Effiziente Klimapolitik ist im Grunde ein Klacks. Das Zauberwort heißt „Kostenwahrheit“. Mit Kostenwahrheit ist der Klimawandel erstaunlich leicht zu bewältigen. Für Kostenwahrheit in der Klimapolitik müssen zukünftige Schäden des Klimawandels wissenschaftlich geschätzt und ausnahmslos den heutigen Verursachern mittels Bepreisung von Treibhausgasen in Rechnung gestellt werden. Ein allgemeiner Preis von rund 50 Euro pro Tonne CO2 (genauer, 50 Euro pro Tonne CO2-Äquivalente) wäre der Einstieg. Bis 2030 müsste der Preis jährlich moderat steigen, um Kostenwahrheit dauerhaft sicher zu stellen.
Kein Weg vorbei an Kostenwahrheit
Mit einer Bepreisung von CO2 haben Konsumenten und Produzenten die richtigen Anreize, Emissionen zu mindern und klimafreundliche Technologien zu entwickeln. Damit erübrigen sich viele der derzeitigen staatlichen Regulierungen und Subventionen im Klimabereich. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung erlauben es, andere Steuern zu senken und die Bürger so wieder zu entlasten. Ein CO2-Preis von 50 Euro liegt deutlich tiefer als die Kosten mancher heutiger Lenkungsmaßnahmen, die oft viele Ausnahmen haben und unrealistische Klimaziele in Bereichen und Branchen mit sehr hohen Vermeidungskosten erzwingen wollen.
Kostenwahrheit in der Klimapolitik wäre nur aus zwei Gründen nicht notwendig. Entweder, wenn treibhausgasfreie Energie in Zukunft aufgrund technischer Innovationen in hohem Ausmaß, zu sehr Kosten und zu beliebiger Zeit zur Verfügung stünde. Oder, wenn eine technische Steuerung des Wetters auf regionaler oder sogar lokaler Ebene möglich würde, womit die globale Tendenz zur Erwärmung dank Wettersteuerung an Bedeutung verlöre. Beide technologischen Fortschritte sind vorläufig noch nicht absehbar. Deshalb führt an Kostenwahrheit in der Klimapolitik derzeit kein Weg vorbei.
Länder, die eine an Kostenwahrheit ausgerichtete Klimapolitik verfolgen, werden Mitglieder eines Klimaclubs, andere nicht. Deutschland wäre derzeit kein Mitglied eines solchen Klimaklubs, eventuell hätte Deutschland mit seiner Klimapolitik eine Art Anwartschaft. Im Klimaklub ist der internationale Handel zwischen Klubmitglieder uneingeschränkter möglich. Dies setzt allen einen Anreiz für an Kostenwahrheit orientierte Klimapolitik, um Mitglied des Klimaklubs zu werden.
Kostenwahrheit erhält Wohlstand, ermöglicht Kooperation zwischen Ländern und das Problem des Klimawandels wird erstaunlich leicht bewältigt.
Mehr Kostenwahrheit in Deutschland
Auch die deutsche Klimapolitik wird sich langsam, aber sicher auf deutlich mehr Kostenwahrheit besinnen. Dabei spielt die absolute Überlegenheit von an Kostenwahrheit orientierter Klimapolitik gegenüber allen anderen Politikmaßnahmen und Politikideen mit Blick auf die menschliche Wohlfahrt die zentrale Rolle.
Leider dauert eine Orientierung der Klimapolitik an Kostenwahrheit länger als von vielen erwünscht. Doch die Zeichen stehen gut, dass sich Kostenwahrheit in Deutschland und anderswo in den nächsten Jahren weitgehend durchsetzt. Drei Aspekte dürften in der politischen Diskussion zum Klimawandel eine besondere Rolle für mehr Kostenwahrheit spielen.
(1) Etablierung eines dynamischen 1.5-Grad-Ziel: Bald wird allen klar, dass die Begrenzung der Erderwärmung auf strikt unter 1.5 °C nicht zu erreichen ist. Auch viele Politiker werden es verstehen oder sie haben es bereits verstanden. Doch sie scheuen sich, nun einfach ein neues Ziel zu proklamieren. Zu sehr haben sie auf das 1.5-Grad-Ziel gesetzt und bei Zielverfehlung Katastrophen bis hin zum Ende der Menschheit an die Wand gemalt. Daher bleibt das 1.5-Grad-Ziel. Aber es wird als „dynamisches 1.5-Grad-Ziel“ verstanden. „Dynamisch“ bedeutet dabei, dass die Erderwärmung längerfristig betrachtet unter 1.5 °C bleiben solle. Denn längerfristig unter 1.5 °C zu bleiben wäre „sicherer“ als beispielsweise eine Erwärmung von rund 2 °C oder gar 3 °C längerfristig. Dem würde nahezu kein Klimawissenschaftler widersprechen. „Dynamisch“ bleibt somit das ursprünglich ausgegebene Ziel das 1.5-Grad-Ziel erhalten. Somit verliert kein politischer Entscheidungsträger sein Gesicht. Das dynamische 1.5-Grad-Ziel schafft riesigen Raum für Kostenwahrheit in der Klimapolitik. Denn bei einem dynamischen 1.5-Grade-Ziel wird es problemlos möglich die Frage zu stellen, ob man für eine gewisse Zeit nicht eventuell um 1.5 °C oder gar 1.0 °C über die „dynamischen 1.5 °C“ hinausschießt, wenn sich dadurch in anderen Bereichen für die menschliche Wohlfahrt Vorteile ergeben. Umgekehrt kann man fragen, was es kostet, nicht 2.5 °C Erwärmung zu akzeptieren, sondern mit viel Aufwand möglichst dauerhaft und schnell tatsächlich nahe bei 1.5 °C zu bleiben. Das dynamische 1.5-Grad-Ziel ermöglicht es, ohne sofortige Übermoralisierung über zusätzliche Kosten und zusätzlichen Nutzen von Klimaschutz zu sprechen und auch Politikmaßnahmen ins Auge zu fassen, die zeitweilig zu höheren Emissionen führen, aber anderweitig nutzenstiftend sind.
Dauerhafte Priorität für Klimaschutz: In der klimapolitischen Diskussion behaupten viele gerne, Klimaschutz habe Priorität. Doch gibt es auch andere behaupte und reale Zwänge, sodass Klimaschutz faktisch nicht Priorität hat. Kein Politiker und erst recht kein Klimaaktivist gibt das offen zu. Deshalb wird Klimaschutz bald der Status einer „dauerhaften Priorität“ zugewiesen werden. Das ist durchaus sinnvoll. Der Klimawandel ist nicht vergleichbar mit einem drohenden Meteoriteneinschlag, der die Menschheit auszulöschen droht. Die Abwehr eines solchen Einschlags wäre eine unmittelbare Priorität – man müsste sofort wirklich alles geben, das abzuwenden. Hingegen ist der Klimawandel eher vergleichbar mit einer chronischen Erkrankung, einer Art Rheumatismus, die die Menschheit noch für Jahrzehnte mehr oder weniger plagen könnte. „Unmittelbare Prioritäten“ verdrängen kurzfristig die „dauerhaften Prioritäten“. Tatsächlich beobachten wir das bereits jetzt bei der deutschen Regierungspolitik: Die unmittelbare Priorität in den nächsten Monaten scheint zu sein, am Atomausstieg festzuhalten. Mit der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke bis 15. April 2023 soll der Ausstieg dann vollzogen sein. Der Atomausstieg ist somit der deutschen Politik gemäß ihrem eigenen Handeln unmittelbar wichtiger als ein schneller Kohleausstieg. Auch der Erhalt des materiellen Wohlstands hat für die Regierung unmittelbare Priorität. Denn wer hohe materielle Wohlstandseinbußen hinnimmt, könnte natürlich gleichzeitig einen Atom- und Kohleausstieg vollziehen. Weil dies nicht passiert, ist materieller Wohlstand für die deutsche Regierungspolitik unmittelbar wichtiger als Klimaschutz. Indem nun Klimaschutz zur „dauerhaften Priorität“ deklariert wird, kann anderes unmittelbar prioritär behandelt werden. Eine „dauerhafte Priorität“ wie Klimaschutz behandelt man am besten auch dauerhaft und übertreibt dabei nicht. Kostenwahrheit mit einer adäquaten Bepreisung von CO2 ist dauerhaft gut verträglich, lindert das Klimaproblem und schafft dabei sogar noch Steuerentlastungen anderswo durch die generierten Einnahmen.
Koalition gegen Klimanaivität: Zuletzt dürften die extremeren Klimaaktivisten, wie die berüchtigten „Klimakleber“, bereits einen unerwartet positiven Beitrag zur politischen Umorientierung Richtung Kostenwahrheit im Klimaschutz geliefert haben. Dies nicht, weil sie mit ihren Aktionen auf den Klimawandel hinweisen. Jedes Kind weiß, dass die globalen Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten steigen dürften. Weil alle über die Erderwärmung Bescheid wissen, stellt sich nur noch die Frage nach sinnvollen Wegen zur Beschränkung des Klimawandels. Viele Aktivisten rechnen mit enormen Schäden aufgrund der Erderwärmung und behaupten sogar, dass der Klimawandel das Ende der Menschheit bedeuten könne. Auch manche Politiker, wie der UN-Generalsekretär António Guterres, sprechen beim Klimawandel von „kollektivem Suizid“. Obgleich es möglich ist, dass die Konsequenzen des Klimawandels einem kollektiven Suizid entsprechen, ist das wohl eher unwahrscheinlich. So oder so gilt: Wer ernsthaft behauptet, der Klimawandel gefährde die Menschheit, müsste Forderungen erheben, die die Erwärmung effektiv stoppen und diese auch kommunizieren. Was sind die kommunizierten Forderungen vieler Klimaaktivisten und mancher ihrer Gesinnungsgenossen? Sie fordern zuerst ein Tempolimit auf Autobahnen und ein 9-Euro-Ticket – wohlgemerkt nur in Deutschland. Wer als Aktivist glaubt, die Erfüllung einer oder beider dieser Forderungen hätte einen relevanten Einfluss auf das globale Klima, hat vermutlich als Kind viele Schultage mit „Schulstreiks für das Klima“ verpasst. Klimaschutz ist eine globale öffentliche Herausforderung, es handelt sich um ein globales öffentliches Gut. Die Forderungen vieler Klimaaktivisten entsprechen einer massiven „Klimanaivität“. Sie sind den globalen Herausforderungen des Klimawandels nicht gewachsen. Bald dürften auch Politiker, die Forderungen nach einem Tempolimit, einem 9- oder 49-Euro-Ticket oder nach mehr veganem Essen in Kitas erheben und dies mit Klimaschutz rechtfertigen wollen, von den Bürgern getrost als „klimanaiv“ angesehen werden und nur wenige dürften in Zukunft „klimanaive“ Politiker oder Parteien wählen. So tragen manche Klimaaktivisten dazu bei, dass eine bald breite Koalition gegen Klimanaivität entstehen wird. Diese Koalition will eine echte Lösung für erwartbare Probleme aufgrund der Erderwärmung. Kostenwahrheit ist diese Lösung. Um Kostenwahrheit kommt die Politik also nicht herum.
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