Sollte die Bundeswehr durch private Militärdienstleister unterstützt werden?

Die Bundeswehr scheint seit geraumer Zeit an mangelnder Einsatzfähigkeit zu leiden. Vor diesem Hintergrund und des Konflikts in der Ukraine wurde durch die Regierung eine Erweiterung des Wehretats auf dem Weg gebracht, die mit dem Euphemismus „Sondervermögen“ überschrieben wurde.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob man die bestehenden Wehrstrukturen mit den zu Verfügung gestellten Mitteln erweitern und verbessern oder ob man diese Mittel vielleicht effektiver zur Verpflichtung von privaten Militärdienstleistern, die Kampf- oder Ausbildungsaufgaben übernehmen können, einsetzen sollte.

Vorteile privater Militärdienstleister

Der Einsatz privater Militärdienstleister hätte bestimmte Vorzüge: Zum einen wären sie schnell verfügbar (Schreier/Caparini 2005; Singer 2006) und zum anderen könnten sie Leistungen erbringen, die das deutsche Militär – aller Voraussicht nach – zumindest gegenwärtig nicht erbringen kann (allgemein für das reguläre Militär siehe Wulf 2010). Da bei ihnen die Vorhaltekosten wegfallen und sie selbst aufgrund ihres Einsatzes Skaleneffekte realisieren können, wäre zudem zu vermuten, daß private Militärdienstleister geringere Kosten verursachen als reguläres Militär. Weiterhin spricht die private Organisation dieser Unternehmen dafür, daß sie ein höheres Innovationspotential aufweisen als das reguläre Militär (McFate 2015, S. 46).

Kritische Aspekte des Einsatzes privater Militärdienstleister

Aus ökonomischer Sicht hat die Verpflichtung derartiger Unternehmen allerdings auch erhebliche Nachteile:

Der Markt für derartige Dienstleister ist nicht besonders transparent (Ramirez/Wood 2019); potentielle Aufraggeber haben große Schwierigkeiten, die notwendigen Informationen über Qualität und die Kapazitäten eines Anbieters zu erhalten (Tkach 2020). Dadurch entsteht die Gefahr der adversen Selektion: Es werden Anbieter verpflichtet, die den Erwartungen des Auftraggebers nur ungenügend entsprechen. Kommt zu diesem Sachverhalt noch Dringlichkeit hinzu, können die Anbieter aufgrund ihrer Verhandlungsmacht Preise durchsetzen, die das ursprüngliche Ansinnen – die militärische Leistung kostengünstiger zu beschaffen – konterkarieren können.

Ein weiteres Problem ergibt sich beim direkten Einsatz der privaten Militärdienstleister: So kann der Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Dienstleister nicht alle Eventualitäten – insbesondere im Einsatzgebiet – berücksichtigen. Der Vertrag wird daher große Spielräume aufweisen, die vom Leistungsanbieter zu seinen Gunsten ausgelegt werden können (Petersohn 2017). Hierzu kommt, daß die Überwachungsmöglichkeiten des Klienten insbesondere bei Auslandseinsätzen erheblich eingeschränkt sind (Cockayne 2007). Diese Rahmenbedingungen – ein unvollständiger Vertrag und eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten – eröffnen privaten militärischen Dienstleistern erhebliche diskretionäre Verhaltensspielräume. Verhaltensweisen wie moral hazard und shirking sind daher zu erwarten. Dies kann sich darin äußern, daß private Militärdienstleister die erforderliche Sorgfältigkeit missen lassen (Schreier/Caparini 2005; Ramirez/Wood 2019) oder daß sie gar – um das eigene Personal und die eigene Ausrüstung zu schützen – Gefechte vermeiden oder lediglich Scheingefechte eingehen (Höbelt 2010, 134). Zudem besteht die Gefahr mangelnder Loyalität derartiger Unternehmer: Da sie am Gewinn interessiert sind, muß der Auftraggeber damit rechnen, daß private Militärdienstleister insbesondere dann, wenn der Auftraggeber in Kalamitäten gerät, damit drohen, sich vom Auftraggeber abzuwenden oder das tatsächlich auch tun. Zudem hat sich in der Vergangenheit gezeigt, daß private Militärdienstleister derartige Spielräume genutzt haben, um zusätzliche Einkommensquellen durch Schmuggel und Menschenhandel, durch die Organisation von Prostitution, die Erpressung von Lösegeldern und durch Plündern zu erzielen.

Ein weiteres Problem des Einsatzes privater militärischer Dienstleister entsteht in Form der angebotsinduzierten Nachfrage. So hat der Leistungserbringer unter den vorliegenden Rahmenbedingungen erhebliche Möglichkeiten, dem Klienten zusätzliche Leistungen zu verkaufen oder gar die Dauer das Konflikts erheblich auszuweiten (Akcinaroglu/Radziszewski 2013).

Weiterhin können sich aus dem Einsatz privater Militärdienstleister Rückwirkungen auf den Auftraggeber ergeben. Hier ist zum einen der Reputational Risk-Effekt zu nennen, der sich darin äußert, daß unziemliches Verhalten des privaten Dienstleisters auf den Auftraggeber zurückfällt und dessen Ruf negativ beeinträchtigt. Zum anderen wird die Bevölkerung im Einsatzgebiet nicht zwischen privaten und regulären Streitkräften unterscheiden. Sollten sich die privaten Militärdienstleister etwas zuschulden kommen lassen, muß damit gerechnet werden, daß Vergeltungsmaßnahmen auch gegen das reguläre Militär durchgeführt werden (Schneiker 2008; Tkach 2020).

Schließlich kann der Einsatz privater Militärdienstleister die innerstaatlichen Machttektonik verändern. So können sich in dieser Situation die Möglichkeiten der Legislative, die Exekutive zu kontrollieren, vermindern. Für die Exekutive eröffnen sich durch den Einsatz von privaten Militärdienstleistern Spielräume, um militärische Konflikte weitgehend unabhängig von der Legislative zu gestalten (Avant 2005, S. 59f.; Godfrey et al. 2014).

Notwendige Rahmenbedingungen des Einsatzes

Der Einsatz privater Militärdienstleister kann also erhebliche Gefahren bergen. Damit er aus deutscher Sicht reibungslos umgesetzt werden kann, bedarf es entsprechender Anreiz- und Kontrollsysteme.

So muß zum einen das adverse Selektions-Problem gelöst und ein Wohlverhalten des privaten Militärdienstleisters im Hinblick auf die oben genannten Gefahren erreicht werden. Zum anderen erscheint es sinnvoll, die Gestaltungsspielräume der Exekutive einzuschränken.

Lösungen des adversen Selektions-Problem erfordern Informationen über die Eigenschaften der Leistungsanbieter. Eine Vorselektion kann dabei durch die Berücksichtigung der Reputation der Anbieter bzw. durch Auswertung vorhandener Informationen (z. B. der Commercial Military Actor Database; Petersohn et al. 2022) erfolgen. Mit entsprechenden Screening-Maßnahmen läßt sich ein Gutteil der verbleibenden ungeeigneten Anbieter aussieben.

Nach Vertragsschluß resultieren – wie wir oben gesehen haben – aus dem unvollständigen Vertrag und den vorhandenen Spielräumen des militärischen Dienstleisters Gefahren für die Qualität und den Umfang der Leistungserbringung. Um diese Gefahren zu reduzieren, muß der Klient in der Lage sein, entsprechendes Verhalten auf Seiten des Leistungsanbieters zu identifizieren und auch wirkungsvoll zu ahnden. Ersteres setzt entsprechende Kontrollmöglichkeiten etwa in Form gut ausgebildeter contract manager voraus (Tkach 2020). Letzteres hingegen erfordert ein ökonomisches oder militärisches Drohpotential. Das ökonomische Drohpotential könnte darin bestehen, Anbieter mit schlechter Leistung von zukünftigen Aufträgen auszuschließen. Das militärische Drohpotential resultiert aus dem Vermögen, wirksame militärische Gewalt zu entfalten.

Die Umgehung der Legislative durch die Exekutive läßt sich durch unterschiedlichste Maßnahmen verhindern (Daumann 2022). Hier wäre es sinnvoll, zum einen ein Lizensierungsverfahren einzuführen. Damit wäre es im Vorfeld möglich, Leistungserbringer auszusondern, die ein Mindestmaß an Standards nicht erfüllen oder die bei Fehlverhalten rechtlich nicht sanktionierbar wären. Zum anderen könnten transparenzschaffende Maßnahmen eingesetzt werden, mit denen die Legislative das Verhalten der Exekutive überprüfen und gegebenenfalls sanktionieren kann. Insbesondere wären hier entsprechende Whistleblower-Regelungen hilfreich.

Schlußfolgerung

Es kann davon ausgegangen werden, daß die Bundesrepublik durchaus in der Lage wäre, die erforderlichen Instrumente, sofern sie nicht sogar schon verfügbar sind, aufzubauen und ein wirksames Monitoring privater Militärdienstleister durchzuführen. Private Militärdienstleister wären also eine durchaus sinnvolle Option unter der Maßgabe, daß die genannten Kontroll- und Sanktionsinstrumente vorhanden und wirksam eingesetzt werden können. Gegen eine derartige Lösung spricht allerdings die vermutlich geringe politische Umsetzbarkeit und der Widerstand des nationalen Militärapparats. Letzter hätte zu befürchten, daß zum einen weitere Schwächen der Wehrfähigkeit aufgedeckt und daß zum anderen finanzielle Ressourcen umgelenkt würden.

Literatur

Akcinaroglu, Seden, und Elizabeth Radziszewski (2013), Private Military Companies, Opportunities, and Termination of Civil Wars in Africa, in: Journal of Conflict Resolution, 57(5), S. 795–821. doi:10.1177/0022002712449325.

Avant, Deborah D. (2005), The Market for Force: The Consequences of Privatizing Security, New York: Cambridge University Press.

Cockayne, James (2007), Make or buy? Principal-agent theory and the regulation of private military companies, in: Chesterman, Simon und Chia Lehnardt (Hg.), From Mercenaries to Market: The Rise of Regulation of Private Military Companies, New York: Cambridge University Press, S. 196–216.

Daumann, Frank (2022), Potential Negative Externalities of Private Military Entrepreneurs from an Economic Perspective, in: Defence and Peace Economics, S. 1-21. https://doi.org/10.1080/10242694.2022.2126213

Godfrey, Richard, Jo Brewis, Jo Grady, und Chris Grocott (2014), The private military industry and neoliberal imperialism: Mapping the terrain, in: Organization, 21(1), S. 106-125. doi:10.1177/1350508412470731.

Höbelt, Lothar (2010), Götterdämmerung der Condottieri. Der Dreißigjährige Krieg, in: Förster, Stig, Christian Jansen, and Günther Kronenbitter (Hg.), Rückkehr der Condottieri? Krieg und Militär zwischen staatlichem Monopol und Privatisierung: Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn, München, Wien, Zürich: Ferdinand Schöningh, S. 128–139.

McFate, Sean (2015), The Modern Mercenary: Private Armies and What They Mean for World Order, New York: Oxford University Press.

Petersohn, Ulrich (2017), Private Military and Security Companies (PMSCs), Military Effectiveness, and Conflict Severity in Weak States, 1990-2007, in: Journal of Conflict Resolution, 61(5), S. 1046–1072. doi:10.1177/0022002715600758.

Petersohn, Ulrich, Vanessa Gottwick, Charlotte Penel, und Leila Kellgren-Parker (2022), The Commercial Military Actor Database, in: Journal of Conflict Resolution, 66 (4-5), S. 899–923. doi:10.1177/00220027211072528.

Ramirez, Mark D., und Reed M. Wood (2019), Public Attitudes toward Private Military Companies: Insights from Principal-Agent Theory, in: Journal of Conflict Resolution, 63(6), S. 1433–1459. doi:10.1177/0022002718797166.

Schneiker, Andrea (2008), Die Selbstregulierung privater Sicherheits- und Militärfirmen als Instrument der Marktbeeinflussung, in: Sicherheit und Frieden (S+F) / Security and Peace, 26(4), S. 214–219.

Schreier, Fred, und Marina Caparini (2005), Privatising Security: Law, Practice and Governance of Private Military and Security Companies, Zugriff am 7. Februar 2022 unter: https://gsdrc.org/document-library/privatising-security-law-practice-and-governance-of-private-military-and-security-companies/.

Singer, Peter W. (2006), Humanitarian Principles, Private Military Agents: Implications of the Privatized Military Industry for the Humanitarian Community, in: Brown Journal of World Affairs, 13(1), S. 105–121.

Tkach, Benjamin (2020), Managerial capacity in conflict environments: Management effects of private military and security companies in Iraq, in: Public Administration, 98, S. 785–800. https://doi.org/10.1111/padm.12650.

Wulf, Herbert (2010), Konflikt, Krieg und Kriegsgewinnler. Liberalisierung der Wirtschaft – Reprivatisierung des Militärs, in: Förster, Stig, Christian Jansen, and Günther Kronenbitter (Hg.), Rückkehr der Condottieri? Krieg und Militär zwischen staatlichem Monopol und Privatisierung: Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn, München, Wien, Zürich: Ferdinand Schöningh, S. 311–323.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert