Gastbeitrag
Chinas Demografie-Wende schafft globalen Inflationsdruck

Das Bevölkerungswachstum Chinas hat sich laut Zensus-Bericht zuletzt weiter abgeschwächt, der Anteil der Arbeitsbevölkerung schrumpft schon seit Jahren. Dieser Abwärtstrends dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Dies wird das Wirtschaftswachstum in China zunehmend bremsen und zu einer höheren Inflation in den Industrieländern beitragen.

Langsames Bevölkerungswachstum

Das Bevölkerungswachstum Chinas hat sich weiter verlangsamt. Das zeigt der Mitte Mai veröffentlichte Bericht zur Volkszählung, die im Zehnjahres-Turnus stattfindet. Zwischen 2011 und 2020 wuchs die Bevölkerung im Durchschnitt gerade einmal um etwas mehr als 0,5% pro Jahr, dem geringsten Plus seit Chinas erster Volkszählung im Jahr 1953 (Abbildung 1).

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Die Zwei-Kind-Politik hat nicht viel gebracht…

Ein maßgeblicher Grund für die seit nunmehr 30 Jahren zu beobachtende deutliche Verlangsamung des Bevölkerungswachstums ist die frühere Ein-Kind-Politik, die auch genau darauf abzielte, dass die chinesische Bevölkerung nicht zu stark wächst. Doch spätestens vor zehn Jahren, als die Ergebnisse der letzten Volkszählung veröffentlicht wurden, hat Peking erkannt, dass diese starke Verlangsamung zu erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Problemen führen würde. Daher haben die Behörden die Ein-Kind-Politik schrittweise gelockert und sind 2015 zur Zwei-Kind-Politik übergegangen.

Tatsächlich stieg die Zahl der Geburten in den Jahren 2016 und 2017 leicht an (Abbildung 2). Allerdings stellte sich dies schnell als ein vorübergehendes Phänomen heraus. In den Folgejahren ging die Zahl der Geburten sogar deutlich zurück. Im Jahr 2020 wurden in China nur noch 12 Millionen Babys geboren, die niedrigste Zahl seit sechs Jahrzehnten. Angesichts dieses geringen Effekts einer ersten Lockerung der Geburtenkontrollen ist es zumindest fraglich, ob die nun wohl diskutierte vollständige Aufhebung der Beschränkungen den ungünstigen Trend bei den Geburten nachhaltig ändern kann.

Mittelfristig wird die Bevölkerung Chinas damit sogar schrumpfen. Denn die Fertilitätsrate, d.h. die durchschnittliche Anzahl der Kinder, die von Frauen während ihrer reproduktiven Jahre geboren werden, lag im Jahr 2020 nur noch bei 1,3 und damit weit unter dem Wert von 2,1, der notwendig wäre, um das aktuelle Bevölkerungsniveau mittel- bis langfristig stabil zu halten.

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… und kann das Schrumpfen der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nicht aufhalten

Während die Gesamtbevölkerung derzeit noch wächst, erreichte der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bereits 2010 ihren Höhepunkt und schrumpft seitdem Jahr für Jahr (Grafik 3). Eine Projektion der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2019 deutet darauf hin, dass selbst im besten Fall (die Fertilitätsrate würde im Laufe der Zeit auf 2,0 steigen) der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den kommenden Jahrzehnten weiter sinken wird, bevor sich dieser um das Jahr 2055 stabilisieren sollte. Tatsächlich ist Chinas Fertilitätsrate mit etwa 1,3 im Jahr 2020 jedoch bereits schlechter als das pessimistische Szenario der Vereinten Nationen, bei dem der Anteil der 15 bis 64-jährigen bis kurz vor das Ende dieses Jahrhunderts stetig fallen wird und dann weniger als 50% betragen wird (Abbildung 3).

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Der demografische Trend schlägt sich auch in der Zahl der Wanderarbeiter nieder. Laut einem weiteren Bericht des Nationalen Statistikamtes Chinas hat sich das Wachstum der Zahl der Wanderarbeiter im letzten Jahrzehnt spürbar verlangsamt. Im Jahr 2020 war deren Zahl sogar zum ersten Mal niedriger als im Jahr zuvor (Abbildung 4). Teilweise sollte dies auf die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen zurückzuführen sein, aber der zugrunde liegende Trend wird wohl auch in den kommenden Jahren nach unten zeigen. Offensichtlich ist das lange Zeit schier unerschöpfliche erscheinende Arbeitskräftepotenzial der chinesischen Landbevölkerung allmählich erschöpft.

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Gleichzeitig werden Chinas Wanderarbeiter immer älter. Mittlerweile ist rund die Hälfte von ihnen mindestens 40 Jahre alt, vor gut zehn Jahren waren dies noch etwa 30%. Infolgedessen hat sich die Mobilität der Wanderarbeiter verringert. So zeigen offizielle Erhebungen, dass mehr Wanderarbeiter innerhalb ihrer Heimatprovinz arbeiten wollen, anstatt eine lange Reise in die Küstenregionen zu unternehmen.

Die Folgen: Deutlich langsameres Wachstum im Inland …

Eine ähnliche demografische Entwicklung, wie sie sich für China ankündigt, ist bereits seit Jahrzehnten in Japan zu beobachten. Dort hat sich als Konsequenz das Potenzialwachstum – also das Wirtschaftswachstum, das unter Auslastung der Produktionskapazitäten auf Dauer erreichbar ist – deutlich verlangsamt, seit die Erwerbsbevölkerung in den 1990er Jahren zu schrumpfen begann.

Insofern werden sich die wirtschaftlichen Aussichten Chinas bei schrumpfender Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter deutlich eintrüben. Denn der von der Demografie engelegte Rückgang der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter dürfte kaum durch einen signifikanten Anstieg der Partizipationsrate der Älteren kompensiert werden können. Angesichts der Produktivitätsprobleme Chinas (siehe Woche im Fokus – Chinas Produktivitätsdesaster) ist es auch unwahrscheinlich, dass der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter durch die eine höhere Produktivität kompensiert werden kann. Damit ist der demografische Wandel neben der zunehmenden Bedeutung staatlicher Unternehmen und dem anhaltenden Handelskonflikt mit den USA und anderen westlichen Ländern ein wesentliches Argument dafür, dass sich die Wachstumsraten der chinesischen Wirtschaft in den nächsten Jahren spürbar abnehmen werden.

… und höhere Inflation weltweit

Selbstredend wird ein langsameres Wachstum in China auch die wirtschaftliche Entwicklung in Europa und den USA bremsen. Die Folgen für die Inflation könnten jedoch weitaus gravierender sein. Billige Importe aus China und der Abwärtsdruck auf die Löhne in Europa und den USA, der durch die Konkurrenz von Niedriglohnarbeitern in China (und aus anderen Schwellenländern) verursacht wird, waren bisher ein wichtiger Grund für die niedrige Inflation in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften.

Mit der demografischen Wende in China wird hingegen der Inflationsdruck auf globaler Ebene wohl wieder zunehmen. Wenn in China weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, wird sich Arbeit verteuern, was letztlich auch auf die Warenpreise umgeschlagen werden wird. Die Importe aus China werden teurer, und der Konkurrenzdruck für die Arbeitnehmer in Europa und Nordamerika wird sich tendenziell verringern.

Verstärkt wird dies durch den weltweit wieder zunehmenden Protektionismus. Mittlerweile hat sich auch der Handelsstreit zwischen den USA und China zementiert, erst jüngst hat sich die EU auf die Seite der USA gestellt. Mit zunehmenden Tendenzen der De-Globalisierung wird die Verhandlungsmacht der Arbeitskräfte in westlichen Industrieländern steigen, was die Inflation zusätzlich antreiben dürfte.

Hao Zhou und Marco Wagner

3 Antworten auf „Gastbeitrag
Chinas Demografie-Wende schafft globalen Inflationsdruck“

  1. Frage an die Verfasser:
    Kann man diesem Zensus überhaupt trauen? Andere Kommentare meinen, dass die Bevölkerung Chinas bereits in den letzten Jahren schrumpft und dies durch die offiziellen Zahlen verschleiert wird.

  2. Dear Professor Knoll,
    I think the question on China’s data always exists, which would lead me to say that the trend is clear that China’s working age population is shrinking, and the total dependency ratio has been on the rise. On data itself, the thing is that if we don’t follow China’s official data, then we can’t trust UN projection as well which is based on China’s official figures. It is much easier regarding other data, e.g. Chinese imports which may be easily cross-checked by other countries exports to China. It is much more difficult – if not impossible – for Chinese proprietary data.
    Kind regards!

  3. Thank you very much!
    What I implicitly wanted to suggest is that the consequences of the results of your careful analyses are even more far reaching, if the rumors concerning an already shrining Chnese population were true.

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