„Die Energiewende in ihrem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf“ (frei nach Erich H.)
Dass Sprache unser Handeln bestimmt, ist unstrittig. Ob in der Politik die Sprache aber das eigentliche Handeln ist, wofür Robert Habeck in seinem Buch „Wer wir sein könnten. Warum unsere Demokratie eine offene und vielfältige Sprache braucht“ plädiert (2018, S. 17), darf man gewiss hinterfragen.
Politische Narrative finden sich ganz besonders in der Klimapolitik, in der fortwährend hehre Ziele („Rettung des Klimas“ und „Rettung der Menschheit“) für das Handeln der Politiker vorangestellt werden und die zu hinterfragen sich die politischen Akteure verbitten. Politische Narrative können die eigentlichen Zusammenhänge kaschieren und andere kritische Auffassungen gar nicht erst zulassen. So soll z.B. ein vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenes Forschungsprojekt gezielt die „Narrative einer erfolgreichen Transformation zu einem ressourcenschonenden und treibhausgasneutralen Deutschland“ erarbeiten (vgl. UBA 2021). Robert Habeck plädiert für mehr politische Sensibilität für das, was Sprache bewegen, aber auch anrichten kann: „Denn wie wir sprechen, entscheidet darüber, wer wir sind“ (Habeck 2018, S.11). In diesem Sinne wollen wir die „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“, die erste unter dem neuen Wirtschaftsminister Robert Habeck verfasste Publikation (BMWK 2022), auf logische Zusammenhänge und innere Widersprüche untersuchen.
1. Die sprachlich selbstproklamierte „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ dürfte inhaltlich eher einem energie- und klimapolitischen Offenbarungseid der bisherigen Regierungen gleichkommen, denn wie lautet eine weitere Passage: „die Ausgangslage könnte herausfordernder kaum sein“ (BMWK 2022, S. 2). Diese Verantwortungsabgrenzung – meist verbunden mit einer impliziten Schuldzuweisung an die Vorgänger im Amt – ist in Politik und Wirtschaft üblich und legitim und dient der Etablierung eines Maßstabes, an dem man selbst gemessen werden will. – Aber ist dieses „Tabula rasa“-Prinzip hier tatsächlich zutreffend? Man muss bedenken, dass die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungszeit ja weitgehend die energie- und klimapolitischen Forderungen vor allem der Grünen umgesetzt hat, wie Robert Habeck auch nicht ohne Selbstbestätigung einräumt (2018, S. 22). Und an einer anderen Stelle in der „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ ist davon die Rede, dass es kein „weiter so“ geben darf (BMWK 2022, S. 8), was sich aber nur auf das bisherige Ambitionsniveau (nun noch: ehrgeiziger und rascher), nicht aber auf die politische Richtung und die Instrumente bezieht. – Fazit: Mit der „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ setzt die Ampel-Regierung die bisherige Energie- und Klimapolitik mit noch größerem Engagement fort.
2. „Gute Klimapolitik modernisiert das Land und sichert den Industriestandort Deutschland. Der globale Wettlauf um die klügste Strategie dafür hat begonnen.“ (BMWK 2022, S. 1-2). Dieses hehre Ziel kontrastiert diametral mit den fachlichen Einschätzungen und vorzeigbaren „Erfolgen“. So bezeichnet das Wall Street Journal die Energiewende in Deutschland als die „dümmste Energiepolitik der Welt“ (2019). Der Sachverständigenrat hat die deutsche Klimapolitik im Jahr 2019 als ineffizient, ineffektiv, kleinteilig und teuer bezeichnet (SVR 2019). Die Ampel-Regierung will diesen Kurs noch ambitionierter fortführen, am Ausstieg aus der Kernenergie unbeirrt festhalten, den Ausstieg aus der Kohleenergie auf 2030 vorziehen und realisiert dabei nicht, dass kein anderes Land auf dieser Welt diesem Kurs gefolgt ist. Deutschland steht mit seinem nationalen Alleingang, aus der Kernenergie und gleichzeitig aus der Kohleenergie auszusteigen, mutterseelenallein da. Dies hat die surreal anmutende Diskussion mit dem eher folkloristischen Protest der Ampel-Regierung über die EU-Taxonomie zu Jahresanfang deutlich gemacht. Der Alleingang scheint zu verdeutlichen, dass Deutschlands diesen globalen Wettlauf bereits verloren hat. – Eine Umkehrung des Gedankens führt unweigerlich zur Frage: Wenn gute Klimapolitik das Land modernisiert und den Standort sichert, was tut aber dann schlechte Klimapolitik? Ein Schelm, der Böses dabei denkt …
3. Die Zielvorstellungen des Bundeswirtschaftsministers sind äußerst ambitioniert: Es soll eine Verdreifachung der Geschwindigkeit der Emissionsminderung, eine mehr als Verdreifachung der installierten PV-Leistung, eine Verdoppelung des Windkraftausbaus und eine mehr als Verdoppelung der Erzeugung von klimaneutraler Wärme in den bis 2030 noch verbleibenden 8 Jahren erreicht werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck qualifiziert diese Aufgabe zu Recht als „gigantische Herausforderung“ und als „Herkulesaufgabe“ (S. 12). Diese Selbstzuschreibung und Gleichsetzung Habeck = Herkules könnte vielleicht dem wichtigen Aspekt der Selbstmotivation geschuldet sein. Letztlich dürfte es sich aber um eine euphemistische Umschreibung eines unrealisierbaren Idealzustandes handeln, was man seit Thomas Morus auch „Utopie“ nennt. Leider fällt einem hier bildlich der Zielüberbietungswettbewerb der Politiker ein: Sie überbieten sich mit immer ambitionierteren klimapolitischen Zielvorstellungen, ohne überhaupt nur darüber zu diskutieren, ob sie die geeigneten Instrumente überhaupt besitzen (vgl. Müller-Salo/Pritzl 2021). – Wie schreibt Robert Habeck treffend in seinem Buch: „Wer seine Position nur moralisierend begründet, ist oft unterlegen, meistens aufdringlich und vor allem selten anschlussfähig.“ (2018, S. 99). Die politische Anschlussfähigkeit von Utopien ist naturgemäß eher gering.
4. Das Bundeswirtschaftsministerium spricht von „Klimaschutz-Sofortmaßnahmen“ (z.B. S. 8), die dringend notwendig und unverzüglich zu ergreifen sind. In einem alarmistischen Tonfall wird zu raschem Handeln gedrängt, um die „katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise“ (S. 32) noch zu vermeiden. Im Gegensatz dazu bemüht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in der Pressekonferenz vom 10.1.2022 das Bild von einem „Ultra-Marathonlauf“. Doch jedermann weiß, dass es Kurzstrecken-, Mittelstrecken- und Langstreckenläufer gibt, die jeweils völlig unterschiedlichen Ansprüchen genügen müssen. Es würde realistischer Weise niemandem einfallen, einen Ultra-Marathonlauf mit einem Kurzstreckensprint gleich auf den ersten Metern zu beginnen. Nur das BMWK scheint den Ultra-Marathon „Klimaneutralität Deutschlands 2045“ gleich mit einem „Sofortprogramm-Sprint“ beginnen zu wollen. – „Glück auf!“ in der Bergmannsprache.
5. Die Ampel-Regierung weist dem Ausbau der erneuerbaren Energien die höchste politische Priorität zu und deklariert sie zum „überragenden öffentlichen Interessen“ und zur „nationalen Sicherheit“ (S. 14), die allen anderen gesellschaftlichen Zielen voranstehen. Dies sollte man vor dem Hintergrund beurteilen, dass Deutschland sich sämtlicher versorgungssicherer Energieträger selbst beraubt (hat) und sich energiepolitisch in eine derzeit geopolitisch brisante Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland hineinmanövriert hat. Angesichts dieses energiepolitischen Versagens gibt es politisch schlichtweg gar keine andere Möglichkeit mehr, als den Ausbau der erneuerbaren Energien nun mit allerletzter Verzweiflung und in einem staatsbürgerlichen Akt eines „ökologischen Patriotismus“ (so Robert Habeck auf der Pressekonferenz mit Ministerpräsident Markus Söder am 20.1.2022) zu betreiben. Da ein pragmatischer Weiterbetrieb der Kernkraftwerke aus ideologischen Gründen für die Grünen schlichtweg unmöglich ist, erscheint der alleinige Fokus auf die erneuerbaren Energien (und hilfsweise noch die Errichtung von zahlreichen Gaskraftwerken) als letzte Rettung aus der energiepolitischen Sackgasse. – Robert Habeck ist der Meinung: „Moral muss man übersetzen. Und Wahrheit muss man pluralisieren. Es gibt meist mehr als eine“ (2018, S. 101). Eine solche Relativierung oder Uminterpretation der Wahrheit erscheint höchst eigenwillig.
6. Das BMWK scheint die grundlegende Problemstruktur der Klimapolitik als globales, nicht ausschließbares öffentliches Gut noch immer nicht verstanden zu haben bzw. nicht verstehen zu wollen. Andernfalls würde es nicht das Einhalten des 1,5 Grad-Pfades Deutschlands zum alleinigen Maßstab der eigenen Klimapolitik machen. Dem Klima dürfte es vermutlich völlig egal sein, ob Deutschland als emissionskleines Land (kaum 2 Prozent der weltweiten THG-Emissionen) seinen selbstgesteckten 1,5 Grad-Pfad einhält oder nicht. Die „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ listet aber in buchhalterischer Akribie und Gründlichkeit detailliert auf, welcher einzelne Sektor in welchem Jahr seine Emissionsminderungsziele um wieviel verfehlt hat. Die „Zielerreichungslücke“, die es jahresgenau und sektorscharf zu schließen gilt, bildet das geflügelte Wort und soll den Menschen verdeutlichen, was als sogenannte „Klimaschuld“ von jedem einzelnen im Handeln unbedingt zu beachten ist. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass nur klimaneutrales Handeln in allen Situationen den Menschen vor dem angedrohten „schlechten Klimagewissen“ schützt. Und zur einer solchermaßen „klimaneutralen Bundesverwaltung“ zählt natürlich auch der Kantinenbetrieb (S. 11): Die Veggi-Day-Diskussion aus dem Jahr 2013 lässt grüßen.
7. Es ist selbstreferenzielle klimapolitische Bauchnabelschau, wenn Deutschland die nationale Einhaltung des 1,5 Grad Pfades weiterhin zu seinem Schwerpunkt für die Klimapolitik macht. Deutschland erliegt auch hier wieder einer unheilvollen Realitätsillusion, wenn es das Ziel der Stabilisierung des Weltklimas allein durch ambitionierte nationale Anstrengungen zu erreichen versucht (vgl. Pritzl 2020). Eine effektive Klimapolitik muss sich vielmehr daran orientieren, dass der 1,5 Grad-Pfad weltweit – oder zumindest von den Hauptemissionsländern – eingehalten wird und dafür internationale Verhandlungslösungen anstreben. Effektive Klimapolitik muss eine Klimaaußenpolitik sein, was im Koalitionsvertrag ja auch festgelegt ist. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht nur wohlmeinende Bekundungen bleiben, sondern das BMWK (zusammen mit dem Auswärtigen Amt) tatsächlich internationale Verhandlungen anstrebt, um einen einheitlichen CO2-Preis möglichst weltweit zur Anwendung zu bringen (S. 23).
8. Sachverhalte werden nicht dadurch wahr, dass man sie verbalisiert und kommuniziert. Insofern ist Sprache nicht gleich Realität, und Sprache steht dann – ganz im Gegensatz zum eingangs genannten Petitum von Robert Habeck – eher für Nicht-Handeln. Die Zustandsbeschreibung: „Die deutsche Klimapolitik ist eng mit der EU-Klimapolitik verbunden“ (S. 5) und die programmatische Aussage: „Wir brauchen … eine stärkere europäische Ausrichtung unserer Klima- und Energiepolitik“ (S. 32) sprechen jedenfalls der Tatsache Hohn, dass Deutschland mit seinem nationalen Alleingang beim Kernenergieausstieg im Jahr 2011 und mit der Einführung des EEG im Jahr 2000 keinerlei Rücksicht auf die europäische Energie- und Klimapolitik genommen hat. Vielmehr hat Deutschland die negativen Auswirkungen seiner Energiepolitik auf seine Nachbarn abzuwälzen versucht und den gesamteuropäischen Zusammenhang der Emissionsminderung durch das Europäische Emissionshandelssystems (EU-ETS) lange Jahre bestritten.
9. Gleichheit und Gerechtigkeit scheinen dem BMWK wichtiger zu sein als Effizienz und Innovation. Dies ist für ein Wirtschaftsministerium, in dem Ludwig Erhard als Wirtschaftsminister die Grundlagen für die soziale Marktwirtschaft gelegt hat, nicht nur ungewöhnlich, sondern sogar ein Systembruch. Denn „alle Sektoren müssen ihren Beitrag zum Erreichen des Klimazieles leisten“ (S. 8), was doch deutlich einer marktlichen Koordinierung und einem sektorübergreifenden CO2-Preis widerspricht. Wie dann gleichzeitig auch das Ziel des BMWK erreicht werden soll, privates Kapital für den Klimaschutz zu mobilisieren und Klimaschutz als Geschäftsmodell im Gebäudesektor auszugestalten (S. 28), ist angesichts dieser marktskeptischen Sichtweise unverständlich. Marktliche Orientierung und Technologieoffenheit bilden die Grundvoraussetzung dafür, dass deutsche Unternehmen neue klimaneutrale Technologien und Verfahren entwickeln und in den Markt bringen. Nur so können sie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern und von der Transformation zur Klimaneutralität profitieren. Das Papier des BMWK lässt diesen marktoptimistischen und technologiefreundlichen Geist allerdings (fast) vollständig vermissen.
10. Auch wenn es das erklärte Ziel von Robert Habeck ist, „Bürokratie, die die Transformation hemmt, abzubauen sowie Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen“ (S. 9), so dürften gerade die neu angekündigten Gesetze und bürokratischen Reglementierungen in allen Bereichen vermutlich exakt das Gegenteil der Entbürokratisierungs- und Beschleunigungszielvorstellung bewirken. Und auch die vielen neu geschaffenen Stellen in der Ministerialverwaltung in Berlin (vgl. Greive 2022) verbunden mit einer staatsoptimistischen Gestaltungsvorstellung deuten eher darauf hin, dass staatliche Regulierung und Bürokratisierung deutlich zunehmen und die individuelle Freiheit der Konsumenten und Produzenten weiter eingeschränkt wird.
11. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu erkennen, dass die angekündigte drastische Beschleunigung der Energiewende enorme weitere gesamtwirtschaftliche Kosten hervorrufen wird. Das EEG-Fördervolumen wird sicher weiter zunehmen aufgrund der eher weniger geeigneten Lagen. Der flächendeckende Bau neuer Gaskraftkraftwerke mit bis zu 40 GW Leistung wird erhebliche private (oder aber staatliche) Investitions- oder Fördermittel benötigen. In der Förderpolitik im Gebäudebereich (z.B. „Bundesprogramm Energieeffiziente Gebäude“) sind mittlerweile nicht mehr darstellbare Fördervolumina erreicht, die einen „Förderstopp“ erzwungen haben und eigentlich ein unverzügliches Umsteuern aus haushaltspolitischer Sicht erfordern. Und die Carbon Contracts for Difference (CCfD) werden zu einer hohen Dauersubventionierung ganzer Branchen führen, die möglicherweise in einer staatlich gelenkten Subventionswirtschaft – oder wie BDI-Präsident Siegfried Russwurm formuliert – „energetische Staatswirtschaft“ enden wird (vgl. o.V. 2022). Das Nachsehen werden vor allem die mittelständische Wirtschaft und die Handwerksbetriebe haben, die bei der Subventionierung leer ausgehen und nicht von ermäßigten Strompreisen profitieren, sowie überhaupt die Steuerzahler, die letztlich alles zu schultern haben werden.
12. Es ist en vogue, politische Narrative zu bedienen. Märchenerzählen ist Bestandteil der politischen Rhetorik. Daher verwundert es nicht, wenn das BMWK einen Idealzustand euphemistisch umschreibt: „Eine auf Erneuerbare Energien beruhende Energieversorgung garantiert deutlich höhere heimische und dezentrale Wertschöpfung als das bisherige Energiesystem, welches zu weiten Teilen auf dem Import von fossilem Öl, fossilem Gas und Steinkohle basiert“ (S. 11). Ja, ja, der „Glaube versetzt Berge“, ob dies aber auch hier der Fall ist, mag man zurecht bezweifeln. Dass der Industriestandort Deutschland seinen gesamten Energieverbrauch wohl kaum mit den nur im Inland erzeugten Windkraft und PV-Anlagen wird decken können, sondern auf einen erheblichen Import von im Ausland gewonnener dekarbonisierter Energie (v.a. in Form von Wasserstoff) angewiesen ist, wird nur am Rande vermerkt (S. 11), aber vom BDI-Präsidenten Russwurm hingegen deutlich angemahnt (vgl. o.V. 2022). Sprache scheint auch hier eher Nicht-Handeln zu kaschieren. – Dietmar Bartsch hat dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in diesem Zusammenhang denn auch „Klimaheuchelei“ vorgeworfen (zitiert in: Doll 2022), weil Deutschland auf den Import von Atom- und Kohlestrom in den nächsten Jahren aus den Nachbarländern angewiesen sein wird. Aber diese Vorhaltung hat Robert Habeck wahrscheinlich nicht wirklich ernst genommen angesichts der erheblich schwerer wiegenden moralisch empfundenen „Klimaschuld“. Denn auch hier scheint der Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit durch ein moralisch-orientierte Semantik nur beschönigt zu werden.
13. Die Passage: „Insgesamt ändern sich dadurch die Emissionen in Europas Stromsektor nicht, da diese durch den EU-Emissionshandel begrenzt werden“ (S. 14) sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Denn hier wird in einem Papier des BMWK die Wirkung des EU-ETS offiziell anerkannt, nach dem es im europäischen Maßstab also egal ist, ob in Deutschland die CO2-Emissionen hinauf- (Abschaltung der letzten Kernkraftwerke, dadurch vermehrter Einsatz von Kohle) oder heruntergehen. Es hat viele Jahre gebraucht, bis diese grundlegende Erkenntnis in der deutschen Energie- und Klimapolitik gereift ist und anerkannt wurde (vgl. Wissenschaftlicher Beirat 2016).
14. Paradox ist der Wechsel der Grünen von einer Naturschutz- zu einer Klimaschutzpartei. Verniedlichend wird davon gesprochen, vor allem durch „Rechtsänderungen“ (S. 19) die bisher langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen und den Netzausbau beschleunigen zu wollen. Im Klartext heißt das, dass die Beteiligungs- und Einspruchsmöglichkeit für Bürgerinitiativen, die seit Jahrzehnten das treueste politische Klientel der Grünen sind, beschränkt werden sollen. Und in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten waren es doch gerade die Grünen, die diese umfangreichen Beteiligungs- und Einspruchsmöglichkeiten durchgesetzt und so (fast) alle Infrastrukturvorhaben (auch von doch erwünschten Bahntrassen) zeitlich verschleppt oder nahezu unmöglich gemacht haben. Es bleibt spannend, wie die vielen Bürgerinitiativen hierauf reagieren und die Grünen als Partei diesen politischen Spagat bewältigen werden.
Robert Habeck beendet sein Buch mit der Aussage: „Politik ist Sprache, und Sprache ist Politik. Wenn sie eine Wirklichkeit schafft, dann ist immer auch die Frage, welche Wirklichkeit sie schafft“ (2018, S 127). Welche energie- und klimapolitische Wirklichkeit Robert Habeck mit seinen Aussagen in der „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ zu erschaffen versucht, wird allerdings ein Rätsel bleiben …
Literaturverzeichnis:
BMWK (2022): Eröffnungsbilanz Klimaschutz, Berlin, online abgerufen am 25.1.2022 unter: Eröffnungsbilanz Klimaschutz (bmwi.de).
Doll, Nikolaus (2022): Vorwurf „Klimaheuchelei“ – Regierung weiß nicht, wie importierter Strom erzeugt wird, in: Welt vom 19.1.2022.
Greive, Martin (2022): Ampelkoalition gönnt sich Regierung in XXL-Format, in: FAZ vom 12.1.2022, S. 8.
Habeck, Robert (2018): Wer wir sein könnten. Warum unsere Demokratie eine offene und vielfältige Sprache braucht, Köln.
Müller-Salo, Johannes/ Pritzl, Rupert (2021): Gerechtigkeit und Effizienz in der Klimapolitik, in: Wirtschaftsdienst, 101. Jahrgang, Heft 12, S. 971–976.·
o.V. (2019): World’s Dumbest Energy Policy: After giving up nuclear power, Germany now wants to abandon coal, Wall Street Journal online, 29.1., online abrufbar unter: https://www.wsj.com/articles/worlds-dumbest-energy-policy-11548807424
o.V. (2022):Gabor Steingart Newsletter vom 14.1.2022, online abrufbar unter: USA: Trump lebt | Sigmar Gabriel: Mehr Härte wagen (gaborsteingart.com)
Pritzl, Rupert (2020): Warum ist die Klimapolitik in Deutschland so unbefriedigend, online abrufbar unter: Gastbeitrag Warum ist die Klimapolitik in Deutschland so unbefriedigend? Einige politökonomische und psychologische Aspekte des Politikerverhaltens – Wirtschaftliche Freiheit
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) (2019): Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik: Sondergutachten, Berlin.
Umweltbundesamt (UBA)(2021): Narrative einer erfolgreichen Transformation zu einem ressourcenschonenden und treibhausgasneutralen Deutschland. Erster Zwischenbericht, Dessau.
Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi (2016): Die essentielle Rolle des CO2-Preises für eine effektive Klimapolitik, Berlin, Online im Internet: URL: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/wissenschaftlicher-beirat-rolle-co2-preis-fuer-klimapolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=20.
Hinweis: Dr. Rupert Pritzl, Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und Dozent an der FOM Hochschule, München, gibt seine persönliche Meinung wieder.
- Gastbeitrag
„Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ und die ambivalente grüne Klimarhetorik
Eine Dechiffrierung der Sprache des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck - 13. Februar 2022 - Gastbeitrag
Mehr Fortschritt wagen – auch in der Klimapolitik?
Einige politökonomische Überlegungen zum Koalitionsvertrag und zur Klimapolitik der neuen Ampel-Regierung - 1. Januar 2022 - Gastbeitrag
Warum ist die Klimapolitik in Deutschland so unbefriedigend?
Einige politökonomische und psychologische Aspekte des Politikerverhaltens - 8. Dezember 2020
Die Grünen leben in einer Welt der Illusionen. Mit blos 15% Zustimmung der Wähler und Wälherinnen will der Philosoph Habeck das unmögliche Wunder der Energieautarkie auf der
Basis von Wind und Sonne herbeiführen. Beide Energiequellen sind naturgemäss ziemlich
variabel und unzuverlässig, was rein rechnerisch zwar lösbar ist, allerdings realistischerweise
niemals in der geforderten Zeitspanne möglich ist. Von den dazu notwendigen Kosten, die nicht einmal ansatzweise benennt werden, ganz zu schweigen. Die Widersprüche der grünen Ideologie werden immer offesichtlicher: Naturschutz um jeden Preis, aber jetzt sollen intakte Wald- und Landwirtschaftsgebiete verbaut und somit eigentlich zerstört werden. (noch vor kurzer Zeit ketteten sich Aktivisten an Bäume, weil ein winzig kleines Waldstück hätte gerodet werden sollen – und jetzt, wenn für die Gigawindräder hunderte Hektaren bester Wald umgeschlagen werde soll, wo sind die Aktivisten?) AKW’s werden abgebrochen, obwohl sie
noch 30 Jahre günstigen Strom fast CO2 frei liefern könnten. Welche Milliardenverlochung!
Gaskraftwerke für ebensoviele Milliarden sollen dafür den fehlenden Strom liefern, allerdings mit weit höherem CO2 Ausstoss. Die Abscheidung von CO2 im Untergrund konnte dank Habeck mit seinem naturwissenschaftlichen und technischen Unverstand verhindert werden:
Auch das ein Verlust in Milliardenhöhe. Weiter Beispiele könnten aufgezählt werden.
Fazit: Die Grünen wollen zwar die Fehler der vorhergehenden Regierung wortreich korrigieren,
machen aber genau so schlecht bzw. noch schlechter weiter. Grüne Wirtschaftspolitik
ist weder ökologisch noch ökonomisch und mit wenigen Ausnahmenden (PV, Windenergie und E- Autos) gegenüber neuenTechnologien äusserst zurückhaltend wenn nicht sogar feindlich
eingestellt. Dabei sind vielversprechende neue Entwicklungen im Gange: AKW‘ s der 4. Generation, CO2 Endlagerung im Untergrund, neuartige Methoden zur Aufarbeitung der
heute noch Endlager suchenden ausgebrannten Brennstäbe aus den bisherigen Reaktoren.
Diese Methode (NZZ 12.02.22) hat zum Ziel, die Endlagerung überflüssig zu machen, da die problematischen langlebigen radioaktiven Isotope durch Neutroenbestrahlung in solche mit sehr kurzer Halbwertszeit umgewandelt werden können. Die Grünen wollen Gorleben auf keinen Fall, aber Habeck und seine super Berater wollen bestimmt auch diese in Belgien entwickelte Technologie nicht – sie könnte ja zu gefährlich sein. Irgendwie fehlt da der Sachverstand und auch gesunder Menschenverstand. Man könnte auch sagen: Brett vor dem Kopf. Und das könnte schmerzhaft enden – nicht nur für die Grünen. Das Gesagte gilt z.T. leider auch für die Schweiz. Prof. Fritz Varenholt und Sebastian Lüng haben ja all das und noch einiges mehr bestens und allgemeinverständlich in ihrem Buch „Unerwünschte Wahrheiten“ dargestellt.
Dem Artikel und auch dem Kommentar von Hugo Vogel ist inhaltlich nichts hinzuzufügen. Sehr sachlich und analytisch aufbereitet und durchaus vornehm zurückhaltend formuliert! Bravo…..
Was ich vermisse, ist der Aufschrei der Opposition! Und zwar lautstark im Parlament und in den Gremien. Mein Eindruck ist, dass der Journalisten-Mainstream bereits so weit fortgeschritten ist und Einzug in die Öffentlich-Rechtlichen Medien gehalten hat, dass darüber einfach schlichtweg nicht mehr berichtet wird. Das ist ein grasses Defizit! Man meint geradezu, es gibt überhaupt keine Gegenpositionen zu den Klimahysterikern mehr im Land. Die „Unerwünschten Wahrheiten“ werden schlichtweg ignoriert!
Ich bin z.B. der Meinung, man muß JETZT, also 10 Monate VOR dem Abschalten, die Aktivitäten massif verstärken, den Weiterbetrieb der letzten 3 Kernkraftwerke für 1-5 Jahre zu ermöglichen. Das muß JETZT auf die Tagesordnung! Im Herbst ist es zu spät!