Exit-Szenarien für die Corona-Krise

Bild: Edwin Hooper on Unsplash

Weltweit tobt die Corona-Krise, beginnend mit der Nachricht, dass aufgrund einer Coronavirus-Epidemie in China die internationalen Lieferketten unterbrochen werden könnten. Wenig später führten die Beschlüsse vieler Regierungen Geschäfte und Produktionsstätten zu schließen zu einer wirtschaftlichen Zäsur, die weltweit mit dem Kollaps der Börsenkurse einher ging (siehe Abbildung).

Während sich zu Beginn der Krise die Diskussion auf den Schutz der besonders gefährdeten älteren Bevölkerung sowie auf mögliche Überlastungen der Gesundheitssysteme konzentrierte, hat in der zweiten Phase eine Diskussion über die wirtschaftliche Tragfähigkeit des sogenannten Shutdowns eingesetzt. Gleichzeitig wurden riesige Rettungspakete auf den Weg gebracht. Ob diese auch auf die lange Frist stabilisieren, hängt von der Exit-Strategie ab.

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Denn die Krise wurde nicht nur dadurch ausgelöst, dass für einige Wochen das Wirtschaftsleben teilweise ruht. Es hatte sich bereits länger ein Abschwung abgezeichnet. Der Ifo-Geschäftsklimaindex hatte sich seit 2018 immer stärker eingetrübt. Hinzu kamen Sorgen vor einer neuen Finanzkrise. Die globale Finanzkrise, die ab dem Jahr 2008 die Weltwirtschaft erschüttert hatte, war mit starken Zinssenkungen, einer deutlichen Ausweitung der Zentralbankbilanzen und umfangreichen Konjunkturpaketen bekämpft worden. Das hatte zu neuen Übertreibungen auf den Finanzmärkten geführt. In Deutschland waren 2019 der DAX um ca. 30% und die Immobilienpreise in den großen Städten um 7% gestiegen. In den USA hatte sich eine mögliche Finanzkrise bereits seit Dezember durch Verwerfungen auf dem Repomarkt abgezeichnet.

Damit ist die derzeitige Krise eine Kombination von Shutdown-, Wirtschafts- und Finanzkrise, der die deutsche Regierung mit einem gigantischen Maßnahmenpaket entgegentritt. Ein Nachtragshaushalt in Höhe von 156 Milliarden Euro soll kleinen Unternehmen, Krankenhäusern und Arbeitnehmern unter die Arme greifen sowie Steuerausfälle kompensieren. Die Garantien des Bundes für die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau wurden um 357 Milliarden Euro auf 822 Milliarden Euro aufgestockt. Ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds macht für Großunternehmen Kreditgarantien und Rekapitalisierungen in Höhe von 600 Milliarden Euro möglich. Der Staat dürfte bei vielen Unternehmen Anteilseigner werden.

Die Europäische Zentralbank hat unter anderem im Rahmen des sogenannten Pandemie-Notfallkaufprogramms eine deutliche Ausweitung ihrer Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen um insgesamt 870 Milliarden Euro angekündigt. Die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte für Banken wurden massiv aufgestockt. Die Selbstbeschränkung bei den Anleihekäufen in Höhe eines Drittels der ausstehenden Staatsanleihen und die Verteilung der Anleihekäufe nach Kapitalschlüssel der EZB wurden ausgesetzt.

Selbst eine Wiederbelebung des unbegrenzten Anleihekaufprogramms OMT (vorbehaltlose geldpolitische Geschäfte) der Europäischen Zentralbank liegt auf dem Tisch. Die deutsche Schuldenbremse und der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt pausieren. Der Deutsche Bundestag hat die Insolvenzantragspflichten (zunächst bis zum 30.9.2020) ausgesetzt. Mietzahlungen dürfen mit einer eidesstattlichen Erklärung gestundet werden.

So werden taumelnde Unternehmen und Banken stabilisiert. Die Aufkaufprogramme der Europäischen Zentralbank garantieren, dass die überall steigende Staatsverschuldung nicht zu explodierenden Risikoprämien und zu Staatsbankrotten führt. Es bleibt allerdings die Frage nach der Ausstiegsstrategie, für die folgende Szenarien denkbar sind.

Bald könnte, wie bereits diskutiert, der Shutdown wieder aufgehoben werden. Dann würde sich im besten Fall das Wachstum wieder stabilisieren und viele Rettungsmechanismen würden nicht voll genutzt. Das „Koste-es-was-es-wolle“-Krisenmanagement wird die Bilanz der Europäischen Zentralbank nochmals stark aufblähen, so dass die neue Geldflut die Aktien- und Immobilienpreise wieder nach oben treiben könnte. Im Windschatten der Finanzmärkte könnte sich auch die Realwirtschaft wieder erholen.

Wird die Anlage in Aktien- und Immobilien jedoch fortan als zu risikoreich empfunden, beispielsweise weil viele große Unternehmen verstaatlicht und Mieteinkünfte unsicher sind, dann könnte mehr Liquidität direkt in die Gütermärkte fließen. Die Folge könnte Inflation sein, auch weil Waren gehortet werden. Inflation ist auch deshalb wahrscheinlicher geworden, weil mit dem Shutdown die Menge der produzierten Güter und Dienstleistungen reduziert wird, während die von der EZB emittierte Geldmenge deutlich anwachsen wird. Die Inflation würde helfen, die hohe Verschuldung von Staaten und Unternehmen (aber auch die Sparguthaben der Bürger) zu entwerten.

Der Nachteil von Inflation ist, dass die Strukturprobleme bei den Unternehmen ungelöst blieben oder sogar neue Verzerrungen entstehen. Preissignale werden verzerrt. Nachsichtige Kreditvergabe und (Teil-)Verstaatlichungen reduzieren den Anreiz zu Effizienzsteigerungen und Innovationen. Zudem würde das Vertrauen in das Geldsystem geschädigt. Würden die realen Löhne sinken, würde die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zunehmen. Auf die Corona-Krise könnte eine Krise des Geldsystems folgen.

Entscheidet sich dann der Staat auf breiter Front die Preise zu kontrollieren, dann begibt man sich einen Schritt weiter in die Staatswirtschaft. Einige Staaten könnten auch versucht sein, der wachsenden Unzufriedenheit der Bürger entschieden entgegentreten. Der schleichende Verlust der wirtschaftlichen Freiheit wäre auch mit einem Verlust der persönlichen Freiheiten verbunden, wie es einst Hayek (1945) beschrieben hat. Um dem vorzubeugen, ist eine klare Exit-Strategie für die Zeit nach dem Shutdown angeraten. Diese könnte sich an den Reformen von Ludwig Erhard (1957) orientieren, die Deutschland einst Stabilität und Prosperität brachten.

Literatur:

Erhard, Ludwig 1957: Wohlstand für Alle. Econ-Verlag, Düsseldorf.

Hayek, Friedrich August von 1945: Der Weg zur Knechtschaft. Eugen Rentsch, Erlenbach-Zürich.

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