Paul Krugman (2010) eröffnete im neuen Jahr die Jagd auf den chinesischen Dollar-Peg. China als neue Finanz- und Wirtschaftsmacht sei anders als andere große Länder: merkantilistisch, räuberisch und beratungsresistent! In den kommenden Jahren würden den USA weitere 1,4 Millionen Jobs entrissen. Vor der Krise sei China den USA zwar noch als Käufer von US-Staatsanleihen nützlich gewesen. Seit der Krise seien die US-Finanzmärkte mit Liquidität überschwemmt und China als wirtschaftlicher Partner überflüssig. Dies mache den Weg frei für Barrieren gegen chinesische Billigimporte.
Das Kampfgebrüll Krugman’s läutet eine neue Runde in dem amerikanisch-chinesischen Ringkampf um die Währungsparität ein. Die Rollenverteilung bleibt unverändert. Titelverteidiger USA teilt kräftig aus, während Herausforderer China selbstbewusst standhält. Im Ringen um die wirtschaftliche Vormachtstellung wirkt gelegentlich der eine oder andere angezählt. Doch immer neue makroökonomische Aufputschmittel erleichtern das Durchhalten. Die Risiken in Form von strukturellen Verzerrungen steigen aber.
Die Probleme der USA liegen im Finanzsektor. Die langjährige Niedrigzinspolitik der Federal Reserve begünstigte nicht nur einen zweifelhaften Immobilienboom, sondern auch der Finanzsektor setzte Speck an. Die Mega-Immobilien- und Finanzkrise hat zwar die Korrektur der Übertreibungen angemahnt, doch Nullzinspolitik und keynesianische Hydraulik konservieren die Strukturen. Insbesondere die Bereinigung der Bilanzen im Finanzsektor ist ungewiss. Derzeit werden private Finanzanlagen im Inland durch neue Wetten im Ausland substituiert.
Viel Kapital fließt – getrieben von der Nullzinspolitik – nach Ostasien, wo die Wachstumsperspektiven derzeit am besten sind. Ähnlich den japanischen Banken nach dem Platzen der Bubble scheint der US-Finanzsektor versucht, sein geschrumpftes Eigenkapital durch gewinnträchtige Carry Trades wieder aufzustocken. Immobilien- und Aktienmärkte in Ostasien boomen. Die Folge ist Aufwertungsdruck auf den chinesischen Yuan, der bei einer festen Bindung von 6,8 pro Dollar die chinesischen Reserven wieder stark steigen lässt.
Der Irrtum Krugman’s und vieler anderer Kritiker der chinesischen Währungspolitik (z.B. Subramonian 2010) liegt im Fokus auf den nominalen Wechselkurs. Wechselkursstabilisierungen bestehen seit langem aus den verschiedensten Motiven und wurden selten als merkantilistische Politiken verunglimpft. Festkurse sind auch bei strukturellem Aufwertungsdruck mittelfristig wettbewerbsneutral, da mit den Reserven das Geldangebot steigt. Die resultierenden Preis- und Lohnsteigerungen lassen die Inlandswährung real aufwerten und die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Industrie sinkt. So zum Beispiel in den baltischen Ländern vor der großen Krise.
Zur nachhaltigen Subventionierung des chinesischen Exportsektors kommt es erst, weil die Peoples Bank of China die aus der Wechselkursstabilisierung resultierende Überschussliquidität abschöpft. Aus inländischer Perspektive ist diese Sterilisierung notwendig und richtig, um die Inflation niedrig zu halten. Aus außenwirtschaftlicher Sicht wird neben dem nominalen auch der reale Wechselkurs fixiert. Sterilisierung zu Marktzinsen würde die Zinsen nach oben treiben, was neue unerwünschte spekulative Kapitalzuflüsse anziehen und die Sterilisierungskosten erhöhen würde. Die Geschäftsbanken werden deshalb gezwungen, niedrig verzinste Mindestreserven bei der Zentralbank zu halten bzw. Zentralbankwertpapiere unter dem Marktzins anzukaufen (nicht marktbasierte Sterilisierung).
Im Ergebnis wird der Marktzins niedrig gehalten, während sich das Kreditangebot verknappt. Der Finanzsektor wird fragmentiert. Die aggregierten Investitionen werden ausgebremst, was über den Spar-Investitions-Saldo den Leistungsbilanzüberschuss wachsen lässt. Bei der gegebenen Überschussnachfrage nach Kapital kann über den bis in die Chefetagen staatlich kontrollierten Bankensektor das Kapitalangebot in den beschäftigungsintensiven Exportsektor gelenkt werden. Der chinesische Exportsektor dürfte deshalb nicht nur durch die reale Wechselkursstabilisierung, sondern auch aufgrund niedriger Zinsen subventioniert und überdimensioniert sein.
Bleibt die Frage, ob China angesichts historisch niedriger US-Zinsen viele Freiheitsgrade in der Währungs- und Geldpolitik in Form eines flexiblen Wechselkurses hat, wie er von westlichen Experten vorgeschlagen wird. Die nominale (und reale) Aufwertung ist aus vier Gründen nicht möglich: Erstens, die Freigabe des Wechselkurses wäre mit einer Krise der Exportindustrie, steigender Arbeitslosigkeit und sozialen Unruhen verbunden. Zweitens, bei historisch niedrigen Zinsen in den USA und sich verstetigenden Aufwertungserwartungen würde der chinesische Zins an die Nullgrenze gedrückt und neue Blasen begünstigt. Drittens, die Entwertung der dollar-denominierten Fremdwährungsreserven würde die Regierung politisch in Bedrängnis bringen. Viertens, sobald die Regierung eine Aufwertung des Yuan signalisiert, wird eine Spekulationswelle losgetreten, die die Faktoren 1 bis 3 nochmals verstärkt. Kurz: China wurde von den USA in die Festkursfalle verfrachtet. Der Schlüssel zur Beendigung des Teufelskreises von Zinssenkungen in den USA und Reservenakkumulierung in China liegt in Washington!
Bedeutet dies, dass die USA bereits als Sieger feststehen? In der Tat werden die USA profitieren, wenn China’s immense Dollarreserven durch Dollarabwertung oder steigende US-Inflation entwertet werden. Doch seit der Krise ist die Zukunft des US-Wachstumsmodells ungewiss. Vor der Krise wurde die graduelle Verlagerung der Industrieproduktion nach China billigend in Kauf genommen, da – nicht zuletzt aufgrund der Kapitalimporte aus China – im Finanzsektor leicht und reichlich verdient wurde. Nach der Krise scheint die Industrie der Rettungsanker, weshalb Krugman Protektionismus und mehr Staatsnachfrage propagiert.
Dies macht die langfristige Perspektive für die chinesisch-amerikanische Hassliebe nicht rosiger. Voraussetzung für den Abbau der makroökonomischen Spannungen wäre eine Konsolidierung der US-Geld- und Finanzpolitik. Stattdessen nehmen mit dem Ausmaß der makroökonomischen Krisenmanagements auch die Verzerrungen in der internationalen Güter- und Finanzmarktallokation weiter zu. Am Ende könnte deshalb eine transpazifische Kettenreaktion struktureller Anpassungen stehen. Das frohe neue Jahr würde dann mit dem Kollaps beider Giganten enden.
Literatur:
Freitag, Stephan / Schnabl, Gunther 2010: An Asymmetry Matrix in Global Current Accounts. Stanford Center of International Development Working Paper 380.
Krugman, Paul 2010: Chinese New Year. New York Times, 1.1.2010.
McKinnon, Ronald / Schnabl, Gunther 2009: The Case for Stabilizing China’s Exchange Rate: Setting the Stage for Fiscal Expansion. China and the World Economy 17, 1-32.
Subramanian, Arvind 2010: Who Pays for the Weak Renminbi? Eurovox, 11.2.2010.
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