Die aktuell anstehende Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/1673 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche möchten die Bundesministerien der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) sowie Finanzen (BMF) für eine Gesetzesreform nutzen, die in einem zentralen Punkt auf einen Paradigmenwechsel hinausläuft: von der „Follow-the-money“-Methode soll auf den „All-crime“-Ansatz gewechselt werden. Dieser Wechsel wird von vielen Strafrechtlern kritisch betrachtet, während die Strafverfolgungsbehörden ihn zumindest als Erweiterung ihrer Möglichkeiten ansehen. Aus rechtsökonomischer und ordnungspolitischer Sicht bleiben die Ministerien den Nachweis schuldig, dass die Reform einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt.
Gerade im Bereich der Organisierten Kriminalität tun sich die Ermittlungsbehörden oftmals schwer, der Führungsebene der kriminellen Organisationen schwere Straftaten nachzuweisen, da diese sehr viel Wert darauflegen, Verbindungen zwischen den Bossen und ihren Handlangern zu verwischen. Zugleich jedoch fließen am Ende des Tages illegal erworbene Geldmitteln stets nach oben, weshalb die penible Nachverfolgung der Geldströme immer wieder dazu geführt hat, dass gefährliche Verbrecher zumindest wegen Geldwäsche oder Steuerhinterziehung belangt und mit Gefängnisstrafen belegt werden konnten. Spätestens seit dem Kampf gegen das amerikanische Organisierte Verbrechen, darunter Al Capone („Ich bin im Wäscherei-Business tätig.“), ist diese Vorgehensweise üblich und hat zu einem immer feineren Instrumentarium der Geldwäsche-Bekämpfung geführt.
Deutschland verfolgt hierbei bisher einen Ansatz, der als Follow-the-money-Methode bezeichnet werden kann. Dabei kann Geldwäsche nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn zuvor eine rechtswidrige Straftat begangen wurde, die im langen Vortatenkatalog des § 261 (1) StGB verzeichnet ist. Zukünftig soll nach den Vorstellungen der Ministerien stattdessen nach dem „All-crime-Ansatz“ verfahren werden, in dem grundsätzlich alle Straftaten als „Vortaten“ der Geldwäsche gelten. Entscheidend soll nur noch sein, dass eine Person, die damit zum geldwaschenden Täter wird, eine – wie auch immer geartete – kriminelle Herkunft des Geldes in Kauf nimmt bzw. einen illegal beschafften Vermögenswert verbirgt oder verschleiert.
Skeptiker befürchten, dass dadurch erhebliche Teile des Vermögens der Deutschen „kontaminiert“ werden, da sich niemand sicher sein kann, ob nicht irgendwann in der Vergangenheit versehentlich ein Geldbetrag mit einem kriminellen Hintergrund angenommen und weitergereicht wurde, etwa wenn ein Handwerker für seine Arbeit bezahlt wird. Jeder Bürger wird damit potenziell verdächtig, Geldwäsche betrieben zu haben – für einen demokratischen Rechtstaat eine problematische Grundannahme! Dies gilt umso mehr, als der Basel Anti-Money Laundering-Index andeutet, dass das Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsrisiko in Deutschland im langjährigen Vergleich abgenommen hat.
Dennoch erscheinen Reformen der Verfolgung der Geldwäsche, aber auch anderer als strafwürdig angesehener Tatbestände in Deutschland grundsätzlich sinnvoll und angebracht, hat doch der Finanzplatz Deutschland in den vergangenen Jahren kein gutes Bild abgegeben, u.a. bei dem ebenso laxen wie für den Steuerzahler teuren Umgang mit Cum-Ex-Geschäften oder dem desaströsen Kontrollversagen im Fall Wirecard. Der Umfang der Geldwäsche gilt zudem – trotz des gesunkenen Baseler Indexwerts – seit Jahren als hoch. Dunkelfeldstudien gehen von einem dreistelligen Milliardenbetrag pro Jahr aus. Zuletzt wies Transparency International auf erhebliche Geldwäsche-Aktivitäten im deutschen Immobilienmarkt hin, der sich zu einem wahren Eldorado für Geldwäscher entwickelt habe, weil kaum Abwehrmechanismen gegen das Einschleusen illegal erworbener Gelder bestünden.
Vor allem seit dem Jahr 2001, als die 9/11-Terroranschläge verstärkt zu einer – durchaus nicht unstrittigen – gemeinsamen Betrachtung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung führte, ist die deutsche Geldwäsche-Gesetzgebung diverse Male erweitert und verschärft worden. Gleichwohl hat sich an dem grundlegenden Problem der Geldwäsche und ihrem Umfang kaum etwas verändert. Dementsprechend behaupten die Bundesministerien auch jetzt wieder einen hohen Handlungsbedarf, aus dem sie ableiten, mit der Einführung des All-crime-Ansatzes deutlich über die Vorgaben der EU-Richtlinie, die lediglich eine erweiterte Vortatenliste vorsieht, hinausgehen zu müssen. Tatsächlich ist es fraglich, ob der neue Ansatz zu ausreichenden positiven Effekten in Form einer deutlich reduzierten Geldwäscheaktivität führt, um seine erheblichen gesellschaftlichen Kosten zu rechtfertigen.
Zu befürchten sind vor allem deutliche privatwirtschaftliche Zusatzkosten im Compliance-Bereich. In den vergangenen fünf Jahren stiegen die bei der Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls eingegangenen Verdachtsmeldungen über ungewöhnliche oder verdächtige Finanztransaktionen um 23-48% pro Jahr auf 114.914 Meldungen im Jahr 2019, denen nach Überprüfung und Weiterleitung durch die FIU Rückmeldungen der Staatsanwaltschaften (für den Zeitraum Mitte 2017 bis 2019) über 156 Strafbefehle, 133 Anklageschriften und 54 Urteile entgegenstanden – eine unspektakuläre Erfolgsquote. Die Ausdehnung der Vortaten von nur schwerwiegender auch auf alltägliche Formen der Kriminalität wird die Zahl der Meldungen und die dahinterstehenden Compliance-Kosten, aber auch die Belastungen für die Staatsanwaltschaften und Gerichte deutlich nach oben treiben, ohne dass zugleich die Verurteilungen Schwerkrimineller – wie erhofft – deutlich zunehmen werden.
Die gesellschaftliche Kosten-Nutzen-Relation würde sich dann jedoch nicht so signifikant zum Positiven wenden, dass der Wechsel zum All-crime-Ansatz gerechtfertigt erscheint. Die neuen Argumente der Bundesministerien können diesen Eindruck kaum zerstreuen, ähneln sie doch stark den Argumenten, die vor früheren Gesetzesnovellen gebracht wurden, ohne dass diese offenbar die Notwendigkeit immer neuer Reformen verändert hätten. Dabei wäre aus ordnungspolitischer Sicht eine signifikante Verbesserung der gesellschaftlichen Kosten-Nutzen-Relation durch die Reform die Voraussetzung für die neue Vorgehensweise.
Aus rechtsökonomischer Sicht erscheint jedenfalls die in der bestehenden Vortatenliste angelegte Fokussierung der Ermittlungsarbeit auf Felder der Kriminalität, die längerfristig eine besondere Sprengkraft für die soziale und rechtstaatliche Ordnung mit sich bringen (z.B. die organisierte Rauschgift-, Mafia-, Clan- und Rockerkriminalität), ausreichend. Verbesserungen bei den Ermittlungserfolgen ließen sich auch auf anderen Wegen erzielen, die aus rechtstaatlicher Sicht weniger heikel erscheinen.
So ließe sich die Aufdeckungswahrscheinlichkeit statt über eine Verbreiterung des Vortatenspektrums auch durch eine Ausweitung der Expertise und Schlagkraft der Ermittlungsbehörden, u.a. durch die Beschäftigung hochqualifizierter Wirtschaftsprüfer und Buchhalter (was bisher oft durch starre Besoldungsschemata erschwert wird), zusätzliches Personal und eine deutliche Verbesserung ihrer technischen Infrastruktur erreicht werden. Neben der Strafhöhe gilt in der ökonomischen Theorie des Verbrechens die Aufdeckungswahrscheinlichkeit als wichtige Stellschraube im Kampf gegen das Verbrechen.
Von erheblicher Bedeutung dürfte auch die Erhöhung der Transparenz wirtschaftlicher Transaktionen sein. Nach wie vor ist z.B. das deutsche Transparenzregister, in das die wirtschaftlich Berechtigten von juristischen Personen des Privatrechts und eingetragenen Personengesellschaften einzutragen sind, lückenhaft und die Digitalisierung der Grundbücher nicht abgeschlossen. Beides eröffnet bequeme Möglichkeiten für Kriminelle und ihre Helfershelfer, Gelder in Umlauf zu bringen. Nicht ohne Grund ist der deutsche Immobiliensektor so stark von Geldwäsche betroffen. Im Hinblick auf die Strafbemessung zeigt zudem die seit dem Jahr 2017 vereinfachte Vermögensabschöpfung erste Erfolge und wirkt offenbar abschreckend. Dieses Instrument kann ausgebaut werden, da es kriminelle Handlungen unmittelbar unattraktiver macht.
Zu wenig Beachtung findet weiterhin, dass das Problembewusstsein für Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Vorteilsnahme und Geldwäsche in Deutschland gering ausgeprägt ist. Sie gelten allzu oft als Kavaliersdelikte, obwohl sie fundamental gegen die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verstoßen. Dieses Problembewusstsein in Gesellschaft und Wirtschaft zu schärfen, diente in ganz direkter Weise der Geldwäsche- und Kriminalitätsprävention. Der aktuelle Reformvorschlag setzt dagegen – ganz traditionell – allein auf strafrechtliche Verschärfungen; es ist zu befürchten, dass er in erster Linie gesellschaftliche und wirtschaftliche Kosten, aber wenig kriminalistische Erfolge zeitigen wird.
Eine Kurzfassung dieses Beitrags ist im Wirtschaftsdienst (Heft 9, 100. Jahrgang, 2020, S. 650) erschienen.
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- Kurz kommentiert
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Werter Herr Krieger,
Ich habe an der Stelle aufgehört zu lesen:
– Sie berichten „Entscheidend soll nur noch sein, dass eine Person, die damit zum geldwaschenden Täter wird, eine – wie auch immer geartete – kriminelle Herkunft des Geldes in Kauf nimmt bzw. einen illegal beschafften Vermögenswert verbirgt oder verschleiert.“
– Und einen Absatz später argumentieren Sie „Skeptiker befürchten, dass dadurch erhebliche Teile des Vermögens der Deutschen „kontaminiert“ werden, da sich niemand sicher sein kann, ob nicht irgendwann in der Vergangenheit versehentlich ein Geldbetrag mit einem kriminellen Hintergrund angenommen und weitergereicht wurde…“
Bei einem derart eklatanten inneren Widerspruch in direkt aufeinander folgenden Absätzen kann ich den Rest des Textes getrost ignorieren.
Mit freundlichen Grüßen
Frank F.