Die geldpolitischen Ankündigungen in Amerika und Europa entsprechen den Wahlzyklen

Die Fed hat angekündigt, dass sie im März anfangen wird, die Zinsen zu erhöhen. Die EZB plant das nicht. In den USA steht die nächste Präsidentschaftswahl Anfang November2024 an. Die nächste französische Präsidentschaftswahl wird im Mai 2022 stattfinden.

Um wiedergewählt zu werden, braucht der amerikanische Präsident rechtzeitig vor der Wahl – nämlich 2023 – eine expansive Geldpolitik. Die Stabilisierungsrezession, die der Inflationsbekämpfung zu folgen pflegt, muss im November 2024 vorüber sein. Das Wahlkalkül spricht für eine baldige Zinserhöhung, damit die Zinsen rechtzeitig vor der Wahl wieder kräftig gesenkt werden können. Außerdem ist die Inflationsbekämpfung in den USA auch deswegen dringender, weil die amerikanische Inflationsrate bereits ein höheres Niveau erreicht hat als die europäische.

Präsident Macron kann vor dem Mai dieses Jahres keine restriktive Geldpolitik gebrauchen. Man mag einwenden, dass sich geldpolitische Schocks überwiegend erst mit einer Verzögerung von etwa einem Jahr auf die Konjunktur auswirken, so dass eine Zinserhöhung jetzt die Konjunktur in Frankreich erst 2023 – nach der Wahl – beeinträchtigen würde. Ein Teil der geldpolitischen Wirkung tritt jedoch sofort – über den Wechselkurs – ein. Im Gegensatz zu den trägen Güterpreisen, die sich nur mit Verzögerung anpassen, ist der Wechselkurs ein hochflexibler Preis, der sofort reagiert. Wenn also die Notenbank die Zinsen erhöht und das Geldmengenwachstum zurückgeht, wertet die Währung sofort auf,und die Exporte schrumpfen.

Auch dass die EZB die derzeitige Inflation des Euro für vorübergehend erklärt, passt zu der Absicht, eine Zinserhöhung zu vermeiden oder zu verzögern. Wenn die Inflation nicht im ersten Halbjahr 2022 zurückgeht, kann die EZB die Zinsen im zweiten Halbjahr – nach der französischen Präsidentschaftswahl – anheben. Madame Lagarde  ist Juristin und, wie sie schon unter Präsident Sarkozy bewiesen hat, in hohem Maße anpassungsfähig.  (Ich denke an den Griechenland- Bailout und die Regulierung der City  of London durch die EU.) Die anderen Mitglieder der von Frankreich geführten Mehrheitskoalition im EZB-Rat haben ein fiskalisches Interesse daran, dass die EZB die monetäre Haushaltsfinanzierung, d.h. ihre Anleihekäufe, möglichst lange fortsetzt und die Zinsen infolgedessen niedrig bleiben.

2 Antworten auf „Die geldpolitischen Ankündigungen in Amerika und Europa entsprechen den Wahlzyklen“

  1. Mir ist ein Fehler unterlaufen. Die französischen Präsidentschaftswahlen finden zwar traditionell im Mai statt, aber in diesem Jahr sind die beiden Wahlgänge auf den April vorgezogen worden. Wichtig ist auch, dass im Juni das französische Abgeordnetenhaus gewählt wird. Dazu passt, dass die EZB erst im Juli mit den Zinserhöhungen beginnt.

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