken zu verändern, als sich bereits etablierte Partner mit sauberen Praktiken zu suchen. Nur so lässt sich die Welt verändern.

– Um ihre Lieferanten zur Einhaltung der auferlegten Richtlinien zu ermutigen, sollten Unternehmen ihnen regelmäßiges Feedback über ihre Leistung geben. Es ist aber auch möglich, formellere Vorgehensweisen wie zum Beispiel vertragliche Vereinbarungen mit Kontrollen einzuführen. Hierfür ist aber eine hohe Transparenz entlang der Wertschöpfungskette erforderlich, um die Leistung der Lieferanten kontrollieren zu können.

Manche Unternehmen innerhalb einer Wertschöpfungskette haben mehr Marktmacht und damit mehr Einfluss als andere. Sie können deshalb das Verhalten anderer Unternehmen mit ihrer Einflussnahme lenken. Dies gilt hauptsächlich für die großen, international agierenden Unternehmen einer Wertschöpfungskette. Für kleine, lokal operierende Unternehmen bedeutet das, dass die größeren Unternehmen sich sehr stark in ihren Handlungsspielraum einmischen werden und müssen, um die von ihnen gewünschten CSR-Standards umzusetzen. Dies schränkt ihre Freiheit, im Wettbewerb eigene Entscheidungen zu treffen, erheblich ein. Die Beschränkungen betreffen die Produktpolitik (saubere Produkte), die Preispolitik (faire Preise für Lieferanten), die Distributionspolitik (Wahl lokaler Zulieferer) und die Kommunikationspolitik (Herstellung von Transparenz) und damit den kompletten Marketing-Mix.

Da es ethisch gesehen wünschenswert und auch im Hinblick auf Vertragsabschlüsse und Kontrollkosten günstiger ist, bereits bestehende Partner bei der Umsetzung der auferlegten CSR-Standards zu helfen, setzen große Unternehmen immer mehr auf eine langfristige Zusammenarbeit mit ihren bisherigen Partnern. Die lange Dauer der Vertragsbeziehungen wird als essenzielles Element für die Umsetzung von CSR entlang einer Wertschöpfungskette angesehen. Dies erschwert es aber neuen, kleinen Unternehmen, in den Markt einzutreten und ihren Platz in einer bereits existierenden Wertschöpfungskette zu finden. CSR entlang der Wertschöpfungskette stellt damit Marktzutrittsbarrieren für neue, kleine Unternehmen auf, so dass diese es mit dem Ausbau von CSR-Konzepten immer schwieriger haben, sich auf dem Markt zu etablieren. So fördert CSR das Entstehen von Marktmacht und monopolistischen Strukturen, statt der Allgemeinheit zu dienen. Daher sind CSR-Konzepte, die komplexe Wertschöpfungsketten betreffen, sehr ambivalent zu betrachten.

Quellen:

Blome, C., A. Paulraj und K. Schuetz (2014): Supply Chain Collaboration and Sustainability: A Profile Deviation Analysis, International Journal of Operations & Production Management, Vol. 34, No. 5, S. 639–663.

Dahlsrud, A. (2008): How Corporate Social Responsibility Is Defined – An Analysis of 37 Definitions, Corporate Social Responsibility and Environmental Management, Vol. 15, No., S. 1-13.

Europäische Kommission (2001): Grünbuch Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen, Brüssel, S. 1-36.

Europäische Kommission (2002): Mitteilung der Kommission betreffend die soziale Verantwortung der Unternehmen: ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung, Brüssel, S. 1- 27.

Font, X. und J. Cochrane (2005): Integrating Sustainability into Business. A Management Guide for Responsible Tour Operations, Paris.

Eine Antwort auf „Die Werte der Wirtschaft (14)
Warum CSR entlang der Wertschöpfungskette eine Gefahr für den Wettbewerb darstellt“

  1. Seit wann können öffentliche Güter wie Umwelt- oder Sozialpolitik in Höhe des vom Wähler gewünschten Umfangs auf freiwilliger Basis bereit gestellt werden?

    Das Allmende-Problem war früher mal Stoff von Einführungsvorlesungen. Aber das ist wahrscheinlich schon lange her…

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